Noch nie war es leichter, die Welt zu retten: Wer einfach zuhause bleibt (so er denn kann), hilft dabei, die Verbreitung des Virus zu hemmen. Und trotzdem sind viele Menschen dringend auf Hilfe angewiesen, Alte, Kranke, RisikopatientInnen, Wohnungslose, Geflüchtete. Und wahrscheinlich wollen genauso viele gesunde, privilegierte Menschen gerade aus der Isolation heraus aktiv werden, sie wissen nur nicht wie. Deshalb haben wir zwölf Wege zusammengetragen, wie Sie die Zeit auf Ihrem Sofa sinnvoll nutzen können: zum Beispiel indem Sie Masken für die Freiwillige Feuerwehr im Ort oder Ihre Familie nähen, bei Ihrem Lieblingsrestaurant schon mal einen Gutschein für bessere Zeiten kaufen oder Ihre kreativen Fähigkeiten Hilfsprojekten zur Verfügung stellen. Vielen Menschen fällt es schwer um Hilfe zu bitten, das wird in Krisenzeiten deutlicher als sonst. Kommen Sie Ihnen zuvor, tun Sie etwas Gutes, Sie müssen für die meisten Dinge nicht mal vom Sofa aufstehen.
1. Lassen Sie Ihren Rechner arbeiten
Um der Wissenschaft im Kampf gegen Corona zu helfen, muss man nicht VirologIn sein. Es reicht ein Computer und ein kostenloses Programm, das man hier herunterladen kann. Damit wird der heimische Rechner Teil eines riesigen Experiments, das WissenschaftlerInnen der Universität Stanford entwickelt haben. Die ForscherInnen wollen simulieren, wie Viren den menschlichen Organismus befallen. Das Corona-Virus nutzt dafür bestimmte Proteine. Das Problem: Es gibt unzählig viele Möglichkeiten, wie diese Proteine ihre Form verändern können. Es erinnert an einen riesigen Schlüsselbund, bei dem man die passenden Schlüssel finden muss. Weil kaum ein Rechner allein in der Lage wäre, jeden Schlüssel zu probieren, kann jeder mit seinem eigenen Rechner mithelfen. Das kostenlose Programm läuft dabei im Hintergrund und nutzt die Rechenleistung des eigenen Computers. Wenn der gerade nichts zu tun hat, berechnet er automatisch mögliche Formen des Proteins. Die Daten werden gesammelt und fließen in die Forschung ein. Das Prinzip solcher Experimente gibt es schon länger, doch seit der Corona-Pandemie haben 400 000 Menschen auf der ganzen Welt das Program »Folding at home« schon installiert - und damit mehr Rechenleistung erzeugt, als der schnellste Supercomputer der Welt. Auf dieser Website wird genau erklärt, wie einfach jeder mitmachen kann: www.mimikama.at.
2. Greifen Sie zur Nadel
Medizinische Atemschutzmasken sind derzeit weltweit schwer zu bekommen, nicht nur für die Verbraucher, sondern vor allem für jene, die sie am dringendsten brauchen: Krankenhäuser, Feuerwehren, Polizei. Mehrere Institutionen rufen jetzt dazu auf, einfache Masken zu nähen und sie per Post zu schicken. ÄrztInnen, PflegerInnen und PatientInnen sollen natürlich weiterhin die professionell hergestellten Masken tragen – doch in vielen anderen Bereichen ist ein selbstgenähter Mundschutz besser als nichts. Das Klinikum Dritter Orden in München etwa möchte seine MitarbeiterInnen in Logistik, Reinigung und Versorgung damit ausstatten, die nicht in der unmittelbaren PatientInnenversorgung arbeiten: Zum Aufruf
Eine Nähanleitung gibt es hier. Und hier ist noch eine speziell für Kinder.
In München kann man zu diesem Zweck sogar kostenlose Stoffreste abholen.
Wenn Sie in der Nähe niemanden finden, der dringend selbstgenähten Mundschutz braucht - tragen Sie ihn einfach selbst. Sie setzen damit ein Zeichen und schützen andere. Über den Sinn selbstgenähter Masken spricht der Virologe Christian Drosten in diesem Podcast vom 23. März.
3. Öffnen Sie Herz und Ohr
Sich ein- oder zwei mal die Woche Zeit nehmen, um mit einem oft einsamen, meist älteren Menschen zu telefonieren, jetzt, wo selbst der Besuch der Enkelkinder ausbleibt? Unter silbernetz.org kann man sich registrieren, Wünsche äußern und wird zwei Tage darin geschult, um für die Gespräche vorbereitet zu sein. Einzige Bedingung: Man muss mindestens 18 Jahre alt sein.
4. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf
Der Anblick der eigenen vier Wände kann auf Dauer trist werden. Umso wichtiger ist es, der Eintönigkeit zu trotzen und zwischendurch einer kreativen Tätigkeit nachzugehen. Wer Talent in den Bereichen Kommunikation oder Design hat oder besonders digitalaffin ist, kann sich bei youvo.org einbringen. Youvo vermittelt ehrenamtliche Helfer an soziale Organisationen, die bei ihren Projekten Hilfe brauchen. Das kann zum Beispiel eine neue App für die »Initiative für frühe Bildung« oder ein Logo für die »Klimawache-Berlin« sein. Wer mitmachen will, muss sich auf der Webseite zunächst registrieren und kann sich dann auf ausgeschriebene Projekte bewerben.
5. Reden Sie sich für andere um Kopf und Kragen
Gute Kommunikation im ärztlichen Bereich ist wichtiger denn je. Aber was, wenn ÄrztInnen, Pflegepersonal und PatientInnen nicht dieselbe Sprache sprechen? Das Projekt Triaphon bietet einen telefonischen Übersetzungsdienst an, um PatientInnen mit Sprachbarrieren zu unterstützen. Dringend gesucht werden Leute, die neben Deutsch eine der der folgenden Sprachen beherrschen: Arabisch, Bulgarisch, Farsi/Dari, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch oder Vietnamesisch. Wenn Sie kurze Gespräche zwischen medizinischem Personal und PatientInnen übersetzen möchten, können Sie sich hier als SprachmittlerIn registrieren lassen. Triaphon leitet die Anrufe anonym an Sie weiter, Sie übersetzen die Gespräche von zu Hause aus. Je nachdem, wie viel Zeit Ihnen zur Verfügung steht, können Sie sich für einen festen Bereitschaftsdienst registrieren lassen oder sich spontan anmelden.
6. Öffnen Sie Ihr Portemonnaie
Diejenigen, die es ohnehin schwer haben, werden auch von dieser Krise besonders stark getroffen: Zum Beispiel Obdachlose. Die Tafeln stellen ihre Hilfe ein, Suppenküchen schließen, niemand kauft auf der Straße noch eine Obdachlosenzeitung. Karuna ist eine NGO, die sonst jugendlichen Suchtkranken und Flüchtlingen hilft, und die jetzt mit Freiwilligen in Berlin ganz unbürokratisch Geld verteilt: zehn Euro, mit denen sich Obdachlose eine warme Mahlzeit kaufen können. Spenden können Sie hier.
Durch Corona geraten aber auch viele andere plötzlich in Not: freischaffende KünstlerInnen, SchauspielerInnen, FotografInnen, LadenbesitzerInnen. Wer selbst das Glück hat, die Ausgangsbeschränkung zuhause auf dem Sofa zu verbringen, kann sich auf der Seite von Betterplace.org orientieren, welche Hilfsorganisation er am liebsten durch eine Spende unterstützen möchte. Dabei kommt man auch auf nicht so naheliegende Ideen, wie zum Beispiel schuelerpaten-muenchen.de, sie vermitteln Bildungspatenschaften für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Auch Stadt- und Gemeindeverwaltung geben einen Überblick über lokale gemeinnützige Spendenvereine (zum Beispiel: berlin.de/buergeraktiv/informativ/coronavirus/spenden). Auch die Welt des Fußballs ruft zu Spenden auf: wekickcorona.com
7. Helfen Sie Menschen beim Ankommen
Neben der Berichterstattung über das Virus gehen Meldungen wie der Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos oder die Krisensituation an der türkisch-griechischen Grenze schnell unter. Auch in Deutschland spitzt sich die Lage in Sammelunterkünften zu. Die legale Einreise für Geflüchtete in die EU ist derzeit beinahe unmöglich. Die Flüchtlingshilfe der UNO kann deshalb gerade jetzt jede Hilfe, jede Spende gebrauchen. Wer Flüchtlingen direkt helfen will, sich zu orientieren, kann sich auf Beratungsplattformen wie Wefugees registrieren. Dort stellen geflüchtete Menschen Fragen zum Leben und Ankommen in Deutschland, die von der Community beantwortet werden können.
Zur UNO-Flüchtlingshilfe
Zur Plattform Wefugees
8. Vergießen Sie Blut
Leben retten! Um Blut für andere zu spenden, muss man das Sofa verlassen, es geht nicht anders. Aber der Gang zum Blutspenden fällt nicht unter die Ausgangsbeschränkungen, im Gegenteil, er wird als unbedingt notwendig erachtet. Unter www.blutspendedienst.com kann man sich informieren, registrieren und erfahren, wann die nächsten Termine in der Nähe des eigenen Wohnorts stattfinden. Und den Gang zur Blutspende vielleicht sogar mit einem Spaziergang verbinden.
