Immer weniger

Ich mach’s mir nicht leicht, ich mach mich leichter - Matthew McConaughey erhöht seine Chancen auf den Oscar mit dem Lieblingstrick vieler Hollywood-Stars: für Rollen dramatisch an Gewicht verlieren.

Vielleicht muss man sich Filmstars als Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen vorstellen. Vielleicht denken sie: »Oh weh, was ist, wenn die Zuschauer glauben, so eine Szene dauert ja nur ein paar Minuten, diese Stars müssen sich ja immer nur zwei, drei Zeilen Text auf einmal merken? Nehmen die mich überhaupt ernst?« Vielleicht wollen Filmstars der Welt zeigen, dass sie nicht nur ein bisschen Dialog lernen und dann mit der Millionengage heimgehen, sondern dass sie bereit sind, sich wirklich aufzuopfern. Indem sie sich körperlich verändern. Absurde Frisuren wagen. Muskeln aufbauen. Oder, noch besser, so viel abnehmen, dass sie kaum mehr laufen können. Wer hungert, muss es ernst meinen mit der Kunst, oder?

Matthew McConaughey galt seine Karriere hindurch als fitnessclubgestählter Schönling. Bis ihm klar wurde: Ein Sixpack macht noch keinen Oscar. Also übernahm er die Hauptrolle in Dallas Buyers Club (2013), er spielt einen Aidskranken. Für die Rolle hungerte er sich 17 Kilo runter, er sieht aus wie ein Gespenst. Prompt ist er für den Oscar nominiert, der an diesem Sonntag verliehen wird. Aber in Interviews erzählt er, das Ganze sei für ihn vor allem eine »spirituelle Reinigung des Geistes« gewesen. Natürlich.

Der König der Hunger Games aber ist Christian Bale. Der hat sich erst als Batman in eine Art Zugspitzmassiv verwandelt – und danach für den Film The Machinist (2004) tatsächlich 28 Kilo abgenommen (sein Trick: jeden Tag nur eine Tasse Kaffee und einen Apfel). Am Ende sah er aus wie Menschen, deren Bilder man aus der Kriegsberichterstattung kennt. Immerhin wurde Bale damals vom Filmteam gebremst, er wollte eigentlich runter auf 45 Kilo.

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So wie McConaughey und Bale versuchen viele, ihre Leidensbereitschaft zu
beweisen, Colin Farrell (Triage, 2009), Michael Fassbender (Hunger, 2008, na gut, bei dem Titel musste er), Adrien Brody (Der Pianist, 2002), Gary Oldman (Sid & Nancy, 1986). Und natürlich ist das alles ein riesengroßer Unfug, schauspielerische Leistung wird durch Gewichtsverlust kein Gramm besser. Im Grunde geht es um den Rekord: Wer ist der härteste Hund von allen? Wer verdient die meiste Bewunderung? Das Prinzip der Jäger und Sammler, auf den Kopf gestellt: Hier werden Negativ-Kilos gesammelt.

Dabei ist der Wahnsinn ungesund: Wer sich zwanzig Kilo in zehn Wochen weghungert, ruiniert seinen Stoffwechsel, und der Körper zeigt heftige Mangelerscheinungen. Und weil es an die Reserven geht, also an die Muskeln, wird der Mensch immer schwächer. Wenn 50 Cent in All Things Fall Apart (2011) gequält in die Kamera schaut, ist das im Grunde also gar keine schauspielerische Leistung – dem Mann gehts echt schlecht.

Bleibt zu hoffen, dass Laiendarsteller und Volkshochschul-Schauspieler da nicht nachziehen. Vielleicht müsste man ihnen (und Bale und McConaughey und ihren Kollegen) noch mal die Geschichte von Dustin Hoffman und Laurence Olivier erzählen: Als die beiden Schauspieler zusammen den Film Der Marathon-Mann (1976) drehten, sollte Hoffman in einer Szene richtig fertig wirken. Dafür schlief er mehrere Nächte lang nicht. Der alte Olivier fragte, was das soll, der junge Hoffman sagte, das sei Method Acting. Worauf Olivier die unsterbliche Antwort gab: »Versuchs doch mal mit Schauspielern, Junge.«

(Fotos: dpa, rtr)