Henry Maske siegte, und Veronica Ferres holte sich die Punkte. Als der Boxer vor knapp drei Wochen den Kampf gegen Virgil Hill gewonnen hatte, taumelte er ins Publikum, eine der Ersten, die ihm gratulieren wollten, war die Frau, die schon die ganze Zeit im Hintergrund geleuchtet hatte. Veronica Ferres saß fast direkt am Ring, gleich bei Maskes Frau, sie war oft im Bild, trug einen sehr weißen Anzug zum blonden Haar, jetzt drängte sie auf den Sieger zu. Frau Maske schaffte es knapp, ihren Mann als Erste zu umarmen.
Wo man auch hinschaut, Ferres ist schon da. Immer ganz vorn. Am Boxring, bei Filmpremieren, auf Promi-Partys. Sogar wenn sie Post erledigt oder Telefonate führt: Ihr Büro liegt am Odeonsplatz, mitten in München (im selben Gebäude wie die Firma ihres Mannes Martin Krug). Eine Wahnsinnsadresse, gegenüber die Feldherrnhalle, rechts runter die Ludwigstraße, die Vorstandsprachtbauten von Siemens, der Hofgarten, die Bayerische Staatskanzlei, alles direkt nebenan. Hätte der Papst ein Münchner Büro, es müsste hier sein. Wer sich an so einem Ort niederlässt, zeigt der ganzen Stadt: Hier sitzt die Nummer eins. Ist ja auch so. Veronica Ferres, 41 Jahre alt, knapp 50 Rollen in Film und Fernsehen, Bambi, Goldene Kamera, Bayerischer Verdienstorden und gefühlte 20 Preise mehr, dazu mit dem Verein Power-Child aktiv im Kampf gegen Kindesmissbrauch. Die Unermüdliche. Die Beliebteste. Bekanntheitsgrad ungefähr auf dem Niveau Merkel/Beckenbauer. Deutschlands, ja bitte, Diva.
Ihre ständige Präsenz ist umwerfend. Man muss nur mal die Schlagzeilen ansehen, um die Dimensionen zu verstehen. Kurz vor Weihnachten gab es eine Woche, da war sie jeden Tag Thema. Erst ging es um einen Stalker, der sie verfolgt hatte, dann ergab eine Umfrage, die meisten Frauen wären gern wie sie, am Tag drauf erzählte sie, wie sie dem Vergewaltigungsopfer Stephanie helfe (»Ich bin zu einer Art Bezugsperson für sie geworden«), dann wurde der Stalker verurteilt, sie tauchte in In & Out-Listen auf, endlich kam Weihnachten, und es hätte einen nicht gewundert, wenn Frau Ferres auch noch Glühwein in der Fußgängerzone verkauft hätte.
Aber die Menschen werden nicht müde, im Gegenteil, die Frau sorgt ja im Alleingang für so viel Abwechslung wie drei Vorabendserien. In Interviews ist sie brillant, sie hat Geschichten auf Lager, kritische Fragen lässt sie ins Leere laufen. Wenn sie zum Beispiel auf ihren Rang als Star angesprochen wird, verweist sie meist auf ihre Eltern, die in Solingen als Kartoffelhändler gearbeitet haben. Funktioniert immer. Um ihren Worten Gewicht zu verleihen, erwähnt sie ständig, sie sei mit Billy Wilder befreundet gewesen – auf die Frage, wie sie mit verletzender Kritik umgehe, antwortete sie in Bild der Frau: »Wie sagte Billy Wilder so schön: ›Mitleid bekommst du umsonst, Neid musst du dir hart erarbeiten!‹«
Den Meister zitiert und mal eben klargemacht, dass Kritik ein Zeichen von Neid sein muss. Ferres ist eben sehr erfolgreich. Sie kann das jederzeit belegen. Als der Spiegel fragte, ob sie mit dem Fernsehfilm Für immer verloren zufrieden sei, sagte sie: »Sehr. Dass ich mehr Zuschauer in der jungen Zielgruppe hatte als Günter Jauchs Wer wird Millionär?, hat mich selber umgeworfen.«
»Junge Zielgruppe«? So reden eigentlich nur Marketingfachleute. Ferres bedient ihre Zielgruppen. Dem Feinschmecker erklärt sie, als Schauspieler müsse man rülpsen können (»Man muss es mit der jeweiligen Rolle vereinen und absolut authentisch herüberbringen«), dem Gefühls-Talker Gero von Boehm gesteht sie, sie habe mal an Selbstmord gedacht, in Gala erwägt sie, wie Angelina Jolie ein Kind aus der Dritten Welt zu adoptieren. Flexibel wie ein Stehempfang, Häppchen für alle.