9. Machen Sie sich bemerkbar
Es gibt derzeit viele lebenswichtige Stellen und Organisationen, die heute schon wissen, dass sie sehr bald sehr viel Hilfe brauchen werden. Jetzt ist die Zeit, sich bemerkbar zu machen und seine Unterstützung anzubieten. In vielen Städten kann man direkt an Kliniken melden, ob und wie man helfen möchte. Zum Teil betrifft es vor allem HelferInnen mit Erfahrung im Pflegebereich – anderswo wird jede helfende Hand gesucht.
Aufrufe gab es etwa vom Uniklinikum Köln, von der München-Klinik und vom Charite Berlin (derzeit nur qualifiziertes Pflege-Personal).
10. Helfen Sie Ihren Nächsten, auch wenn Sie sie vorher nicht kannten
Wie schön, dass es solche Menschen gibt, denkt man, wenn man in den Nachrichten sieht, wie StudentInnen für Ältere in ihrem Viertel einkaufen. Für Menschen, die sie vorher vielleicht nicht einmal richtig wahrgenommen haben. Man geht also auf die Website nebenan.de und stellt fest, sie wurde 2015 gegründet, was für Solidarität unter Menschen schon vor Corona spricht. Zwischen tausend und fünftausend NachbarInnen erreicht man über Nebenan.de, die nicht weiter als zehn Gehminuten von der eigenen Wohnung entfernt leben, das gilt vor allem für Münster, Berlin, Hamburg, München. Darunter sind, in diesen Zeiten, auch RisikopatientInnen und schwangere Frauen, das ist ja gerade ein Zustand der doppelten Ungewissheit. Man kann man sich über Nebenan.de auch für Hundespaziergänge und Kinderbetreuung anbieten. Allerdings, so steht es auf der Seite, sollte "Kinderbetreuung derzeit immer in Einzelbetreuung erfolgen, nicht in Gruppen; außerdem sollte eine Person nicht mehrere Kinder abwechselnd betreuen". Ähnlich funktioniert the-butterflyeffect.de: Die Initiative wurde wegen Corona von WissenschaftlerInnen und StudentInnen gegründet und verfügt bisher über HelferInnen in München, im Landkreis München, in Köln, Aachen und Wuppertal. Freiwille Einkaufshilfen können sich auch übers Telefon melden: 0152-27638052.
11. Hamstern Sie jetzt – aber richtig
Haben Sie schon einmal überschlagen, wie viel Geld Sie jeden Monat in Ihren Lieblingsrestaurants und -Cafés ausgeben? Genau. Das fehlt den Gastronomen im Moment. Ein paar BerlinerInnen haben deshalb kurzerhand eine Onlineplattform erstellt, auf der sich Kneipen- oder LadenbesitzerInnen, Theater- oder MuseumsbetreiberInnen registrieren können. Und Sie können dann bequem vom Sofa aus über die Plattform helfen.berlin. Berlin Gutscheine der Restaurants und Geschäfte kaufen, einzulösen in der Zeit nach Corona. Die Vorfreude hilft Ihnen über die kommenden Wochen und Monate, das Sofort-Geld den Kneipen und Restaurants. Ähnliche Modelle gibt es auch in anderen Städten, schauen Sie mal auf die Website Ihres Cafés um die Ecke – oder, ob es vielleicht schon bei dieser deutschlandweiten Gutschein-Initiative mitmacht: paynoweatlater.de. Einziger Haken: Sollte der Laden vorzeitig insolvent sein, verfallen die Gutscheine, das Geld gibt es nicht zurück. Ein verwandtes Projekt hat vor Kurzem übrigens auch die Süddeutsche Zeitung ins Leben gerufen: Auf dieser Plattform (»München bringt's«) können sich lokale Händler eintragen, wenn sie neu eingerichtete Lieferservices oder andere Hilfsinitiativen anbieten.
12. Runter vom Sofa, raus aufs Feld
Die Corona-Krise fordert von uns allen Verzicht, aber auf Spargel möchte niemand so gern verzichten. Deshalb brauchen viele Bauern und Bäuerinnen in Deutschland nun Hilfe bei der Ernte, weil SaisonarbeiterInnen aus Bulgarien, Polen und Rumänien wegen der eingeschränkten Reisefreiheit fehlen. Die Initiativen Bauer sucht Hilfe und Land Arbeit wollen den Ernteausfall verhindern und vermitteln Erntehelfer an Bauern aus der Region. Auch das Bundesagrarministerium hat zusammen mit dem Bundesverband der Maschinenringe eine Vermittlungsplattform eingerichtet. Registrieren kann man sich online, spätestens zur Ernte muss man dann aber runter vom Sofa. Immerhin kommt man so an die frische Luft, lernt was Neues und verdient sogar ein bisschen was dazu.