Mauern ohne Ende – die Reaktionen

Vor einer Woche dokumentierte das SZ-Magazin ausführlich, wie im Kloster Ettal über Jahrzehnte Schüler misshandelt, missbraucht und gequält wurden. Der Artikel der Redakteure Bastian Obermayer und Rainer Stadler stieß bei den Lesern auf große Resonanz, positiv wie negativ. Lesen Sie hier Auswahl der Reaktionen.



    1.

    Es ist nicht von Belang, ob der Bericht sachlich ist. Denn die öffentliche Hinrichtung der sittlichen Glaubwürdigkeit des Benediktinerklosters Ettal samt Gymnasium und Internat ist moralisch gerechtfertigt. Dies nicht nur aus Rücksicht auf die Opfer.
    Der Reflex von Eltern und Schülern sowie uns Alt-Ettalern, sich gleichsam für die Schule in die Schussbahn zu werfen, ist die verzweifelte Verteidigung einer Jugendidylle, deren Zerstörung in der Tat traumatische Ausmaße annehmen kann. Es ist dann nicht weniger als der Verlust einer unbedingten familiären Instanz, einer elementaren emotionalen Verankerung.
    Auch in Anbetracht des Leids der Opfer, das man sich nicht ausmalen kann, ist dies ein Aspekt, der nicht leichtfertig übergangen werden darf. Auch für die unversehrten Ettaler geht in diesen Tagen ein Stück Jugend verloren und damit ein Stück eigene Existenz und Identität zu Bruch.
    Aber als Christen glauben wir: Nur die Wahrheit, auch wenn sie schmerzhaft ist, kann das Leid innerhalb der Familie beenden und Frieden bringen, nicht aber verzweifelte Versuche, zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Damit erübrigt sich freilich die in Anbetracht des realen Leids der Opfer kleinliche Diskussion, ob die Meiden differenziert berichten oder nicht, ob das Bistum besonnen handelt oder nicht, ob die Gewalt systematisch war oder nicht.
    Das einzige, was nicht nur den Opfern, sondern uns allen helfen kann, ist unsere Rolle als Täter zu akzeptieren und gemeinsam um Vergebung zu bitten. Das jetzt Nötige ist, sich schonungslos zu erforschen, wo und wann man Teil der Gewalt war, oder Ihrer Verharmlosung (!), und um Vergebung zu bitten. Nur so können die Opfer jemals Frieden finden und nur so können vielleicht auch wir das befremdliche Schamgefühl bewältigen, ein Ettal von Herzen geliebt zu haben, das zu solchem Scheusal in der Lage war.

    Philipp Mauch 2.
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    für den ausgezeichneten Beitrag von Bastian Obermayer und Rainer Stadler über die Verbrechen im Kloster Ettal danke ich Ihnen sehr.
    Es werden hier Missbrauchsfälle und Misshandlungen dokumentiert, die in diesem Umfang und in dieser Bösartigkeit kaum vorstellbar sind. Das Unglaubliche dabei ist, dass es sich bei den Folterern um Geistliche handelt, also um Menschen in der Nachfolge Christi, die durch das Sakrament der Weihe "christusförmig" geworden sind.
    Für die traumatisierten Opfer ist es wichtig, dass diese Verbrechen öffentlich gemacht werden, denn die Täter fürchten am meisten die Wahrheit. Von daher bleibt es nach wie vor notwendig, dass Sie weiterhin solche Beiträge veröffentlichen, damit sich die Menschen vor diesen Tätern, die es überall und zahlreich in der katholischen Kirche gibt, wirksam schützen können.
    Mit freundlichen Grüßen,

    Dr. theol. Karl-Heinz Minz

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    3.
    Ihr Bericht im Magazin vom 25.06. "Mauern ohne Ende" ist rechtlich ein Flopp und inhaltlich ein Schmarren. Die armen Internatisten, die Sie zitieren, behaupten Dinge die sie nicht beweisen können und verlogen sind. Meiner Meinung nach sind sie nur auf eine Entschädigung aus. Das wissen Sie auch. Und trotzdem veröffentlichen Sie einen solchen Mist. Wer sind nun die Verbrecher Denken sie mal darüber nach. Mein Testabo habe ich per sofort gekündigt. Mein nächster Kurzurlaub findet in Ettal statt verbunden mit einer Spende an das Kloster.
    Herzliche Grüße,

    Alfons Weiller

    4.

