„Mit der konntest du zum Mond fliegen“
Michael F., 57, ist Informatiker an der TU München und gibt seine eigene Waschmaschine nach dem dritten Totalausfall nun endgültig auf. Darum geht er wieder in den Waschsalon, zum ersten Mal seit 20 Jahren. Aber dort ist es jetzt ganz anders als früher.
Gestern ist unsere Waschmaschine ausgefallen. Seit der letzten Reparatur hat sie vier Jahre gehalten. Jetzt, im verflixten siebten Jahr, ist sie wieder hin. Das war damals so eine von den hyper-modernen Maschinen, mit der konntest du zum Mond fliegen, aber waschen konnte sie noch nie. Jetzt muss ich aber nun mal dringend Hemden waschen. Ich war früher regelmäßig hier, vor dem Umbau, und da wars noch wesentlich gemütlicher, so ein kleines bisschen heruntergekommen und schmuddelig, nicht so steril wie jetzt. Ich bin kein Nostalgiker, der die Siebzigerjahre wieder herbeisehnt, aber das Leben hat sich schon verändert. Diese gesichtslosen Läden, die Menschen, die alle gleich aussehen, da fehlt der Charakter. Zum Glück gibt’s Waschsalons, die haben oft noch ein bisschen Patina. Aber selbst von denen gibt’s nicht mehr viele. Damals hatte ich in meinem Appartement keinen Platz für eine Waschmaschine. Ich hab mir oft die Typen angeschaut, die schon morgens um dreiviertel sieben im Waschsalon waren. Viele von ihnen waren Penner, die sich hier aufgewärmt haben. Und abends sind oft Parties gestiegen, so richtig mit DJ und allem.
Von Trocknern und Männern
„Vielleicht hat er meine Stärke beneidet, aber zugegeben hat er es nie“
Marguerita*, 47, lebt seit 22 Jahren in München. Im Waschsalon war sie erst viermal, nur zum Trocknen. Und auch das wird bald vorbei sein, denn in ihrem Leben stehen große Veränderungen bevor.
Ich kam vor 22 Jahren mit meinem damaligen Mann und meiner dreijährigen Tochter hierher nach München. 14 Jahre später kam meine zweite Tochter auf die Welt. Am Anfang hatte ich einen kleinen Lebensmittelladen, aber 2001 musste ich zumachen. Ich habe bis zu 18 Stunden am Tag gearbeitet, irgendwann gings nicht mehr, vor allem wegen meiner Kinder. Als wir hier her kamen, haben wir kein Deutsch gesprochen, nur ein bisschen Englisch, das war’s. Das Klima, die Lebensqualität, die Leute, das waren wir anfangs nicht gewohnt, wir mussten alles neu lernen. Ich habe damals gehofft, dass mein Mann auch ein bisschen für mich sorgen wird, aber er war schwach. Ich hab ihn manchmal geschimpft, es hat nichts geholfen. Vielleicht hat er meine Stärke beneidet, aber zugegeben hat er es nie. Seit fünf Jahren bin ich geschieden, meine zwei Töchter erziehe ich seitdem allein. Ich war erst viermal hier im Waschsalon, aber ich bringe die Wäsche nur zum Trocknen, weil in der Wohnung kein Platz dafür ist. Sonst komm ich nie so spät her, das ist ein bisschen unheimlich. Bald ist das ohnehin vorbei, denn im September gehen wir zurück nach Griechenland. Ich will einfach anders leben. Besser oder schlechter spielt keine Rolle, einfach anders. Ich weiß nicht, warum ich so optimistisch bin, das liegt wahrscheinlich in meiner Natur.
*Name von der Redaktion geändert.
Das erste Mal
„Wir leben nicht, um Geld zu sparen, wir geben es aus“
Aidah Kassim, 34, wohnt in Dubai und ist für einen Monat in München, zum Einkaufen. Und all die neuen Sachen muss man natürlich gleich mal waschen.
