Ist ein Traumfänger kulturelle Aneignung?

Unschlüssig, was sie von einem Geschenk zum Einzug halten soll, wendet sich eine Leserin an unsere Kolumnistin. Die hat eine klare Meinung.

Illustation: Serge Bloch

»Ich habe von einer Freundin zum Einzug in die neue Wohnung ein Geschenk bekommen: einen Traumfänger, den meine Freundin geflochten und gestaltet hat. Beigelegt war eine Karte mit guten Wünschen, auf dass meine Träume in Erfüllung ­gehen. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Mein Freund ­hin­gegen, der mit mir zusammenwohnt, reagierte zurückhaltend. Er ist Atheist, positioniert sich links und hat Bedenken, dass es sich bei dem Traumfänger um ein esoterisches und ­spiri­tuelles Symbol handle, das zudem im Sinne der ›cultural ­appropriation‹ unangemessen sei. Er will nicht, dass ich es ­aufhänge, auch nicht an diskreter Stelle, die Wohnung sei zu klein. Ich finde seine Argumente starrsinnig. Er findet, dass ich seine Prinzipien nicht respektiere. Was tun?« Anna G., Berlin

Ich bin ein großer Anhänger der Meinung Ihres Freundes, das Ding nicht aufzuhängen – allerdings aus einem anderen Grund. Traumfänger sind einfach irrsinnig hässlich. Warum sollte man sich freiwillig etwas in den Raum hängen, das aussieht wie ein Spinnennetz, das sich für den Karneval der Kulturen verkleidet hat? Traumfänger sehen nicht einmal in ihrer natürlichen europäischen Umgebung gut aus, ibizenkischen Strandläden. Dort übrigens sind sie made in Ibiza – wir haben ja Globalisierung, Dinge wandern, Erfindungen reisen, und noch die seltsamsten Moden machen an Grenzen nicht halt. An thailändischen Stränden werden solche Dreamcatcher ebenfalls zuhauf angeboten – made in Thailand. Was man heute so hochtrabend »cultural appropriation« nennt, nannte man bis vor ein paar Jahren einfach Hippiequatsch. Zeug, das man sich irgendwo im Süden sonnengeküsst und glücklich einen irrigen Moment lang gut in der heimischen Wohnung vorstellen kann – und es hängt gleich ein ganz neues Leben mit dran. Mehr Sex, weniger Fleisch, und wollte man nicht ohnehin noch irgendwann mit dem Kiffen anfangen? Zu Hause entpuppt sich der Traumfänger dann einfach als Staubfänger, und die schlechten Träume aus dem Süden hat man dort sowieso nicht.

Natürlich ist es trotzdem ein reizendes Geschenk, das Ihre Freundin Ihnen gemacht hat. Mit den schönsten Hintergedanken. Mögen diese in Erfüllung gehen, mögen all Ihre Träume sich erfüllen, auch der, dass Sie zusammen mit Ihrem Freund in einer wunderschön eingerichteten Wohnung ­leben, in der sich irgendwo auch ein Möbel mit einer tiefen Schublade befindet, in der all die vielen Geschenke schlummern, die Ihnen liebevoll zugedacht wurden von Menschen, die es gut genug mit Ihnen meinen, um verstehen zu können, dass nicht ein jedes einen Platz im Schaufenster bekommt.