    Meine Familie liest Ihre Zeitschrift regelmäßig (da wir öfters weg sind nicht im Abo), sie wird täglich gekauft. Ich freue mich besonders auf das Magazin, ich mag alle Rubriken. Während eines Aufenthaltes in Italien kauften wir letzte Woche die Ausgabe mit der Reportage über das Kloster Ettal. Es wurde in den letzten Wochen in vielen Zeitschriften über die Probleme geschrieben, aber dieser Artikel ging wirklich unter die Haut. Ich habe nur eine Frage: Bei aller Berichterstattung über die Täter fehlen eigentlich Berichte über die Elternhäuser dieser Kinder. Wie kann es sein, dass Kinder über Jahre missbraucht werden und diese Kinder haben Eltern, denen sie wohl nichts berichten konnten oder durften oder sie wurden wissentlich wieder in die Schulen und Klöster zurückgeschickt. Da wir in der Nähe von Salem und der Schule in Gaienhofen am Bodensee wohnen, waren diese Schulen auch Thema für unsere Kinder. Wir haben sie aber letzten Endes doch auf Gymnasien vor Ort geschickt. Wie werden mal die Elternhäuser in den Mittelpunkt gerückt?
    Vielen Dank für Ihre schöne Zeitung.

    Sonja Kamm

    5.
    Liebe SZ-Magazin- Redakteure Obermayer und Stadler!
    Auch wenn es unbestreitbar dringend notwendig ist, die Problematik von Misshandlungen und von sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener journalistisch anzunehmen, beschleicht mich beim Lesen Ihres Beitrags im SZ-Magazin vom 25. Juni 2010 das ungute Gefühl, dass Ihnen gar nicht bewusst ist, wie sehr Sie damit das Prinzip schon früherer Gesellschaften folgen, greifbar und namhaft fassbare Täter an den öffentlichen Pranger zu stellen, um allen, auch anderen im Dunkel lebende Täter die Gelegenheit zu geben, auf diesen, für ihre Taten verantwortlich zu machenden Menschen ihre eigene Schuld abzuladen.
    Die Geschichte hat aber bisher gezeigt, auch die jüngste der Diktaturen, dass damit die von den Untaten betroffenen Gesellschaften nicht menschenwürdiger geworden wären, sondern sogar im Gegenteil noch aggressiver. Es ist eklatant und inzwischen auch schön häufiger angebracht worden, dass die bundesrepublikanische Gesellschaft der Nachkriegszeit noch gefangen in fest gefügten autoritären Strukturen in der Anwendung von Gewalt gegen eine zunehmend aufgrund von materiellem Reichtum und emotionaler Armut verwahrlosende Jugend die einzig wirksame und richtige Erziehungsmethode erkannte.
    Ein Großteil der heute 50 und 60jährigen kann von solchen Gewalterfahrungen, wie sie von Ihren befragten Opfern erfahren haben, in der Schule wie auf der Straße, in der Familie wie in Internaten gleich unter welcher Leitung berichten. Gleichzeitig gab es einen Zwiespalt zwischen sexueller Aufklärung (Stichwort BRAVO) und sexuellen Tabus, den viele aus unserer Elterngeneration erst haben überwinden lernen mussten. Die Flucht in ein sexuelles Nirwana war dabei noch der einfachste Weg; die offene Praxis sexueller Zuneigung war dabei aber auch nicht besser für das Finden zu seiner eigenen körperlichen Lust.
    In der Konsequenz ist heute für mich furchtbar erschütternd, dass unsere Versuche, es besser zu machen als unsere Eltern und Erzieher, bei der heutigen Kindergeneration in keinster Weise bewusst angekommen sind, sondern im Gegenteil die Erfahrung einer behüteten Familie mit liebevollem Umgang und Strukturen zwischen Freiheit und Autorität, in der Konsequenz gemündet ist, dass diese Art kindgerechten Aufwachsens als emanzipationsgefährdend und vor allem gegen die Chance, für sein Leben allen Reichtum zu gewinnen (mein Haus, mein Boot), als zu gefährlich abqualifiziert wird.
    Als ein Kind, das mit allem materiellem Reichtum und mit allen Bildungschancen ausgestattet, aber in Kinderhort, Kindergarten und als Schlüsselkind emotional völlig verwahrlost in einer Atmosphäre ständiger Gewaltbedrohung aufgewachsen ist, kann ich den Schmerz der von Ihnen befragten Opfern völlig nachempfinden, aber kann in der Berichterstattung nicht die Chance erkennen, dass aus diesen Vorfällen, die Teil der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft zum Teil bis zum Mauerfall waren, eine Konsequenz für die Gestaltung der Zukunft unserer Enkel gezogen wird, nämlich auch die Erkenntnis formuliert wird, dass ausschließliche Konzentration auf materiellem Reichtum für alle und Bildung um jeden Preis auf Kosten der Kinder geht, die in solchen emotionsarmen Strukturen wieder aufwachsen sollen wie wir.
    Warum eröffnen Sie nicht jetzt die Debatte für liebevolle Elternerziehung im häuslichen Umfeld gegen die Aufbewahrung in öffentlichen Einrichtungen, wo doch die in ihrem Bericht so deutlich herausgestellte Problematik nichtfamiliärer Betreuung und Erziehung tausendfach unsereren Enkeln drohen wird, weil das gesetzliche Recht auf außerhäusliche Kinderbetreuung ab 2011 zum Mainstream werden lässt, dass jegliche Familienbetreuung unerwünscht ist.
    Ein mea-culpa zu sprechen wird den Patres in Ettal weiter schwer fallen, weil sie sich wohl auch als Opfer empfinden und ihre Täterschaft, wie die früher an den Pranger gestellten Menschen, damit nicht einsehen können; da hilft auch eine solche qualitätsvolle Berichterstattung im Sz-Magazin nicht weiter. Ziehen Sie alle Täter ans Licht der Öffentlichkeit und lassen Sie es nicht zu, dass neue Täter erwachsen. Erst mit dem Bewusstsein, dass es die gesellschaftlichen Strukturen waren und es auch in Zukunft sein werden, die zu solchen Untaten geführt haben und führen werden. Opferentschädigung hilft uns da nicht weiter; es geht um Liebe und nicht ums liebe Geld!
    Ich danke für Ihr Hinlesen und grüße Sie im Vertrauen auf ihre journalistischen Fähigkeiten und Möglichkeiten

