Die Tage bin ich um fünf Uhr früh aufgewacht und lag dann eine Stunde und fünfzig Minuten lang wach. Und zwar in dieser vor Adrenalin flirrenden, vorbewussten Halbwachheit, in der man das Augenlid kaum hochkriegt, um zu gucken, wie viel Uhr es eigentlich ist. Weil man sich in eine nebulöse Zwischenwelt verirrt hat und nicht mehr zurückfindet ins Paradies. Und das aus purer Panik, dass man sich nun wieder dem beknackten, viel zu früh beginnenden deutschen Schultag zu stellen hat.
Ich bin also ab fünf Uhr früh nicht mehr eingeschlafen aus Angst, dass fast zwei Stunden später der Wecker klingelt. Als er es schließlich tat, war ich so sauer über meinen versäumten Schlaf, dass der Tag im Arsch war bevor er zu beginnen hatte, nämlich für mein Empfinden mitten in der Nacht. Dann lag mein kleiner Sohn, zwölf ist er, eine Stunde lang wach, ab 6 Uhr 30, aus heller Freude, sagte er: darüber, dass er eine Stunde später Schule hatte. Dann ging mein großer Sohn, vierzehn, extra zwei Stunden früher ins Bett, aus Angst, dass er am nächsten Morgen nicht wieder rauskäme – und lag drei Stunden wach, »voll wütend«, weil er nicht einschlafen konnte. Und der Vater der Kinder hat eigentlich seit zehn Jahren Schlafstörungen, weil er jetzt immer um halb sieben aufwacht, auch wenn er, wie in den Ferien, in den Tag hineinschlafen könnte.
Als die Sommerferien begannen, rief meine Freundin: »Juhu!, sechseinhalb Wochen keine Stullen schmieren!.« Und ich: »Juhu!, sechseinhalb Wochen kein Weckerklingeln!« Meine Freundin bezeichnet sich als Early Bird. Das sind seltene Vögel, außer ihr kenne ich sonst keinen und habe mich schon gefragt, ob bei ihr genetisch was nicht stimmt. Sie muss preußische Vorfahren haben. Die Preußen hatten frühaufstehermäßig einen an der Waffel: In keinem anderen Land fängt man freiwillig um acht mit Schule oder Arbeit an. Nur weil man nach der Schule noch ganz viele Nachmittagskurse ableisten will, um dann um Punkt 18 Uhr Abendbrot zu essen. Auch so eine dämliche deutsche Erfindung, Abendbrot mitten am Tag!
Aber nun wird es die folgenden sechseinhalb Wochen bis zu den Ferien wieder so sein, dass ich ab Donnerstagnachmittag schlafmangelbedingt in den Sinkflug gehe und bis Sonntagnachmittag brauche, um wieder halbwegs hoch zu kommen. Mein großer Sohn wird wieder sechseinhalb Wochen lang schlechte Laune haben und vor sich hinmaulen und mein Kleiner wird schon in wenigen Tagen den Elan verloren haben, der ihm jetzt noch Lust aufs Lernen macht. Das weiß ich auch ohne die Myaden von Studien aus der Schlafforschung, die fordern, Schule solle nicht vor 8 Uhr 30 beginnen. Und die Schlafstörungen des Vaters werden, der Mann ist hartnäckig korrekt, sicherlich anhalten, bis sie mit Eintritt ins Rentenalter von der senilen Bettflucht abgelöst werden. Echt schade, die Schule hat sein Leben zerstört.
Und jetzt komme mir bitte keiner mit dem Ratschlag, ich solle doch früher ins Bett gehen. Mach ich. Jeden Abend halb elf ist Schicht. Und mein innerer Wecker klingelt trotzdem vor 7 Uhr 20 nicht. Bald sind Wahlen, wir könnten diese Unsitte leichterhand ändern. Mein Wahlbüro kann auch gern ausschlafen. Es öffnet natürlich Sonntag um 8 Uhr.
Foto: dpa