Als er vor zwölf Jahren die totgesagte »Batman«-Serie wiederbelebte, galt Christoper Nolan noch als Hollywoods Wunderkind. Inzwischen braucht der 46-jährige Großregisseur, der einen britischen und einen amerikanischen Pass besitzt, keine Superhelden mehr, um das Kino zu revolutionieren. Werke wie »Inception« oder »Interstellar« werden von der Kritik als »teuerste Experimentalfilm aller Zeiten« gefeiert - und finden dennoch ein Millionenpublikum. Wie macht der Mann das?
Ausgesprochen methodisch und fast philophisch durchdacht – das erfährt man, wenn ihn ins seiner Produktionsfirma auf dem Studiogelände von Warner Brothers in Burbank besucht. Trotz aberwitzigem Millionenaufwand wird alles ganz ruhig umgesetzt – Anzug ist Pflicht selbst auf dem Filmset, ein Thermobecher Earl-Grey-Tee immer zur Hand. Mit seinen Filme wolle er den Zuschauern etwas tief ins Bewusstsein einpflanzen, sagt Nolan: »Auf einer Ebene, auf der nicht mehr klar ist, wer oder was die Gedanken steuert.«
Sein neues Werk »Dunkirk« behandelt die Militäroperation von Dünkirchen im Zweiten Weltkrieg, bei der 400.000 britische Soldaten vor den heranrückenden Deutschen evakuiert werden mussten: »Eine der größten menschlichen Geschichten, die das moderne Kino noch nicht erzählt hat.« Das Timing, gibt Nolan zu, sei kontrovers: Briten, die den Kontinent verlassen, in höchster Not ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, erinnert das nicht an irgendwas? Er habe den Brexit beim Schreiben und Planen nicht vorausgeahnt, schwört der Regisseur - aber er erwarte durchaus, dass Reaktionen und Interprationen jetzt »extremer ausfallen.«
Es folgte ein Gespräch über echte Filmrollen, die er im Kino nach wie vor unverzichtbar findet, über das Geschäftsmodell des Streamingdienstes »Netflix«, das zerstörerisch sei und nur scheitern könne, und über Hollywoods Club der Superregisseure, der außer ihm nur noch zwei weitere Mitglieder hat. Außerdem erfährt man, warum Amerikaner in seinem neuen Film nichts verloren haben, warum der Klassiker »Im Westen nichts Neues« immer noch der beste Kriegsfilm ist, warum jede Minute ohne Smartphone unendlich wertvolle Zeit bedeutet und warum jeder, der in Hollywood heute ein Großmeister werden will, auch mal einen Superhelden-Film drehen muss.
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