Es gibt Tage, an denen ist im Dorf Preah Rumkel kein Huhn aufzutreiben. Dann wollen die Bauern des Dorfes im Norden Kambodschas, dort, wo der Mekong aus Laos in Wasserfällen über die Grenze stürzt, kein Stück Fleisch verkaufen und die Fischer haben ihren morgendlichen Fang schon unter die Leute gebracht. An solchen Tagen ziehen Sascha Schützenmeister aus Hamburg und seine zwei kambodschanischen Kollegen los, um Frösche zu sammeln. Sie suchen auf den Feldern, am Fluss – und im Badezimmer. »Da ist immer einer«, sagt Sascha.
In Preah Rumkel leben etwa hundert Menschen. Sie wohnen in Häusern aus Brettern und Balken, die sie auf hohe Stelzen bauen. Einen Kaufladen gibt es nicht, dafür drei Motorroller und, in den beiden Stunden nach Sonnenuntergang, Strom. An Festtagen wird der Fernseher der Gemeinde aufgebaut. Zu erreichen ist Preah Rumkel nur mit dem Boot. Zwei Stunden dauert die Fahrt auf dem Mekong ins Provinzzentrum Stung Treng, von dort holpert ein Bus zehn Stunden in die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh. Wenn Frösche rösten, strecken sich langsam deren Gliedmaßen. »Kaufen würde ich mir die Dinger nicht«, sagt Sascha – und steckt sich trotzdem einige der zähen Fleischfetzen in den Mund. Der 19-Jährige trägt Flipflops, Jeans und Karohemd. Seine blonden Haare sind artig geschnitten, der Bart kaum ein Flaum, die Schultern schmal, sein Lächeln zurückhaltend, fast schüchtern. Seit sechs Wochen arbeitet der Deutsche als Freiwilliger in einem Umweltprojekt der kambodschanischen Nichtregierungsorganisation (NGO) »Mlup Baitong«.
10 000 Kilometer nordwestlich von Preah Rumkel, in Deutschland, träumen immer mehr Jugendliche davon, eine Zeit lang so zu leben wie Sascha. Raus aus den Kinderzimmern, rein in die Urwälder, hinaus in die Wüsten! Abenteuer bestehen und dabei auch noch Gutes tun. Eine weltweite Stellenbörse für Freiwilligendienste bietet der Arbeitskreis »Lernen und Helfen in Übersee« im Internet: Die Besucherzahlen sind allein im vergangenen Jahr um ein Drittel gestiegen. »Der Kreis derer, die sich entwicklungspolitisch engagieren wollen, ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen«, sagt Holger Illi, Pressesprecher im Bundesentwicklungsministerium.
Die neue Lust am Helfen: Bislang konnten es sich nur die Kinder der Reichsten leisten, die Ärmsten zu unterstützen. Egal ob Anderer Dienst im Ausland, selbst organisiertes Praktikum bei einer NGO oder private Austauschorganisationen – in nahezu jedem Fall mussten die Jungen und Mädchen Tausende von Euro aufbringen für Anreise, Unterkunft und Verpflegung. So kosten achteinhalb Wochen Freiwilligendienst in Kambodscha, beispielsweise bei der Firma Travelworks, derzeit 890 Euro (zuzüglich Flugtickets, Impfungen, Versicherungen und Taschengeld).
»Wir wollten nicht, dass die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst zu machen, vom Geldbeutel der Eltern abhängt«, sagt Illi. Das sei einer der Gründe, weshalb sein Ministerium zu Beginn des Jahres den neuen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst »Weltwärts« ins Leben gerufen habe. Bis zu 10 000 junge Freiwillige zwischen 18 und 28 Jahren können künftig kostenfrei in die Länder des Südens entsandt werden. Siebzig Millionen Euro stehen dafür bereit. Damit wird der größte Freiwilligendienst Europas aus dem Boden gestampft.
