USA. St. Paul, Minnesota. 23. März 2020. Der Begriff »soziale Distanzierung« ist neu für mich; die Idee dahinter ist es nicht. Für mich war Fotografie immer eine Möglichkeit, mit diesem Gefühl der Distanz zurechtzukommen. Viele meiner Lieblingsfotos sind intime Familienfotos, aber diesen Teil meines Lebens habe ich nie mit jemandem teilen können. Ich bin auch nicht in der Lage, Lasagne zu kochen (oder vieles andere). Um ehrlich zu sein, hat sich in meinem Alltagsleben in letzter Zeit nicht viel verändert. Aber ich habe mich kreativ gelähmt gefühlt.
Zuerst konnte ich mir nicht vorstellen, eine Kamera in die Hand zu nehmen. Ich habe mich dann an eine afrikanische Safari erinnert, zu der mich meine Eltern vor einigen Jahren eingeladen hatten. Ich hatte damals kein Interesse daran, wie die anderen Landcruiser-Touristen zu fotografieren; auch meine Familie wollte ich nicht fotografieren. Ich legte einfach meine Kamera weg und benutzte statt dessen ein Fernglas. Und in diese Aussicht habe ich mich verliebt. Es war nicht nur die Nähe der Mähne eines Löwen; es war die Art und Weise, wie sie aus dem Raum herausgeschnitten wurde. Ich konnte die Wärme des Tieres und gleichzeitig seine Distanz spüren. Es endete damit, dass ich mein iPhone benutzte, um Bilder durch mein Fernglas zu machen.
In den letzten Tagen bin ich dann auch hier mit einem Fernglas herumgefahren. In Minnesota, wo ich leben, sind die Winter hart. In diesem Jahr ist die schwindelerregende Vorfreude auf den nahenden Frühling durch die Furcht vor dem kommenden Virenbefall ersetzt worden. Ich fuhr in der schützenden Hülle meines Minivans herum und suchte durch Glasschichten nach Leben. Alles fühlte sich sowohl weit weg an und zugleich so nah.