    Dr. Ute Feuerbach, Historiker und Mutter zweier erwachsener Kinder

    6.
    Moin, ich gratuliere zu diesem vorzüglichen Artikel, obwohl er mich zutiefst erschüttert. Nur die Wahrheit macht frei!!
    Dank und Gruß,

    Walter Lange

    7.
    Eine Entschädigungszahlung wird kaum eine kaputte Seele wieder heil machen, eher wird sie für kurze Zeit befriedigt, bis der Geldsegen verbraucht ist. In der Zeit in der die meisten Missbrauchsfälle passiert sind, waren Schläge nicht nur in Internaten an der Tagesordnung. Sexueller Missbrauch an Kindern muss strafrechtlich verfolgt werden und bedarf keiner Verjährungsfrist.

    Simon Bickel

    8.
    Sehr geehrte Herren Obermayer und Stadler,
    mit Interesse habe ich als Altettaler (1968-1977) ihren Artikel gelesen. Hier stellt sich mir sofort die Frage, warum sie anscheinend nicht ihrer verdammten journalistischen Pflicht nachgekommen sind: sie haben nicht mit den - möglicherweise teils bereits hochbetagten - Eltern der Internatszöglinge gesprochen. Diese waren es, die teilweise bis zu neun - manchmal auch zehn - Jahre lang ihre Kinder ins Benediktinergymnasium/ -internat Ettal gegeben haben. Waren die alle so dumm oder wegschauend ob all der vorfälle über diese teils lange Zeit?
    "Vorgefallen" ist wohl sicher so manches (nicht bei/mit mir!), aber das befreit sie nicht von ihrer Pflicht zu objektiver Recherche. Ihr Artikel im SZ-Magazin ist es nicht würdig, als Beilage in der geschätzten SZ zu liegen. Den können sie der Bild-Zeitung meinetwegen beilegen.
    Mit freundlichem Gruß von ihrem enttäuschten Leser