Meine Mutter, mein Bruder und ich kommen zum Shoppen, weil es hier die neuesten Gucci- und Louis-Vuitton-Kollektionen gibt. Die kriegt man in Dubai nicht. Wir machen das jedes Jahr. Bis jetzt haben wir so um 10.000 Euro für Handtaschen und Schuhe ausgegeben. Wir leben nicht, um Geld zu sparen, wir geben es aus. Wir kaufen die Dinge, weil wir sie brauchen. Bei Kleidung bin ich sowieso etwas eigen. In der einen Maschine ist weiße Wäsche, in der anderen sind Pyjamas, in der dritten Jeans und so weiter. Ich mag diesen Ort. Waschen ist eine gute Übung, solche Waschsalons wie diesen hier gibt es in Dubai nicht und zuhause wäscht sowieso mein Assistent für mich. Ich bin seit 2006 in Dubai. Meine leibliche Mutter lebt in Singapur, zusammen mit meinen fünf Brüdern und vier Schwestern. Sie hat mich damals verstoßen. Ich war in meiner Kindheit eigentlich immer auf mich allein gestellt. Ich hatte ein Zuhause, ich stand nicht auf der Straße, aber ich würde sagen, ich bin alleine groß geworden. Wir hatten nicht die Beziehung, die Mütter und Töchter sonst miteinander haben. Ich habe gehofft, dass die Ehe mich vor meiner Familie rettet, aber irgendwie waren die Probleme danach noch da. Die Ehe hat neun Jahre gehalten. In Dubai habe ich dann meine neue Mutter kennengelernt und sie hat mich in ihre Familie aufgenommen.
Ein Sonntagsausflug
„Ich hasse waschen“
Die Sonne scheint, dennoch trifft man Christian Brunner, 33, Versicherungskaufmann und Andrea Hellmann, 28, Industriekauffrau aus München nachmittags im Waschsalon. Ohne Wäsche.
Brunner: Wir waschen manchmal Großteile im Waschsalon. Früher war ich mit einem Freund oft da, ich bin einfach mitgegangen, wir haben uns unterhalten und Leute beobachtet.
Hellmann: Das hat schon eine gewisse Atmosphäre, beim Josephsplatz zum Beispiel, da war ich wegen meinem riesigen Sofakissen. Das hat zwar ewig gebraucht, aber es war richtig nett. Man sitzt rum und wartet, nichts passiert.
Brunner: Es gibt da schon so skurrile Typen, mit denen muss ich nicht unbedingt was zu tun haben.
Hellmann: Ich bin schon die Kommunikativere. Manchmal bremst er mich dann ein, wenn ich zu viel mit fremden Leute quatsche. Ich bin gerade zu ihm in seine Wohnung gezogen. Und weil er ja vorher auch selbst gewaschen hat, macht er meine Sachen gleich mit. Ich leg dann meistens zusammen. Wenn wir in eine größere Wohnung ziehen, wasch ich wieder, weil er das eigentlich gar nicht mag.
Brunner: Ich hasse waschen. Ich kann mich nicht entspannen, wenn die Maschine läuft.
Hellmann: Ich find das irre angenehm, wenn man in der Wohnung wäscht. Hier ist es aber auch schön. Und es riecht so gut nach Waschmittel. Trotzdem, wir werden dann mal gehen, er meckert ja immer schon, dass ich so viel unternehmen will, jetzt im Urlaub.
Waschmaschinen-Action
"Du kannst dir ja vorstellen wie das aussieht, wenn ein 10-Jähriger Science-Fiction machen will."
Jakob Thomsen, 33, hat keinen Platz für eine Waschmaschine. Was vielleicht daran liegt, dass drei Computer bei ihm zuhause rumstehen.
Meine Wohnung ist ziemlich winzig, darum hab ich mein Wohnzimmer hier ins Cafe, die Waschmaschine in den Waschsalon und meinen Drucker in den Kopierladen outgesourct. Ist ja alles quasi um die Ecke. Ich wohn auf 22 Quadratmeter mit meinen drei Computer-Untermietern und allerhand technischem Equipment, Green Screens, Kameras. Damit mach ich sehr absurde, surrealistische No-Budget-Action-Kurzfilme. Die beiden ersten "Out of coffee" und "Don’t be late" sind bereits bei kleineren Kurzfilmfestivals gelaufen. Das erste Programm habe ich geschrieben, da war ich 12. Den ersten Kurzfilm habe ich in der vierten Klasse gemacht, zusammen mit einem Freund, aber wir waren mit dem Ergebnis natürlich wahnsinnig unzufrieden. Du kannst dir ja vorstellen, wie das aussieht, wenn ein Zehnjähriger Science Fiction machen will. Danach habe ich das erst mal zehn Jahre ruhen lassen. An die Filmhochschule zu gehen, war mir zu stressig. Ich bin kein Ellenbogentyp. Und mit dem deutschen Film kann ich auch nichts anfangen.
Fotos: Julia Well, Markus Ofner