Rätsel um den Paten

Kann man einen Freund zum Paten der Tochter ernennen, wenn man diese gar nicht taufen lassen möchte?

Illustration: Serge Bloch

»Wir sind seit Kurzem Eltern einer Tochter. Einer unserer besten Freunde ist sehr gebildet, weiß, worum es im Leben geht, und verfügt über beeindruckende moralische Wertvorstellungen. Kurzum: der ideale Taufpate. Nun möchten wir unsere Tochter aber aus diversen Gründen eigentlich nicht taufen lassen. Kann man ihn trotzdem zum Paten machen?« Moritz A., Wien

Erst mal: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Tochter, die bestimmt wahnsinnig süß ist und Sie hoffentlich genug schlafen lässt. Und gleich noch einen Glückwunsch zu Ihrem Freund. Alles, was Sie über ihn schreiben, klingt wunderschön. Deswegen: Ja! Machen Sie ihn unbedingt zum Paten! Man sollte gute Ideen nicht der Kirche allein überlassen. Falls Sie ein schlechtes Gewissen dabei haben, dem Christentum dieses Amt zu entlehnen – und die Anführungsstriche, in die Sie den Begriff »Pate« setzen, deuten darauf hin –, müssen Sie es ja nicht Pate nennen. Ich kenne Menschen, die geheiratet haben, ohne zu heiraten. Sie haben ausdrücklich und im großen Stil zu ihrer »Nichtheirat« eingeladen, und es gab auch einen Rabbiner, der diese Nichtheirat vollzog, völlig inoffiziell, aber wahnsinnig herzlich und festlich. Das ist bestimmt zehn Jahre her, und die beiden sind immer noch sehr glücklich miteinander nicht­verheiratet.

Zieht man das Religiöse von einer Patenschaft ab, geht es um Folgendes: Eltern bestimmen eine erwachsene Person, die für ihr Kind da sein wird, sollte es aus ­irgendeinem Grund, den wir uns nicht vorstellen wollen, nötig sein. Einen Menschen, der sich in diesem Fall zuständig fühlt. Bei dem Sie sich darauf verlassen können, dass Ihr Kind sich auf diesen Menschen verlassen kann. Ihr Freund ist sehr gebildet, schreiben Sie, er weiß, wo­rum es im Leben geht (könnten Sie ihn beizeiten fragen und mir die Antwort zukommen lassen? Danke vorab!), und über beeindruckende moralische Wertvorstellungen verfügt er auch noch. Worauf warten Sie? Wenn Sie ihn nicht fragen, tun wir es jetzt hier: Sehr geehrter, bezaubernder Freund von Moritz A. und seiner Frau, wir sind alle der Meinung, dass Sie der beste Pate wären, den man sich überhaupt nur vorstellen kann. Bitte sagen Sie Ja.