    Klaus Weinhart

    9.
    Den Geschädigten steht außer persönlicher Entschuldigung ordentliches Schmerzensgeld und Ersatz von Therapiekosten zu. Aber auch der Papst müsste sich bei den Mönchen entschuldigen, dass die Kirche sie als junge, unreife Menschen zu einem inhumanen, asexuellen und harten Leben in rein männlicher Gesellschaft verführt hat. Perverses Schlagen und sexueller Missbrauch werden dadurch gefördert.
    Herzlichen Dank den Journalisten: Sie haben Licht ins Dunkel gebracht. Viele andere Altettaler sehen die Fakten ebenso.
    Danke!

    Normann Hepp

    10.
    Sehr geehrte Herren Bastian Obermayer und Rainer Stadler,
    zunächst herzlichen Dank für Ihren hervorragenden und wichtigen Beitrag. Ergänzend möchte ich Sie darauf hinweisen, daß eben jener vor laufenden Fernsehkameras sich zu seinen Misshandlungen bekennender Pater Johannes Bauer nach wie vor im Gemeinderat der Gemeindet Ettal (www.ettal.de) sitzt.
    Offenbar endet das Schweigen und die Ignoranz nicht an den Klostermauern in Ettal. Ich hoffe sehr, daß das öffentliche Interesse an einer Aufklärung der beispiellosen Vorgänge bei den Prügelpatern nicht nach und nach endet. Nochmals danke für Ihren so wichtigen Beitrag.
    Mit besten Grüßen,

    Reinhard Babel

    11.
    Ich glaube kaum, dass die katholische Kirche dran schuld ist, dass diejenigen Mönche so sind, wie sie sind - dass waren vermutlich schon kranke Existenzen, die sich die Kirche sozusagen als Zuflucht ausgesucht haben.
    Die Kirche hat sich aber insofern schuldig gemacht, dass sie einen de facto rechtsfreien Raum für solche Menschen geschaffen hat. Auch die Eltern tragen viel dazu bei - bestimmt nicht immer, aber oft sind Eltern, die ihr Kind aufs Internat schicken, selbst obrigkeitshörig, stellen Autoritätspersonen vor die Kinder und auch sich selbst. So hat das Kind von vorn herein schlechte Chancen auf eine normale Kindheit, es ist im wahrsten Sinne das geborene Opfer.
    Dass die Untaten hauptsächlich vor den 1990ern passiert sind, kann ich gut glauben - in den 80ern fing schon ein Umdenken an, das zu einem wesentlich gesünderen Umfeld geführt hat - nicht nur in deutschen Internaten. Trotzdem: mein Kind würde ich niemals auf ein Internat schicken.

    Dave Blair

    12.
    Vielen Dank für diesen Bericht. Es müssen dann die Opfer auf die Barrikaden gehen. Es ist auch die Unfähigkeit der Klöster, sich auseinanderzusetzen. Man geht innerhalb der Klöster schlecht miteinander um. Probleme werden aufgeopfert und weggebetet. Magisches Denken ist das meines Erachtens. Außerdem weiß ich von einer Sendung im BR, dass gegenwärtige Eltern dieser Schule massiv Aufklärung verhindern wollen, damit ihre Kinder nicht ausgelacht werden, wenn sie mit einem Ettaler Abizeugnis ankommen. Das hat mit Christentum nichts mehr zu tun. Na ja, die Kirche geht auf unterschiedliche Weisen unter, nicht allein durch Austritte. Da lobe ich mir die Jesuiten mit ihren Einzelkämpfern.

