Drängler-Attacke

Darf man Menschen an der Supermarktkasse einfach vorlassen, oder müssen stets alle gefragt werden, die hinter einem in der Schlage stehen?

Illustration: Serge Bloch

»Ich war einkaufen, ein älteres Ehepaar schlich sich beim Anstellen an der Kasse von der Seite an mich ran und fragte, ob ich sie vorließe, da sie nur einen Artikel hätten. Hinter mir standen noch mehrere Leute in der Schlange. Ich bat also, auch diese nach ihrem Okay zu fragen. Darüber wurde sich lustig gemacht, und die Fragenden stellten sich grummelnd hinten an. Steht es mir zu, die Entscheidung zu treffen?« Jennifer P., per Mail

Herrlich, in Ihrer Frage steckt Material für eine ganze Curb Your Enthusiasm-Folge. Was würde ­Larry David wohl aus dieser Szene machen, wer würde zuerst die Nerven verlieren, wer zuletzt von wem aufgebracht eine Entschuldigung verlangen, bevor dann die tolle Umtata-Abspannmusik einsetzt . . ? Allein das Detail, dass es ein älteres Ehepaar war, das sich anschlich. Sie kennen vielleicht die Curb Your Enthusiasm-Folge, in der Larry David den Begriff »Chat and Cut« prägt, Plaudern und Abkürzen (Staffel 8, Folge 5)? Damit ist die Taktik gemeint, sich in Schlangen nach vorne zu mogeln, indem man einen unendlich entfernten Bekannten, der dort ansteht, zum möglicherweise ersten Mal im Leben grüßt, und hoppla, schon ist man mit ihm in einem Gespräch (und auf seiner Höhe in der Schlange). Larry David regt sich, als er davon Zeuge wird, fürchterlich auf, stellt die Vordränglerin zur Rede und verweist sie ans Ende der Schlange, übrigens mit Zustimmung ihres vermeintlichen Bekannten, der die Nummer ebenfalls durchschaut hat und ziemlich dreist fand. Etwas später in derselben Folge wird Larry David dann allerdings selbst bei ­einem plumpen Versuch von Chat and Cut erwischt.

Die Antwort auf Ihre Frage: Nein, es steht Ihnen eigentlich nicht zu, für alle die Entscheidung zu treffen. Tatsächlich müsste sich das Ehepaar hinten anfangend nach vorne durchbetteln, nur das wäre für alle fair, aber da es die beiden offenbar schlimm eilig hatten und nur einen Artikel zu zahlen, halte ich es für denkbar, dass Sie mit einem fragenden Blick in die Runde hinter sich alle mit in die Entscheidung hätten einschließen können, das Paar (woher wissen Sie eigentlich, dass die miteinander verheiratet waren?) vorzu­lassen. Wenn die beiden aber so blöd ­reagiert haben, war es doch eh richtig, wie Sie es gemacht haben.