SZ-Magazin: Sie haben zwei Gemälde für uns gemalt. Beim ersten wussten wir sofort: Das wird unser Cover, genau so sieht das Mittelmeer im Herbst 2015 aus.
Stelios Faitakis: Ja, Touristen und Flüchtlinge, direkt nebeneinander, das ist die Realität. Wenn ich durch die Straßen von Athen laufe, sehe ich sie an jeder Straßenecke: Flüchtlinge, die nicht wissen, wie es weitergehen soll, und Touristen, die zwei Wochen lang in den Tag hineinleben wollen. Es ist bizarr, aber in Griechenland leben wir nun mal von unseren Stränden und Sonnenuntergängen.
Sie haben aus dem Thema eine Art byzantinische Ikone gemacht.
Das stimmt. Meine Arbeit hat starke Bezüge zum Byzantinismus, aber auch zur asiatischen Kunst, zur europäischen Kunst des Mittelalters und zum mexikanischen Muralismus, das ist eine spezifische Form von Wandmalerei im öffentlichen Raum. Ich habe früh angefangen, diese Einflüsse zu kombinieren, im Grunde schon in den Neunzigerjahren, als ich noch Graffiti gesprüht habe.
Die Originale, auf die Sie sich beziehen, sieht man in der Regel in Kirchen.
Ich bezeichne meine Arbeit auch als religiöse Kunst, weil die akribische Arbeit an jedem Detail meiner eigenen spirituellen Entwicklung dient. Arbeit als Gebet sozusagen.
Das zweite Bild, das Sie für uns gemalt haben, trägt den Titel The Nudists.
Es bezieht sich auf eine Szene aus dem Buch Crete: The Battle and the Resistance des britischen Historikers Antony Beevor. Die deutschen Fallschirmjäger, die 1941 auf Kreta gelandet sind, lagen – statt die Gefangenen zu bewachen – nackt am Strand und sonnten sich. Das war ein Schock für die einheimische Bevölkerung, für die Nacktheit ein Tabu war.
Bilder: Stelios Faitakis, Porträt: Stella Mouzi