    Annemarie Wachsmann

    13.
    Liebe Damen und Herren,
    der Bericht über die Geschehnisse im Kloster Ettal hat mich wütend und traurig gemacht. Wütend über das unglaubliche Verhalten der scheinheiligen Mönche, traurig über das Schicksal, dass die Kinder erdulden mussten. Und nochmals wütend, weil viele Taten verjährt sind.
    Dass nun von Seiten der Verantwortlichen gemauert wird, ist unerträglich; ganz sicher warten sie auch darauf, dass das unglaubliche Verhalten der Mönche aus der Presse verschwindet, weil andere Themen in den Vordergrund treten. Die Süddeutsche sollte diesen Gefallen der Klosterverwaltung nicht tun, sondern immer wieder berichten, so lange, bis die Opfer entschädigt worden sind. Und gezahlt werden soll für jedes der missbrauchten Kinder zwei Millionen Euro.
    Die Kirche soll sich nicht herausreden, sie habe das Geld nicht. Soll sie halt Immobilien verkaufen, der Papst seine lustige Kleidung - Jesus hatte auch nur einen Kittel - und diverse Luxusgüter aus seinem Palast.
    Vielen Dank für den guten und informativen Artikel.
    Mit freundlichen Grüßen,

    Monika Anhorn

    14.
    Schlimmst, dabei nötigst und dankenswertest! Etwas aus unseren Tagen. Eine 4. Klasse. Ein Kind (Junge) wird von der Schulleiterin nach einer "Auszeit" wieder in die Klasse zurückgebracht, aber wie?! Sie schubst, zieht, knufft und pufft das Kind vor die Klasse. Dort muss es sich "entschuldigen" ("Ich werde nie wieder..."). Als es dies herausgeschluchzt hat, wird es in schärfstem Ton aufgefordert: "So, und jetzt sagst du das noch einmal, aber freundlich!!!" Abgesehen davon, was sich jeder (hoffentlich) ausmalen kann, was so ein Tribunal für dieses Kind, aber auch für alle anderen Kinder (!) bedeutet, noch dies: Dass dies für mich als anwesend sein müssende Lehrkraft zumindest eine "Irritation" höchsten Grades darstellt, wird von keinster Seite auch nur in Erwägung gezogen, geschweige denn anerkannt! Im Gegenteil: Dies alles geschieht doch - wie eh und je - nur zum Besten aller...

    Helmut Rasp

    15.
    Vielen Dank für Ihren Artikel. Die Strukturen die dazu führten und führen, das dieser Missbrauch fortdauern konnte und auch noch anhält, fest verwurzelt. Deshalb ist es zu einfach zu sagen, es hat sich keiner gewehrt. Ich denke ein bisher vernachlässigter Aspekt der Missbrauchsserien ist warum hier nicht früher Widerstand kam. Ich denke, es ist zu einfach zu sagen, es kam kein Widerstand von den Eltern oder den Kindern wurde nicht geglaubt.
    Aus eigener Erfahrung als Elternteil weiß ich, dass an katholischen Schulen (und sicherlich nicht nur dort) die Kinder Sanktionen erfahren, wenn Eltern sich kritisch oder auch nur nachfragend äußern. Die Kinder werden zusätzlich abgestraft mit Bemerkungen, schlechten Noten, spitzen Kommentaren. Ändern tut sich nichts, da sämtliche Strukturen auf Machterhalt, Vertuschung und Verdeckung ausgerichtet sind.
    Die Kinder als Opfer, die bei Kritik der Eltern zusätzliche Sanktionen erfahren, wenden sich im schlimmsten Fall sogar gegen die Eltern, da diese ihre Situation ja nur verschlimmern. Auch Eltern die ihre Kinder dann von diesen Schulen nehmen wollen, erfahren oft massivsten Widerstand von ihren Kindern.
    Warum dies so ist, verstehe ich bis heute noch nicht ganz, aber vermutlich arbeiten hier die gleichen Mechanismen wie beim sexuellen Missbrauch, bei dem das Opfer die Schuldgefühle entwickelt. Missbrauch und das wird oft vergessen, besteht nicht nur aus sexuellem und körperlichen Missbrauch. Zerbrochen kann ein Kind auch durch seelischen Missbrauch werden. Hilfe erfährt man von keinem vor allem nicht von den Leitern und Aufsichtsbehörden.
    Es werden um die Strukturen zu erhalten immer persönliche Defekte des Kindes oder der Eltern konstruiert, die sich halt nicht anpassen wollen. Auch mehrfach dokumentiertes und von verschiedenen Personen mitgeteiltes Fehlverhalten einer Lehrperson führt nicht zu irgendwelchen Konsequenzen. Ich habe es selbst erlebt, dass eine solche Person in eine Leitungsposition befördert wurde.