Sie war nicht immer so. Jahrelang plauderte sie unbekümmert daher und schien wenig dagegen zu haben, wenn man sie vor allem als die dralle Freundin des Regisseurs Helmut Dietl sah, mit dem sie bis 2000 liiert war. Aber dann wurde sie dünn, ihr Gesicht veränderte sich sehr, die rheinische Frohnatur verwandelte sich in eine schlanke Diva. Sie bastelte sich ein neues Image. Manche sagen, das habe sie von dem Mann gelernt, den sie 2001 heiratete: Martin Krug, 49, kommt aus der Marketing-Welt, er hat früher Merchandising-Jobs für Mercedes gemacht. Die beiden treten gern gemeinsam auf, an der Seite von Ferres hat Krug es selbst ins Rampenlicht geschafft, beim Maske-Kampf sah man wieder, er genießt das. Anders gesagt: Er ist nicht gerade Joachim Sauer.
Seine Firma Krug Mediapool betreibt laut Eigenwerbung »Marketing, Sponsoring, Product Placement, Merchandising«, auf der Homepage stehen Referenzen. Unter »Event-Marketing« zwei Power-Child-Galas und eine Filmpremiere. Unter »Commercials« zwei O2-Spots. Damit sind zwei zentrale Aufgabenbereiche der Firma genannt: a) Veranstaltungen mit Veronica Ferres, b) Werbung mit Veronica Ferres.
Der Theaterregisseur Jürgen Flimm, den die Schauspielerin im letzten Sommer ärgerte, als sie eine geplante Zusammenarbeit absagte, sprach später von der »Firma Ferres«. Er meinte das abwertend, dabei beschreibt die Formulierung ganz gut, dass eine öffentliche Figur heute eben nicht nur ein einzelner Mensch ist, sondern ein multimediales Projekt, an dem mehrere Fachleute arbeiten. Das gilt am Hollywood Boulevard genauso wie an der Ludwigstraße.
Böse Stimmen sagen, in Veronica Ferres habe Krug das beste Produkt gefunden, das er je vermarkten durfte. Netter könnte man sagen, die beiden sind einfach ein gutes Team. Nennen wir sie F & K. Wie H & M. Oder B & O. Die Schauspielerin und der Marketing-Mann haben erkannt, dass sie zusammen die perfekte Marke schaffen können: Veronica Ferres Superstar.
Der Beruf zählt da nur noch zu den Details, er verschwindet fast hinter all den Auftritten und Statements und Boxkampfbesuchen. Die Rolle zum Beispiel, die Ferres vor Kurzem im TV-Krimi Vom Ende der Eiszeit spielte, schön und gut, wichtiger war, dass sie in Bild erzählen konnte, wie es ist, bei minus 45 Grad auf Eisschollen zu drehen (»Meine Angst war riesengroß«). Die Interviews waren dramatischer als der Film.
Jeder Auto-Manager kann einem das erklären: Es genügt nicht, einfach nur ein Auto zu bauen, man muss dem Kunden eine ganze Gefühlswelt anbieten. Sollen sich doch die anderen mit der Schauspielerei begnügen, die Riemanns und Furtwänglers und so weiter, F & K denken in viel größeren Dimensionen. Darum hat die Marke Ferres alle anderen bei Weitem abgehängt (übrigens auch, was die Zahl der Werbeverträge angeht).
