Auf Hochtouren

Gehen Sie in den nächsten Tagen zum Skifahren? Dann sollten Sie Michael Doppelmayr einen kleinen Parallelschwung widmen: Dem Mann haben Sie zu verdanken, dass Sie es überhaupt auf den Berg schaffen.

Die größte Baustelle Russlands heißt Sotschi. 24 Milliarden Euro werden dort gerade verbaut – für die Olympischen Spiele 2014. Hotels und Stadien entstehen, Planierraupen bringen die Kaukasushänge ins Skipistenformat, und Hubschrauber fliegen Einzelteile gigantischer Seilbahnen in die Berge. Sehr zur Freude von Michael Doppelmayr.

Doppelwer? Man muss sich den Namen auf einer Skilift-Stütze vorstellen. Dann klingelt’s. An jedem der stählernen Träger ei-ner Seilbahn hängt ein kleines Metallschild mit einer Nummer. Kaum zu übersehen. Und direkt darunter der immer gleiche blaue Schriftzug, an allen Ecken der Ski fahrenden Welt: »Doppelmayr«. Das prägt sich ein. Der größte Seilbahnbauer der Welt kommt aus Wolfurt, einer 8000-Einwohner-Gemeinde in Vorarlberg. 14 000 Bahnen hat das Familienunternehmen Doppelmayr hier gebaut – sie fahren in Bayern, Tirol und Graubünden, in Colorado, Sibirien und Nordkorea. In China gibt es ungefähr 250 Doppelmayr-Lifte. Das heißt, eigentlich sind es nur 36. Die anderen sind detailgetreue Fälschungen – samt Schildern auf den Liftsäulen.

Den Konzernchef kennt man mittlerweile sogar in Venezuela, seitdem er in der TV-Show des Präsidenten Hugo Chávez auf-trat. Michael »Mike« Doppelmayr, kurz »MD«, Firmenchef in vierter Generation, 51, bullige Statur, Glatze, Kinnbart, ehemaliger Rallyefahrer. Und vor allem Vorarlberger. Er sagt »ghet« statt gehabt, »gsi« statt gewesen und beendet seine Sätze mit »odr?«. Selten spricht MD in Superlativen, er nennt die Konzernentwick-lung »passabel« oder »okay«. Nur manchmal lässt er sich zu einem Satz hinreißen wie: »Wir wissen ziemlich genau, wie man ein Seil bewegt. Das ist unser Know-how, odr?« Aus diesem Wissen ist ein Unternehmen mit 2660 Mitar-beitern und 616 Millionen Euro Umsatz entstanden. Wenn MD in Lederjacke und Jeans durch die Fertigungshallen führt, grüßen die Arbeiter mit »Serwas«. Man ist per du in Wolfurt.

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In der Gemeinde nahe dem Bregenzer Wald gibt es den einzigen Zoo Vorarlbergs. Er heißt Doppelmayr-Zoo und entstand in den Siebzigerjahren, als das Unternehmen ein neues Werk in Wolfurt errichten wollte. Und zwar mitten im Wohngebiet. Das klingt nach Unterschriftenlisten, Lichterketten und Demonstrationen. All die Kängurus, Schneeeulen und Lamas, der Nasenbär und das Stachelschwein sollten denn auch genau das verhindern. Sie waren Geschenke, um die Anrainer zu besänftigen. Es klappte. Mittlerweile hat Doppelmayr noch fünf andere Werke in der Nähe errichtet.

Ein paar hundert Meter weiter steht die zweite Attraktion von Wolfurt: der »Mountain Glider«, eine Art seilbetriebene Hochschau-bahn. Liftsessel gleiten an schräg gespannten Stahlseilen entlang, mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde. Halb Vorarlberg würde gern damit Probe fahren, doch der Prototyp dient nur der Forschung. Ähnliche Seilbahnen könnten bald in den Vergnügungsparks der Welt stehen.

Die Zukunft des Skitourismus dagegen sieht eher düster aus. Gerade in den Alpen werden viele Skigebiete vom Klimawandel bedroht. Das könnte Michael Doppelmayr Angst machen. Doch die Zukunft der Gondel liegt für ihn nicht in den Bergen, sondern in der Großstadt. Über Städten wie Caracas in Venezuela oder Portland, Oregon, fahren bereits Bahnen von Doppelmayr. Die unterirdische Standseilbahn im Zentrum von Istanbul ist ebenfalls aus Wolfurt und kaum von einer U-Bahn zu unterscheiden. Eine ähnliche Bahn wird ab 2010 zwei venezianische Inseln verbinden.

Ein anderer Zukunftsmarkt: Materialseilbahnen. Im Volkswagen-Werk in Bratislava hat Doppelmayr eine für Autos gebaut, in Jamaika transportiert eine mit Seilen durch die Luft gespannte Förderanlage Bauxit über einen Wald, in Papua-Neuguinea ist es goldhaltiges Erz. Was kommt als Nächstes? »You name it«, sagt Michael Doppelmayr. Soll heißen: Was auf ein Stahlseil passt, kann er dort auch dranhängen.

Dirk Schmidt (Illustration)