Das Drama, das die Schauspielerin Sandra Bullock derzeit durchlebt, ist das Drama der modernen Frau: Sie kämpft. Sie rackert. Sie müht sich ab, im Job, als Frau, als Mutter alles zu geben - um zu lernen, zu wachsen, sich jeder Herausforderung zu stellen.
Zum Beispiel dieser Rolle in dem Film The Blind Side - Die große Chance, für die sie jetzt ihren Oscar gewonnen hat. Da spielt sie eine konservative, christliche und schon leicht verblasste Südstaatenschönheit, die als Mutter und Ehefrau im Luxus lebt und eine neue Aufgabe sucht. Sie findet Big Mike, einen haltlosen, zentnerschweren schwarzen Schüler ohne Familie und Perspektive, adoptiert ihn und macht, allen Zweiflern zum Trotz, einen Football-Star aus ihm. Erzählt nach einer wahren Geschichte. Dafür darf man dann schon mal tränenerstickt eine Goldstatuette in die Höhe recken. Das ist aber noch nicht das Drama. Das Drama ist, dass diese aufgeräumte, stets wie aus dem Ei gepellte, lustig- unprätentiöse Pferdestehlerin, die ganz allein dafür sorgt, dass das altmodische Adjektiv »patent« nicht ausstirbt, auf dem Weg zum Gold die ganze Zeit übel betrogen wurde. Der Bösewicht in ihrem echten Leben ist ihr Ehemann.
Er trägt den klassischen Outlaw-Namen Jesse James und ist als hartgesottener, großflächig tätowierter Biker und Besitzer der Motorrad-Werkstatt »West Coast Choppers« in den USA eine Art Reality-TV-Star geworden. Noch so eine Herausforderung: Bullock scheint schon lange auf einem Domestizierungs-Trip zu sein, bei dem sie gut aussehende, gern muskelbepackte, aber unstete und etwas trashige weiße Männer (Fachbegriff »Hunk«) mit ihrer unbezwingbaren Patentheit zu zähmen sucht.
Bei Jesse James schien das fünf Jahre lang, bis knapp nach den Oscars, auch gelungen zu sein - sogar für seine kleine Tochter hat sie das Sorgerecht gewonnen, und der Mutter, einem Pornostar, entrissen. Seither aber kommen Jesse James’ Affären ans Licht, eine nach der anderen, mit durchgeknallten, Nazi-affinen oder Cops prügelnden Porno-Tattoo-Bräuten. Richtig wilden Girls halt. Anti-Bullocks.
Wie konnte er nur!
Die Welt fühlt mit der gedemütigten Siegerin, und die moderne Frau fragt sich wieder einmal fassungslos, warum die bösen Männer im schönsten Moment alles kaputt machen müssen. Das ist allerdings absurd. Im männlichen Universum ist der Gedanke, dass Oscars, Nobelpreise, Wahlsiege - überhaupt jede Art von Größe - mit Opfern erkauft werden, eine Komplettbanalität. So ist es halt. Wird also Zeit, dass auch die moderne Frau diese Idee mal kapiert: Alles geht eben nicht. Jede Patentheit hat ihre Grenzen. Und jetzt bitte Schluss mit dem Gejammer.