In der Krug-Mediapool-Werbung findet sich die Maxime: »In Zeiten von verhaltener Kauflust müssen stimulierende Instrumente strategisch eingesetzt werden, um positive Emotionen zu aktivieren.« Das machen F & K perfekt. Da wischt Ferres auf einer Gala ihrem Mann schon mal vor Fotografen den Mund ab. Köstlich. Und als sie zusammen der Bunten ein Interview gaben, sprach sie zu ihm: »Ganz am Anfang unserer Beziehung hast du mal gesagt, ich wäre wie ein Schmetterling, den man fliegen lassen muss, und dann hat er bunte, wunderschöne Flügel.«
Zur Markengestaltung gehört auch, dass der Schmetterling einfach selbst diktiert, wie man ihn sehen soll. Zum Beispiel in Gala: »Wenn ich mir aktuelle Fotos ansehe, strahlen diese viel mehr Kraft, Authentizität und Schönheit aus. Der Babyspeck ist weg. Heute sehe ich einen Charakterkopf.«
Und dann natürlich Charity. Früher mal hieß das: Tu Gutes und rede darüber. Mit dem Verein Power-Child sind Vorstand Krug und Schirmherrin Ferres ständig präsent, jedes Jahr sammeln sie mit einer großen Gala Geld, im vergangenen Herbst waren es 650 000 Euro. Fraglos eine gute Sache. Auch wenn anfangs manches etwas holprig lief. Man muss etwas ausholen, weil der Fall zeigt, wie gut F & K ihren Laden im Griff haben. Power-Child, so hieß mal ein Kinderschutzprogramm des Stuttgarter Vereins Kobra. F & K kamen mit den Schwaben 2002 ins Gespräch, man begann, zusammenzuarbeiten. Dann machten F & K lieber allein weiter, es gab Krach, der Name aber wanderte irgendwie von Stuttgart nach München. Darauf angesprochen, erklärte Ferres 2003: »Das Wort Power-Child kann man genauso wenig schützen wie ›Nächstenliebe‹.«
Es wurde dann leider alles ziemlich massiv, eine Zeitung übertrieb es mit der Kritik und wurde verklagt, Krugs Anwalt sagte, bei Kobra werde unsauber gearbeitet. Der Journalist Thomas Heise berichtete damals für Spiegel TV und ließ Kobra-Mitarbeiter zu Wort kommen. Als er später noch einen Beitrag drehen wollte, zogen die Leute zurück. »Die waren extrem verschreckt«, sagt Heise heute, »denen war der Gegner eine Nummer zu groß.« Binnen kürzester Zeit war wieder Ruhe hergestellt. Die Wogen glätten, die Marke schützen – auch das ist effizientes Marketing.
Bleibt noch die wichtigste Aufgabe: Kontaktpflege. Markenerfolg ist schließlich »Eine Frage des Netzwerkes« (so der Slogan von Krug Mediapool). Das ganze Networking ist etwas verwirrend, aber man muss sich das ansehen, es läuft so schön rund: Krug ist Vereinsvorsitzender von Power-Child, zu den Vereinsvorständen gehört u. a. Wolfram Winter, bis vor Kurzem Geschäftsführer des Konzerns NBC Universal Deutschland, zu dem auch der Fernsehsender Das Vierte gehört. Da wiederum startete die Talksendung von Bunte-Mann Paul Sahner – erster Gast: Veronica Ferres. Fast zeitgleich zeigten sich F & K mit dem kranken Maler Jörg Immendorff in Bild, Krug kennt ihn schon lang, Ferres bezeichnet ihn mittlerweile als Freund, Krug wiederum versteht sich prächtig mit dem Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, der die Idee einer »Volksbibel« hatte, die dann Immendorff gestalten durfte, nun feiern sie zusammen mit Gerhard Schröder, den Immendorff eben porträtiert hat.
Für die Power-Child-Galas müssen prominente Gäste und Kooperatoren gefunden werden, die letzte wurde von Ferres’ Werbepartner O2 gesponsert, Johannes B. Kerner moderierte den Abend, Kerners Werbepartner Air Berlin sponserte auch gleich. Veronica Ferres sitzt ein paar Wochen später wieder in Kerners Talkshow. Kurz darauf stellt Mercedes ein neues Auto vor, Krug ist eng befreundet mit Norbert Haug, dem Mercedes-Sportchef, also kommen F & K, strahlen in die Kameras, verleihen der Veranstaltung so was wie Glamour und tauchen auf den Klatschseiten auf, was wiederum die Marke Ferres stärkt.
