Die fünfte Jahreszeit ist vorbei, in den Karnevals-, Faschings- und Fasnachtshochburgen wird das Konfetti zusammen gekehrt, die Redenschreiber*innen der Politprominenz müssen nun nicht mehr in Paarreimen dichten und Tusch-Pausen in ihre Manuskripte einbauen, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann nach dem Ende der Prunksitzungen wieder ungestört gemordet und ermittelt werden.
Es beginnt die Fastenzeit, vierzig Tage von Aschermittwoch bis Karfreitag, in denen der Mensch nach all der Narretei Buße tun und Askese üben soll. Viele Menschen sparen sich in dieser Zeit Alkohol, Fleisch oder Süßigkeiten, manche gar Social Media, doch in den letzten Tagen haben sich ganz aktuell noch einige weitere Themenfelder aufgetan, in denen sich zeitweilige Askese lohnt. Hier drei Vorschläge, worauf wir alle vierzig Tage lang verzichten könnten:
Humor
Das sollte nicht schwer fallen, wir sind in Deutschland nämlich ohnehin nicht besonders gut darin. Und wenn man an einer Übung immer und immer wieder scheitert und einfach nicht besser wird, kann es nicht schaden, mal für eine Weile Pause zu machen, in sich zu gehen und denen zuzuschauen, die das ganz offensichtlich besser können. In Deutschland wird Humor ja gern als ein Wettkampf missverstanden, in dem einer gewinnt und einer verliert. Deutscher Humor ist, wenn man sich gemeinsam mit einem Publikum darauf einigt, dass eine andere Gruppe Menschen irgendwie beknackt ist. Und wenn sich diese Gruppe wiederum beklagt und sagt: Hey, wir sind gar nicht beknackt, dann heißt das, dass sie keinen Humor hat. Ein Blick in jedes mittelmäßige Stand-up-Comedy-Programm aus dem angelsächsischen Raum könnte uns lehren, dass Humor dann entsteht, wenn er Erwartungen unterläuft. Und nichts ist so erwartbar wie ein Gag über einen sperrigen Nachnamen oder die Büttenrede einer deutschen Politikerin, die Latte Macchiato ernsthaft für ein abgefahrenes Trendgetränk urbaner Eliten hält, an dem sich Genderidentitäten festmachen lassen. Humor und Häme sind zwei unterschiedliche Dinge. Und der deutsche Humor hat in den letzten Wochen ganz schön wild nach unten getreten, gönnen wir ihm eine Pause bis Ostern.
Meinungen
Keine Sorge, es muss natürlich niemand darauf verzichten, eine Meinung zu haben, aber wäre es nicht eine schöne Übung, sie vierzig Tage lang einfach für sich zu behalten und zwar immer dann, wenn es um ein Thema geht, von dem man entweder wenig versteht oder von dem man nicht betroffen ist? Dann würde der öffentliche Diskurs nicht von so vielen Meinungen verstopft und es wäre endlich Raum, um mal zur Abwechslung nur die zu hören, die nicht nur auf einem vagen Bauchgefühl basieren. Praktisch hieße das für jemanden, der beispielsweise nicht von Rassismus betroffen ist, einfach nur denen zuzuhören, die damit täglich zu tun haben, etwa wenn es um das Thema geht, ob die Frage »Wo kommst du eigentlich wirklich her?« nun übergriffig oder ausgrenzend ist. Auch wenn man nicht in die Verlegenheit kommen kann, eine Abtreibung zu benötigen, könnte man – egal welche Meinung man zum Recht auf Abtreibungen hat – wenigstens ein paar Wochen lang Meinungsfasten zum Thema betreiben und die Debatte denen überlassen, die ungewollt schwanger werden können. Wem das mit dem Meinungsfasten schwer fällt, kann all die ungeäußerten Meinungen ja in einem Tagebuch notieren und nach Ablauf der Fastenzeit mal nachschauen, welche noch aktuell sind und beim Osterbrunch auf die Familie abgefeuert werden können.
Erziehung
Die schulstreikende Jugend, die inspiriert durch die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg weltweit für mehr Klimaschutz auf die Straße geht, hat wirklich eine 40-tägige Pause verdient. Sie soll ruhig weiter protestieren, aber vielleicht schaffen wir Erwachsenen es ja, uns bis Ostern mal nicht an ihr abzuarbeiten, und zwar im positiven wie im negativen Sinn. Die, die Greta Thunberg wahlweise für eine durchgeknallte Irre halten oder für das Opfer ihrer ehrgeizigen Eltern. Die, die hämisch kommentieren, wenn sie die 16-Jährige mit einer Plastiktüte erwischen oder schulstreikende Kinder beim Verzehr eines nicht-veganen Burgers. Die, die plötzlich so empört sind, dass die Jugend gar nicht von ihren Smartphones zombifiziert wurde, sondern gegen die Erwachsenen aufbegehrt und das nicht etwa brav am Samstag, sondern während der Schulzeit. Aber auch die, die sich jetzt so entspannt zurücklehnen, weil uns allen dieser blondbezopfte Engel erschienen ist, der uns vor der Klimakatastrophe retten wird. Die, die es auch ganz praktisch finden, dass die Kinder jetzt die Suppe auslöffeln, die wir ihnen eingebrockt haben. Wenn wir 40 Tage lang anstatt wahlweise genervt oder gerührt von Greta und ihren Mitstreiter*innen zu sein und uns über das Für und Wider von Schulstreiks in Rage zu reden, aufs Auto verzichten, Inlandsflüge vermeiden und öfter mal im Bad das Licht ausmachen würden, wäre viel mehr gewonnen. Kurzum: Uns vierzig Tage lang ausschließlich selbst erziehen, anstatt unsere Kinder damit zu nerven.
Das fällt übrigens leichter, wenn man beim Erziehungsfasten nicht auch gleichzeitig auf Zucker und Alkohol verzichtet.