Ihr erster Gedanke, als Sie die Diagnose »Leukämie« hörten?
Scheiße, mein persönlicher Albtraum! Habe ich was falsch gemacht? Mein Arzt aber hat gesagt: Nur wenn ich in den Achtzigerjahren an einer Tankstelle mit Benzol gearbeitet hätte, könnte ich was falsch gemacht haben: Leukämie ist ein genetischer Unfall.
Wie haben Sie gemerkt, dass etwas nicht mit Ihnen stimmt?
Ich war müde und hatte starke Schmerzen in der Nierengegend. Wegen einer Muskelverspannung musste ich zum Osteopathen. Der sagte nach der Behandlung: Mir scheint, dass sie noch viel größere Probleme mit sich rumtragen als diese Zerrung. Ich dachte: Esoterikgequatsche! Als ich das nächste Mal zu ihm kam, schickte er mich zum Arzt. Drei Tage später lag ich im Krankenhaus und der Leiter der Onkologie sagte: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: Sie haben Leukämie. Die gute: Ich habe ein Bett für Sie.« Ist es so ungewöhnlich, ein Bett in einem Krankenhaus zu bekommen?
Wenn Sie sofort in die keimfreie Isolationsstation müssen und auf eine Stammzellentransplantation vorbereitet werden, schon.
Wie ging es Ihnen nach der Stammzellentherapie?
Brutal schlecht. Ich sah aus wie dieser russische Spion, der in London vergiftet wurde. Man muss sich eine Stammzellentherapie vorstellen wie einen Computer, dem man die Festplatte rausbaut, ein komplett neues System installiert und neu hochfährt. Du trägst danach das Blutbildungssystem eines anderen in dir, hast seine Blutgruppe, sogar deine Haare können anders wachsen. Davor werden sechs Monate lang alle Blutzellen durch Chemotherapie und Bestrahlung zerstört. Du bekommst Medikamente ins Rückenmark gespritzt, sogar mein Kopf musste bestrahlt werden. Es könne sein, dass ich danach mein normales Lernpensum nicht mehr schaffe, sagten die Ärzte. Lieber dumm und lebendig als schlau und tot, dachte ich mir.
Kennen Sie den Spender, dessen Stammzellen Sie nun in sich tragen?
Nein, man kann seinen Spender erst ein, zwei Jahre nach geglückter Transplantation anschreiben. Ich hatte schon nach elf Monaten einen Rückfall, deshalb brauche ich meinen Spender noch mal: Ich hoffe nun auf die sogenannten DLI, die Donor Lymphocyte Infusions: die T-Zellen meines Spenders. Demnächst wird er nach Frankfurt fahren, um sich seine T-Zellen entnehmen zu lassen. Ich kenne nur sein Kürzel: Der nette Herr DJX3510 sei noch mal bereit, mir seine Zellen zu schenken, sagte mein Arzt. In den nächsten sechs Wochen entscheidet sich, ob das mit den T-Zellen geklappt hat. Wenn nicht, habe ich ein Problem.
Was heißt das?
Wenn ich nicht gesund werde, kann ich noch acht Monate mit einem Medikament überleben – dann wird mein Körper resistent dagegen.
Und dann gibt es keine Therapie mehr?
Dann dreht sich alles um die Frage, ob eine weitere Stammzellentherapie noch sinnvoll ist. Daran denke ich noch nicht. Früher, als ich noch gefochten habe, sagte ein Mannschaftskollege zu mir: Es geht nicht darum, was der andere kann. Es kommt nur darauf an, wie gut du bist. Ich bin schwer krank und könnte in absehbarer Zeit der Katz gehören. Aber ich habe vor, diesen Kampf zu gewinnen – ob ich darauf Lust habe oder nicht. Ich halte es wie Karl Valentin: Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.