Manchmal fallen auch welche raus aus dem System. Sönke Wortmann hat mit Ferres 1996 den Hit Das Superweib gedreht, später sagte er: »Es ringt mir durchaus Respekt ab, dass es jemand mit durchschnittlicher Begabung so weit bringen kann.« Kinderkram für Ferres – sie begnadigte den Regisseur im Stern so: »Es war mein Fehler, gesagt zu haben, Das Superweib sei nicht mein bester Film gewesen. Das hat Wortmann zutiefst enttäuscht.« Schon ist er degradiert zur beleidigten Leberwurst. Heute sagt sie, sie seien wieder gute Freunde, aber er lässt auf Anfrage seine Assistentin ausrichten: »Herr Wortmann kann nichts über Frau Ferres sagen, weil er sie zu wenig kennt.«
Überhaupt gibt es nicht viele, die etwas sagen wollen. Kollegen, Konkurrenten, Party-Prominenz – fast immer heißt es: »Kein Kommentar.« Eine Journalistin, die F & K oft trifft, findet, den beiden gerate jede Bekanntschaft zum Business, darum seien ihnen die echten Freunde abhanden gekommen. Na ja. Ein Mann, der beide gut kennt, sagt, er habe manches zu kritisieren, aber sie seien in München zu einflussreich, also bitte keine Namen.
Dabei hat Ferres kein Problem mit Kritik. Im Gegenteil, sie nutzt sie geschickt: Vorwürfe in Vorzüge umzudeuten, das ist die Königsdisziplin der Markenpflege. In einem Gespräch mit der Berliner Morgenpost hat sie letztes Jahr ihre ganze Könnerschaft bewiesen.
Da bemerkt die Interviewerin vorsichtig: »Die einen halten Sie für eine Heilige, die anderen mögen Sie nicht so sehr.«
Ferres: »Das heißt, dass ich berühre.«
Die Journalistin hakt nach, manche fänden sie »kühl und unnahbar«.
Ferres: »Das sagte man doch über die Dietrich. Die kühle Blonde. Das hat doch wieder etwas Geheimnisvolles, Undurchschaubares.«
Ja, warum nicht einfach mal sich selbst mit den Größten vergleichen? Die Intervie-werin kommt schließlich zu dem eigenartigen Schluss: »Irgendwie scheint Ihre Außenwirkung Ihnen egal zu sein.«
Darauf Ferres ansatzlos: »Es klingt vielleicht eitel, aber nach dem, was es für mich in den letzten Jahren an Preisen gegeben hat … das macht mich sehr dankbar.«
Frühling in München. Am Odeonsplatz sitzen die Menschen vor den Cafés, golden leuchten die Buchstaben des Mediapool- Schriftzugs über die Ludwigstraße. Hier sind die großen Namen beisammen: Siemens. Stoiber. Ferres.
Siemens und Stoiber sind angeschlagen, bei Ferres läuft alles blendend. »Office Ferres« steht an der Glastür ihres Büros, der Teppichboden ist mit schwungvoller Schrift bedruckt, Passagen aus dem gefühligen Klassiker Die Möwe Jonathan. Das Buch erzählt von einer Möwe, die mehr will als ihre durchschnittlichen Kollegen, die nur nach Futter suchen; sie will das Fliegen perfektionieren. Hat Sönke Wortmann wirklich das Wort »durchschnittlich« benutzt? Man muss dem Mann dringend widersprechen. Veronica Ferres ist auf keinen Fall Durchschnitt. Sie ist gut. Sehr, sehr gut.
Epilog: Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe erscheint die neue »Bunte« − wieder mal mit einem Ferres-Interview. Frage: »Wie gehen Sie heute mit Widerstand oder mit Kritik um?« Antwort: »Billy Wilder hat mir gesagt: Mitleid bekommst du geschenkt, Neid musst du dir hart erarbeiten. Und es ist Neid, was ich von manchen Kritikern spüre. Aber spätestens seit ›Die Manns‹ und dem Grimme-Preis in Gold hat sich dies sehr geändert.«
Fotos: dpa