Der Mann ist ein Zauberer. Die Leute, die hier zur Tür reinkommen, sehen oft so wintergrau aus, als hätte seit Monaten niemand mit ihnen gesprochen. Aber dann nimmt er jede und jeden mit großer Herzlichkeit in Empfang. Und wenn die Leute zwei Minuten später rausgehen, meistens mit einer Zimtschnecke unterm Arm, haben sie dieses Lächeln im Gesicht, als hätte Jacques ihnen die Lebensgeister aufgewärmt.
Jacques Forest. Verwaschenes T-Shirt, Stiefel, dazu hat er immer ein rotes Halstuch elegant zum Haarschutz geknotet, wie ein Pirat auf Landgang. Man käme nicht drauf, dass er mal Börsenmakler war. Morgens läuft bei ihm immer dieser Mix, Baxter Williams, Chet Baker, ruhiger, cooler Jazz, der zu seinen fast meditativen Bewegungen passt. Teig ausrollen, falten, bestreichen. Zusammenlegen, schneiden und dann ein Knoten – fertig.
Jacques stammt aus Winnipeg in Kanada, er hat große Restaurants und Weinhandlungen gemanagt. Vor seinem 50. Geburtstag hat er nie ein Brot gebacken. Aber das Leben. Ein Urlaub in Vietnam, vor zwölf Jahren, eine unglaublich nette Schwedin. Und so hat er hier mit 51 noch mal ganz neu angefangen und das »Lilla Bagis« aufgemacht, das längst die soziale Wärmestube des Stockholmer Vororts Bagarmossen ist – und vielen Stockholmern zufolge die beste Brot- und Kanelbullar-Bäckerei Schwedens.
Was dem Franzosen sein Croissant, sind dem Schweden seine Kanelbullar: Zimtschnecken gibt es hier in jeder Konditorei, in der »Lilla Bagis« liegen sie immer vorn in der Auslage, glänzend, fluffig, butterweich. Das Wichtigste, sagt Jacques, ist die seidige Teigstruktur, wie beim Brot. Also gut und lange kneten. Der Rest geht von selbst, gut ausrollen, »das dankt dir der Teig«. Wenn er den Teig dann mit brauner Zimtmasse bestreicht, sieht der aus wie ein gegerbtes Lederfell.
Geht es um den Weizen, den er nutzt, spricht Jacques vom »Terroir« wie ein Weinliebhaber. Er kann den Geruch der Gerste und die Kraft der Enzyme genauso besingen wie das Wunder der Autolyse, die gerade in seinem kalt gestellten Sauerteig stattfindet. »Nur noch ein bisschen Glasur – oh, guten Morgen, wie schön, dich zu sehen!« Und dann passiert wieder dieses Wunder. Die Kundin sah beim Reinkommen eben aus wie ein schwedischer Wetterbericht im Februar. Dann geht inwendig ein Licht an, und nun entschwebt sie dem Laden mit zwei duftenden Kanelbullar in der Hand und einem Frühlingslächeln im Gesicht.
Die Bäckerei:
Lilla Bagis
Svartågatan 4
128 45 Bagarmossen, Schweden,
Tel. 0046/76/5 95 62 84
Hoteltipp für Stockholm:
Im »Grand Hotel« wohnen zur Zeit der Nobelpreisverleihung (in diesem Jahr am 10. Dezember) viele der Ehrengäste. Ein Zimmer ist teuer, aber zumindest auf einen Tee kann man sich dort ja verabreden.