Ein »Lebensgefühl NGO« hat eine ganze Generation erfasst. Immer mehr Jugendliche wollen selbst mit anpacken in den ärmsten Ländern der Welt. Sie lesen die Projektbeschreibungen und beschließen, Hilfsprojekte in Indien bei »vertriebenen Slumbewohner-Innen zu unterstützen«, im Niger »Giraffen und deren Lebensraum zu schützen«, in Ruanda mit »Fußball für den Frieden« zu kämpfen. Der Ansturm auf die ersten ausgeschriebenen Stellen ist gewaltig. »Hilfe – das große Interesse überrollt uns«, heißt es in einem Schreiben des Weltwärts-Partners American Field Service (AFS). Auf hundert Plätze bewarben sich dort 1400 Freiwillige. Eine zweite Entsendeorganisation, die mit Weltwärts zusammenarbeit, der Deutsche Entwicklungsdienst DED, meldet ähnliche Zahlen: 1300 Interessenten für 275 Plätze.
Sascha hatte also Glück. Seit sechs Wochen schläft er auf einer Reismatte in einem der Holzhäuser in Preah Rumkel. Weil der Boden sehr hart ist, hat er zusätzlich sein Handtuch und zwei Decken aus dem Flugzeug untergelegt. Über der Matte ist ein Malarianetz zum Schutz vor Moskitos gespannt. »Unterkunft im Büro« hieß es in der deutschen Projektbeschreibung. Außer Sascha wohnen in dem Holzhaus noch eine weibliche und zwei männliche »Kollegen«, wie er sie nennt.
Die drei Kambodschaner sind ebenfalls junge »Freiwillige« bei der NGO Mlup Baitong. Sie erhalten etwa 120 US-Dollar im Monat, ein für kambodschanische Verhältnisse ganz ordentliches Gehalt, dazu die Aussicht, irgendwann eine gut bezahlte Festanstellung in einem Entwicklungsprojekt zu ergattern. Zum Vergleich: Ein Lehrer im kambodschanischen Staatsdienst verdient fünfzig Dollar. Und Sascha? Der bekommt so viel wie seine drei Kollegen oder sechs Lehrer zusammen: 300 Dollar Taschengeld. Dazu Kindergeld in Deutschland.
Was ist zu tun in Preah Rumkel? Mlup Baitong (zu Deutsch: Grüner Schatten) entwickelt in dem Dorf ein Projekt unter dem Schlagwort »community-based eco-tourism«.
Die Idee ist, sanften Tourismus zu fördern, von dem alle Bewohner des Dorfes profitieren. Konkret heißt das: Einige Dutzend Touristen im Monat sollen nach Preah Rumkel kommen, in den Häusern aus Holz wohnen, das Leben der Dorfbewohner kennenlernen, die Wasserfälle des Mekong bestaunen – und einige US-Dollar im Dorf zurücklassen.
Doch weil das Projekt im Kollektiv organisiert werden soll, mussten die Dorfbewohner in den vergangenen Wochen erst einmal Vertreter wählen, die nun das weitere Vorgehen planen. Seit einiger Zeit gibt es in Preah Rumkel jeden Vormittag »Meetings«: es treffen sich der Polizeichef des Dorfes, die Repräsentanten der Bauern und die Vorsitzenden des Fischereikomitees. Helfen kann Sascha bei deren Sitzungen wenig, seine Kollegen übersetzen das Nötigste für ihn. Sascha selbst hat erst angefangen, die Landessprache Khmer zu lernen. In den nächsten Wochen will er ein Logo für das Projekt entwerfen. »Bisher habe ich eher Handlangersachen erledigt«, sagt er. Papiere ausgeteilt, Tabellen gezeichnet.
»Wie sollen 18-jährige Weißnasen mit Rückflugticket in Entwicklungsländern auch helfen?«, fragt die Berliner Politikprofessorin Claudia von Braunmühl fast verärgert. Sie ist »entsetzt« über das neue Weltwärts-Programm der Bundesregierung. Die Professorin hält die Initiative für »grenzenlos populistisch«, weil sie kaum frage: Was brauchen die Menschen in diesen Ländern wirklich? Eines sei jedenfalls sicher, schimpft von Braunmühl: »An unqualifizierten Händen fehlt es dort nirgends!«
Selbst wenn die jungen Deutschen während ihres Aufenthalts viel lernten – so sei dieses Lernen einseitig, findet die Professorin. Ziel von Entwicklungspolitik sei je-doch die Umverteilung von Lebenschancen. »Warum laden wir nicht auch Jugendliche aus Entwicklungsländern zu uns ein?«, kritisiert von Braunmühl. Sie gönne den jungen Deutschen ja dieses »organisierte Abenteuer«. Aber in der jetzigen Form erinnere sie das Programm eher an die »Dschungel-Camp-Shows auf den Privatsendern«.