    Name des Absender ist der Red. bekannt

    16.
    Danke für diesen Artikel. Allerdings muß ich von vornherein sagen, dass er nur dokumentiert, was zu erwarten war. Aber gerade deshalb ist er so wichtig. Er vermittelt vor allen Dingen, daß es einfach unmöglich ist, diesen Einrichtungen selbst die Aufklärungsarbeit zu überlassen. Aber er zeigt auch das ewige Dilemma, dem Opfer sexueller Übergriffe in jeglicher Form immer wieder ausgesetzt sind. Nämlich dieses immer wieder auftauchende "selbst schuld" und die daraus resultierende Solidarisierung mit den Tätern.
    Mich bewegt aber noch ein ganz anderes Problem, das in vielen Berichten über die Missbrauchsfällen in Internaten immer wieder einmal auftauchte, nämlich der Umgang der Eltern Betroffener mit diesen Vorfällen. Angefangen vom bloßen Unglauben gegenüber den Erklärungen der Kinder bis hin zum erklärten Verzicht auf eine Anzeigenerstattung. Damit haben sie sich zu Mittätern bei allen weiteren Handlungen gemacht und die Täter auch noch moralisch unterstützt.
    Ein letztlich entscheidender Punkt ist für mich die Tatsache, dass die katholische Kirche in ihrer Entscheidung, ob eine Anzeige erstattet wird, frei von jeglicher Bindung an geltendes Recht ist. Dadurch war eine wirksame Bekämpfung solcher Delikte in kirchlichen Einrichtungen doch wesentlich beeinträchtigt wenn nicht gar ausgeschlossen. Unterm Strich wird eines wieder deutlich, diesem Staat sind ganz offensichtlich die Täter wichtiger als die Opfer, denen es am Ende ganz allein überlassen ist, mit den Folgen der Tat fertig zu werden.

    Rainhard Ettel

    17.
    Sehr geehrter Herr Dr. Wichmann,
    ich durfte des Öfteren schon die Gastfreundschaft und die offene Atmosphäre des Kloster Ettals genießen und kenne auch einige der Mönche gut und habe deshalb Ihren einseitigen und "reisserischen" Bericht über das Kloster mit Entsetzen gelesen.
    Ich weiß, dass unter den jetzigen Verantwortlichen des Klosters der ehrliche Wille vorhanden ist, die schrecklichen Geschehnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten und einen Vergleich mit den Opfern herbeizuführen. Jedem vernünftigen Menschen muss es dabei klar sein dass dazu ein Konzept und auch Zeit vonnöten ist. Für Ettal ist es auch von großer Bedeutung was die Untersuchungen des päpstlichen Visitators ergeben. Die Aussagen des Klosters werden in Ihrem Bericht jedoch als unglaubwürdig hingestellt und es wird das Bild eines düsteren mittelalterlichen Klosters mit "gefährlichen" Mönchen, die "Intrigen" spinnen usw. gezeichnet. Das ist hundsgemeiner, miserabler Journalismus.
    Der Gipfel des Ganzen und ein Skandal ist jedoch, dass Ihre Leute – tut mir leid, ich kann sie nicht Redakteure nennen – sicher von den Verbindungen des Klosters zum Weißen Ring, der Opferhilfsorganisation, wussten, und mit keinem Wort in ihrem Bericht darauf eingehen. Zusammen mit dieser Organisation ist das Kloster gerade dabei ein umfangreiches Opferkonzept auszuarbeiten. Diese wesentliche Nachricht wurde unterschlagen, um Ihrem Artikel den gewünschten "reisserischen" Charakter zu erhalten.
    Da kann man nur noch sagen, "Seien Sie anspruchsvoll", lesen Sie eine andere Zeitung.
    Mit Grüßen,

    Peter Vögele