Wahre Geschichte: Eine Freundin sitzt gemütlich beim Sonntagsfrühstück vor einem Berliner Café, ein Mann mittleren Alters fragt höflich, ob er sich zu ihr setzen könne. Es sind zwar mehrere Tische frei, aber keiner im Schatten, und das bei 34 Grad. Sie nickt, er setzt sich. Und zieht unter dem Tisch die Turnschuhe aus, um seine sockenlosen Füße zu lüften. Infernalischer Gestank steigt zum Brötchenkorb empor. Herr Ober, zahlen!
Männer und Sommer, das war schon immer eine gefährliche Kombination. Im Frühling, Herbst und Winter sind sie in der Regel bis oben hin mit ihren Krawatten zugezurrt. Doch im Sommer, wenn selbst bei der Deutschen Bank die Knoten gelockert werden, platzt plötzlich der nackte Affe aus der Verpackung: Spargelbeine und rachitische Oberkörper werden in Tour-de-France-Pellen gesteckt, feiste Schenkel - beflockt wie Persianermäntel - in hoch geschlitzte Shorts. Des Weiteren bringt die Sonne an den Tag: Hitzepickelkolonien auf dem Rücken, Bongo-Bäuche und rhythmisch im Wind schwingende Bierbrüste, behaarte Klempnerspalten in zu tief sitzenden Hosen, Füße mit Hornhaut von der Stärke eines 30-Tonner-Reifens … Entschuldigung, ich sehe, Sie essen gerade.
Man muss den Männern zugutehalten, dass es nicht leicht ist für sie. Was, bitte, sollen sie anziehen, wenn der Schweiß heiß ist? Ärmellose Shirts gehen nur in der Kleingartenkolonie, Cargopants nur in City-Beachclubs, T-Shirts mit lustigen Aufdrucken nirgendwo. Für Temperaturen über 25 Grad fallen den meisten Herrenausstattern entweder bollerige Leinenhosen ein, die nach einmal Sitzen aussehen, als hätte man eine Nacht darin geschlafen, oder Miami Vice-farbene Seersuckeranzüge, die bestenfalls für einen Südstaaten-Cocktailempfang taugen. Helle, gar weiße Anzüge? Sollte niemand außer Tom Wolfe tragen. Allein das Sockenproblem scheint schier unlösbar: Ohne geht es nicht, aber weiße oder leberfarbene Socken in Sandalen? Oh bitte. Und selbst die eleganteste Lösung, Füßlinge in Lederslippern, hat was unangenehm Metrosexuelles an sich. Man muss es ehrlich sagen: Der Mann hat im Sommer keine realistische Chance, seine Würde zu bewahren, ab 30 Grad hat er von vornherein verloren.
Grund dafür ist natürlich genau das, was Sie hier gerade lesen: die neue weibliche Lust an der Vivisektion des Männerkörpers. Jahrhundertelang waren nur Frauen Gegenstand der Betrachtung, seit einigen Jahrzehnten aber wird mitleidlos zurückgeguckt.
Da bedarf es wohl staatlicher Unterstützung, um das weibliche Genöle zu bremsen. Japan geht tapfer voran mit einem Gesetz, nach dem eine der größten Sommersünden überhaupt - das Kurzarmhemd mit Krawatte - in Betrieben sogar vorgeschrieben ist. Der Umwelt zuliebe, Klimaanlagen müssen dann nicht auf Hochtouren laufen. So könnte es auch hier gehen: Adiletten, Schiesser-Feinripp, Trigema-Shirts - einfach alles heiligsprechen. Dann wäre jeder deutsche Mann ein wandelndes Wirtschaftsförderungsprogramm. Und die Frauen würden sich mit Kritik, nun ja, zurückhalten.
Wovon sich Männer im Straßencafé gerne mal ablenken lassen, lesen Sie hier.
Foto: Zettberlin/Photocase.de