Wenn die jungen Freiwilligen also tatsächlich sehr viel mehr lernen, als sie helfen, warum fließen dann die Millionen für das Weltwärts-Programm aus dem Budget für Entwicklungshilfe – und nicht aus dem Bildungsetat? Eine mögliche Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand: weil man gern mit dem Etikett »Entwicklungshilfe« schmückt, was den deutschen Bürgern nützt. Aber ist der Ärger der Professorin überhaupt berechtigt? Wird nicht gerade in den ärmsten Ländern jede helfende Hand gebraucht?
Wer in Kambodscha landet, steigt in einem der am wenigsten entwickelten Länder der Welt aus dem Flugzeug. Zwar ist die kambodschanische Wirtschaft im vergangenen Jahr um 9,4 Prozent gewachsen, doch hausen am Stadtrand von Phnom Penh weiterhin Tausende von Menschen in armseligen Holzhütten. Das monatliche Durchschnittseinkommen beträgt kaum 43 US-Dollar, und die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel steigen. Es fehlt also an vielem in Kambodscha, an einem aber mangelt es nicht: an unqualifizierten Freiwilligen aus dem Westen.
»Jeden Tag kommen bei mir zwei oder drei Ausländer vorbei, die Kekse mitbringen und mit Waisenkindern spielen wollen«, erzählt die 24-jährige Pon Kaknika, die im Informationszentrum der NGO »Friends« in der Stadtmitte von Phnom Penh Auskunft gibt. Die Hilfsorganisation, so heißt es in den Broschüren, »arbeitet täglich mit 1800 marginalisierten Kindern in ganz Kambodscha«. Längst nicht alle davon sind Waisen. Viele haben den Kontakt zu ihren Eltern verloren, betteln auf den Straßen, schnüffeln Klebstoff, arbeiten in Bordellen, sind HIV-positiv.
Um diese Kinder auszubilden, betreibt Friends mit 240 kambodschanischen Mit-arbeitern zehn Lehrbetriebe, darunter ein Restaurant, eine Autowerkstatt und einen Beauty-Salon. »Wie können da Freiwillige helfen?«, fragt eine Mitarbeiterin. »Die halten unsere Kinder doch nur vom Lernen ab.« Sogar Englischunterricht von Muttersprachlern sei wenig effektiv, wenn die Ausländer nicht auch Khmer sprächen. »In der Vergangenheit hatten wir außerdem eine Menge Probleme mit Pädophilen«, fügt Kaknika hinzu. Auch deshalb gilt bei Friends nun der Grundsatz: Freiwilligen ist der Kontakt zu Kindern verboten.
Nur besonders qualifizierte Freiwillige für einzelne Projekte beschäftigt Friends weiterhin: gelernte Hotelfachkräfte etwa zum Training der Ausbilder im Lehrrestaurant oder Juristen, die Verträge vorbereiten. »Wenn ich den Besuchern im Infozentrum das erklären will, werden viele von ihnen richtig wütend«, erzählt Pon Kaknika. Und zeigt Verständnis: Die Vorstellungen der Menschen kämen eben von dem Ort, an dem sie lebten.
Auf gespendete Kekse jedenfalls scheint die NGO Friends nicht angewiesen. Gerade hat sie eine Immobilie unweit des Königspalastes erworben. Der Preis: drei Millionen US-Dollar. Allein mit dieser Summe könnte die NGO rund 6000 Kambodschaner ein Jahr lang beschäftigen. Warum sich also mit einer Handvoll ausländischer Freiwilliger abmühen, die nur wenige Monate bleiben?
