Tashas erster Mann war ein Inder mit Ukulele. Sie klickte ihn weg. Der zweite war nackt. Klick. Der dritte hässlich. Klick. Der vierte sagte: »You are fucking beautiful, oh my God.« Tasha verliebte sich.
Tasha, 18, aus Kalifornien und Doug, 17, aus Illinois haben sich am 2. Februar dieses Jahres auf www.chatroulette.com kennengelernt. Tasha hatte von Freunden aus der Highschool davon gehört: eine neue Internetseite, auf der man sich mit Fremden unterhalten kann, per Video-Chat, anonym, verbunden durch einen Zufallsgenerator. Total lustig, sagten die Freunde, eine Freakshow. Tasha musste ihren Namen nicht nennen, nicht ihren Wohnort. Sie kannte Chats, aber dieser war anders: Sie konnte ihren Gesprächspartner anschauen. Und sie wusste, wenn ihr einer nicht gefällt, klickt sie auf »Next« und bekommt sofort einen neuen zugeteilt. Eineinhalb Millionen Menschen loggen sich jeden Tag bei Chatroulette ein, es war der Zufall, der Tasha und Doug zusammenbrachte.
Er grinste so süß. Sein blaues Käppi hatte er verkehrt aufgesetzt. »Irgendwie cool«, dachte Tasha. Hinter Doug im Regal sah sie Modellautos stehen. Modellautos! »Niemand ist perfekt«, dachte sie. Doug mochte Tashas braune Locken, ihre Augen, das Lächeln. Und er fand toll, dass er jemanden aus Kalifornien kannte. Die beiden quatschten: über die Käsefüße von Dougs Kumpels; über die vielen Verrückten bei Chatroulette. Und darüber, dass es was Besonderes sein müsse, dass die beiden, Tasha und Doug, auf einer Chatplattform jemanden gefunden haben, der irgendwie normal zu sein scheint.
In der wirklichen, der analogen Welt sind es die schillernden Typen, die leicht Verrückten, die begehrt werden. Im Internet sind es die »Normalen«. Über eine Stunde redeten sie. Dann musste Tasha Spaghetti kochen für ihre Eltern. »Wie treffe ich dich wieder?«, fragte Doug. »Finde mich im Netz«, sagte Tasha, »ich nenne mich Natpie.« Dann ging sie offline. Doug googelte und fand Natpies YouTube-Kanal: eine Internetseite, auf der Tasha Videos aus ihrem Alltag zeigt.
Doug hätte ihr eine Nachricht schreiben können über die Seite, privat, sodass niemand außer Tasha davon erfährt. Er entschied sich für das Gegenteil: Doug nahm ein Video auf und lud es ebenfalls bei YouTube hoch. Die ganze Welt sollte wissen, dass er Tasha vermisst. Er nannte das Video: »I miss you normal chatroulette girl«. Tasha sah den Film, als sie am Nachmittag nach Hause kam. Noch verschwitzt vom Softballspielen filmte sie ihre Antwort. »Re: I miss you normal chatroulette girl«. Sie entschuldigte sich, dass ihr Haar vom Training so wuschelig war, sie sagte oft »I miss you«, sie warf Doug einen Kuss in die Kamera.
Dieses Video nahm Doug für seine neue Liebe Tasha auf.
Tasha und Doug können sich in die Augen schauen und sich Zärtlichkeiten zuflüstern. Sie kann Luftküsse werfen und er sie auffangen, aber solange die beiden online bleiben, werden sich ihre Lippen nie berühren. Was Tasha und Doug erleben, ist eine neue Art von Beziehung. Die beiden lieben sich, und das Netz schaut zu: Tashas Freundinnen entdeckten Dougs Video, kurz nachdem er es hochgeladen hatte; sie erklärten, dass Modellautos total uncool seien. Dougs Freunde sahen Tashas Video und sagten, dass sie heiß sei. Er müsse sie auf jeden Fall bald besuchen.
Verliebt im Chat, verlobt auf YouTube, verheiratet auf Facebook?
Für Tasha und Doug ist es denkbar. Sie sind im Netz daheim. Ihre Profile auf Facebook und YouTube sind Teil ihrer Persönlichkeiten.Inzwischen haben sich die beiden ein Dutzend Videos geschickt. Tausende gucken die Botschaften und verfolgen, wie sich die Beziehung entwickelt. Man könnte es Exhibitionismus nennen, sie selbst aber nennen es: die Welt teilhaben lassen an ihrem Glück.
Tasha hat Doug ihre Handynummer gegeben, sie haben telefoniert. Aber das fühlt sich irgendwie anders an als die Filme, nicht so spannend. Es kribbelt mehr, wenn Freunde zugucken, Fremde tuscheln und, ja, wenn manche auch ein wenig neidisch sind. Tasha und Doug wollen jetzt doch lieber weiter Videos bei YouTube hochladen. Seit drei Monaten sind die beiden jetzt schon ein Paar, wenn man das so nennen darf. Doug würde gern nach Kalifornien fliegen zu Tasha. Er möchte wissen, wie ihre Locken riechen, und er würde sie gern mal in den Arm nehmen. »Das ganze altmodische Zeug«, sagt er. Tasha sagt: »Ich weiß nicht, ob ich das brauche.«
Und das war Tashas Antwort-Video.
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Illustration: Christoph Niemann