Was, wenn ein nützliches Geschenk ungenutzt bleibt?

Ein Mann möchte unterstützen, dass sein Nachbar mehr Fahrrad fährt und schenkt ihm einen Sattelschutz. Sein Plan geht nicht auf. Sollte der Leser das Geschenk zurückverlangen?

Illustration: Serge Bloch

»Mein Nachbar legt so ziemlich alle Wege mit dem Auto zurück. Ich halte angesichts des Klimawandels eine Verkehrswende für notwendig – und in unserer Stadt mit ÖPNV und Fahrradinfrastruktur auch für machbar. Vor Wochen überraschte er mich damit, ein Fahrrad in unserer Abstellanlage anzuschließen. Das hat mich so fröhlich gestimmt, dass ich ihm meinen Sattelschutz geschenkt habe. Nun ist dieses Fahrrad seitdem nicht bewegt worden. Sollte ich ihm meine Enttäuschung ­mitteilen oder gar den Sattelschutz zurückverlangen?« Lothar J., Düsseldorf

Menschen lassen sich in der Regel ab einem gewissen Alter nur noch wahnsinnig ungern erziehen. Ich würde mal sagen, etwa ab drei Jahren. Und als Erwachsene haben sie sich meistens für alles, was sie tun oder lassen, gute Gründe zurechtgelegt, die teilweise so überzeugend sind, dass sie sogar besseres Wissen stechen. Ich muss Ihnen deshalb die traurige Mitteilung machen, dass absolut ausgeschlossen ist, dass Sie Ihren Nachbarn mit so etwas Banalem wie persönlicher Enttäuschung zum Umdenken bringen. Was aber Ihren Sattelschutz angeht – fragen Sie ihn einfach, ob er ihn vielleicht doch nicht braucht. Das ist möglicherweise sogar eine Win-win-Situation. Zum einen wird ihn diese Frage an den Umstand erinnern, dass er ein Fahrrad besitzt. Vielleicht kommt er durch diesen Einleitungsgedanken asso­ziativ von selbst auf die Idee, es gelegentlich auch einmal zu benutzen. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass er Ihnen einfach nur sehr höflich anbieten wird, Ihnen den Sattelschutz zurückzugeben (auch wenn an dieser Stelle erwähnt sei, dass sich ein solcher Schutz auf einem unbenutzten Sattel natürlich am meisten rentiert. Aber ich verstehe schon Ihren Impuls. Es geht nicht um Logik, sondern ums Prinzip.)

Wichtig: Bitte nehmen Sie den Sattelschutz dann auch wirklich zurück. Das wird Ihnen all die negativen Gefühle ersparen, die sich sonst beim Anblick Ihres so schön gedachten Geschenks auf dem unberührt in der Abstellanlage parkenden Fahrrad in Zukunft noch in Ihnen an­stauen würden. Es ist meistens gut zu handeln, bevor man irgendwann jemanden anschreit, der nicht weiß, wie ihm geschieht.

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PS: Vermutlich ist Benzin sowieso bald so teuer, dass sich niemand mehr leisten können wird, Auto zu fahren. Dann, aber wirklich erst dann, können Sie Ihrem Nachbarn den Sattelschutz ja noch mal neu schenken.