In der Welt der Hilfe pulsieren Milliarden von Dollar – gewaltige Summen, zumindest im Vergleich zur Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer. Nach Kambodscha beispielsweise flossen im vergangenen Jahr allein von offiziellen Gebern rund 689 Millionen US-Dollar. Der kambodschanische Staatshaushalt dagegen umfasste im Jahr zuvor gerade einmal 800 Millionen Dollar, und auch dieses Geld stammte fast zur Hälfte von ausländischen Gebern. Zu die-ser offiziellen Entwicklungshilfe kommen noch die kaum zu beziffernden privaten Spenden, die die fast 300 internationalen und tausend lokalen NGOs weltweit für Kambodscha sammeln.
Die Schleusentore, durch die diese Millionen ins Land fluten, sieht, wer in Phnom Penh im Stadtviertel Boeung Keng Kang die 294. Straße entlangläuft. Die Hilfe wird aus kolonialen Villen verteilt, vor denen bullige Geländewägen parken. An nahezu jeder Gartenmauer klebt die Plakette einer NGO. Hausnummer 13: Welthungerhilfe, zwei SUVs. Hausnummer 61: Humanitarian Mine Action MAG, drei SUVs. Hausnummer 69: Japan Team of Young Human Power, zwei SUVs.
Im Haus mit der Nummer 27, einer etwas bescheideneren Villa, sitzt der glatzköpfige Australier Chris Minko auf einer Gartenbank aus verrosteten Kalaschnikows und ist stolz darauf, seit zwölf Jahren eine NGO ohne SUV zu betreiben. Der durchtrainierte Kettenraucher, 52, baute eine nationale Volleyball-Liga für behinderte Sportler auf, um vor allem Landminenopfer und Polio-geschädigte Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Für diese Leistung zeichneten die Vereinten Nationen seine NGO als »Best-Practice«-Beispiel aus. Von der Hilfe junger Freiwilliger allerdings hält Minko wenig.
»Da wird doch gerade ein ganzer Industriezweig aufgebaut, der junge Leute rund um die Welt schickt«, schimpft Minko. So bringe der amerikanische Dienst Peace Corps seit letztem Jahr Freiwillige nach Kambodscha, die Spanier und die Deutschen hätten dieses Jahr damit angefangen. Und die australischen Freiwilligen, die landeten hier sowieso in Flugzeugladungen. Minko: »Dieses Land wird von Freiwilligen überflutet!«
Helfen können die Jugendlichen in Kambodscha wenig, davon ist auch Minko überzeugt. Seine NGO verzichtet seit Anfang des Jahres vollkommen auf Freiwillige. »Die Probleme in Entwicklungsländern sind so verdammt komplex – die kann niemand in zwölf Monaten kapieren«, sagt er. Als Bei-spiel erzählt Minko von der jungen Deutschen Romy, die am »Mutter-Teresa-Syndrom« litt. Am Ende verschenkte sie sogar ihren Laptop an einen der Mitarbeiter, was den Neid aller anderen Helfer provozierte – und schließlich Minkos ganzes Büro in Aufruhr versetzte.
Ein anderer junger Freiwilliger, der Australier Andrew, sei Tag und Nacht mit einem Khmer-Sprachführer herumgelaufen. Schließlich schnauzte er sogar Minko an, weil der sich mit seinen kambodschanischen Mitarbeitern auf Englisch unterhält. Zwar spricht Minko fließend Khmer. »Aber meine Leute sollen doch Englisch lernen!«, ereifert er sich. Viele seiner Freiwilligen seien zudem in ein Leben aus Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll abgerutscht. Minko: »Die konntest du in der Gluthitze hier oft tagelang zu nichts gebrauchen.«
Darüber hinaus ist Minko überzeugt, dass sich viele lokale NGOs gern mit ausländischen Freiwilligen als »Prestigeobjekten« schmückten, die die jeweilige NGO dann als vertrauenswürdig und professionell adelten. Dabei seien viele der lokalen NGOs eher auf den Profit ihrer Gründer
als auf Hilfe für Bedürftige ausgerichtet. Die Freiwilligen würden nur missbraucht, um ausländische Spender anzuzapfen. Das Fazit all dieser Beobachtungen ist für Chris Minko klar: »Am meisten profitieren immer die Freiwilligen selbst.« Und fast spöttisch fragt er weiter: Sind diese Freiwilligenprogramme nicht eher »glorifizierte Backpacker-Trips«? Ein Luxus für Jugendliche aus entwickelten Nationen?
Als Weltwärts-Freiwilliger durfte Sascha in Deutschland zunächst ein zehntägiges Vorbereitungsseminar besuchen. In Kambodscha erhielt er nochmals ein zweiwöchiges interkulturelles Training. Während seines ganzen Aufenthalts ist er vollständig abgesichert. Selbst in Preah Rumkel muss er – auf Wunsch seiner Entsendeorganisation DED – stets per Handy erreichbar sein. Sogar einen Krisenplan hat der DED ausgearbeitet: Im Notfall wird Sascha per Helikopter ausgeflogen. Weil der Straßenverkehr in der Hauptstadt Phnom Penh gefährlich ist, gab man Sascha einen Motorradhelm.
Derzeit betreut der DED neben Sascha zwei weitere junge Deutsche in Kambodscha. Bis Ende des Jahres sollen es 15 werden, im Jahr 2009 schon dreißig. Bis dahin muss der DED seine Betreuungsstrukturen für Freiwillige ausbauen, und auch dafür ist Geld eingeplant im Weltwärts-Etat. Woher kommt dieser neue Elan der Industrienationen, ihre Jugendlichen in Entwicklungsländer zu schicken? Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, wird fündig in deutschen Glaspalästen und Bürotürmen, 10 000 Kilometer nordwestlich von Phnom Penh.
Dort warten Männer mit teuren Krawatten bereits mit Wohlwollen auf die jungen Rückkehrer. »Grundsätzlich positiv« sieht etwa Just Schürmann, 39, für Neueinstel-lungen zuständiger Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Boston Consulting, die Erfahrungen der jungen Freiwilligen. Er schätzt, dass sich die Jugendlichen »jenseits der eigenen Komfortzone für ein persönliches Ziel engagieren«. Schürmann weiß, dass sie in Entwicklungsländern einen »persönlichen Reifeprozess erfahren«. Dass sie nach ihrem Aufenthalt stärker sind, dass sie gelernt haben, zwischen den Kulturen zu wechseln. Zudem findet Schürmann, Entwicklungshilfe sei heute entpolitisiert. Mit einem Engagement sei keinerlei ideologisches Statement mehr verbunden.
Das alles war früher anders: »Vor zwanzig Jahren galten wir Entwicklungshelfer als linke Schluffis in Birkenstocks«, erinnert sich Karoline Wiemers-Meyer, eine ehemalige Entwicklungshelferin. Als sie vor 25 Jahren von ihrem ersten Einsatz zurückkam, erzählte man davon auf dem Arbeitsamt besser erst einmal nichts. Arbeitgeber, die dennoch von ihrer Vergangenheit erfuhren, wurden meist skeptisch. Irgendwann kam dann die obligatorische Frage: »Und, wann wollen sie wieder aussteigen?«
Heute dagegen gelten Freiwilligendienste als stählende Erfahrung, als Spoiler am Heck eines getunten Lebenslaufes. Man brüstet sich damit bei Bewerbungen für amerikanische Elite-Universitäten und deutsche Begabtenförderwerke. Die begehrtes-ten Unternehmen sehen sie als Beleg für Schlüsselqualifikationen und Charakterstärke. Mit den Millionen des Weltwärts-Programms zollt auch die Bundesregierung dieser neuen Wertschätzung Tribut.
An all dies freilich denkt Sascha kaum, wenn er in Preah Rumkel aus Höflichkeit geröstete Bienen und Heuschrecken verspeist. Wenn er sich Respekt verschafft, indem er einige Becher selbst gebrannten Reisschnaps hinunterkippt. Wenn er mit einem Boot zu einer Feier nach Laos fährt, die von zwei Polizisten mit Kalaschnikows kontrolliert wird. Sascha weiß noch nicht, wohin er sein Leben führen will. Nächste Woche will er erst einmal lernen, wie man ein Huhn schlachtet. Die Kunst dabei ist, das Blut nicht zu vergießen. Denn Klum-pen aus geronnenem Blut gelten in Preah
Rumkel als Delikatesse. »Du schlachtest ein Huhn, nimmst es aus und hast zu essen«, sagt Sascha. »Irgendwie ist das schon ein cooles Leben.«