;-)))))))))))))))))))))))))))))))) - Think Positive

Oder die Frage: Wie viel Optimismus brauchen wir wirklich?

Wären Sie gern reich, klug, mächtig, schön, berühmt, glücklich
und forever young? Dann werden Sie es doch einfach. Das kann nämlich jeder. Beginnen Sie, indem Sie folgende Fragen beantworten: »Glauben Sie an die Kraft des Guten, der Freude und des Glücks? … Glauben Sie an Gott? Glauben Sie daran, dass jeder Mensch auf dieser Erde einen Auftrag zu erfüllen hat und dass er dafür alle Anlagen und Kräfte mitbekommen hat, die er zu seiner Ausführung benötigt?«

Sagen Sie ruhig Nein. Der Erfolg ist ein Meister aus München und heißt Erich Lejeune. Mit seiner Hilfe werden Sie Ihre »schädliche Gewohnheit der negativen Erwartungshaltung« schon noch überwinden. »Schließen Sie die Augen, breiten Sie die Arme aus und sagen Sie laut und deutlich: Ja, ich bin bereit für den Erfolg meines Lebens!« Think positive! »Du schaffst, was du willst.«

Lejeune ist der lebende Beweis für die Kraft solch positiven Denkens. In den Achtzigerjahren handelte er mit Mikrochips und wurde Millionär. Seitdem hält er sich für genial. Von der Vermarktung dieses Irrtums lebt er nun besser als vom Chiphandel.

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Wir wissen nicht, ob er je in Köln war, wo das positive Denken vor Jahrhunderten in den Spruch »Et hät noch immer jotjejange« gegossen und in Stein gemeißelt wurde. Der Stein liegt jetzt im U-Bahn-Sumpf unterm eingestürzten Stadtarchiv begraben. Aber der Dom steht ja noch, würde Lejeune wahrscheinlich sagen, der gern die Nähe zu Bischöfen, Mönchen und anderem geistlichem Personal sucht, diese mit Spenden beglückt und dafür etwas von deren Heiligenschein abkriegt.

Zurzeit dürften viele Kirchenobere mehr an einer großen Ladung Lejeune’scher Kraft durch Freude interessiert sein als an Lejeune’schem Geld, denn der heilige Schein hat unter den Päderasten- und Prügelpriestern schon arg gelitten. Überhaupt war der Bedarf an positivem Denken schon lange nicht mehr so groß wie heute. Wie, zum Beispiel, sollen wir jemals heil aus Afghanistan herauskommen, wenn unser Baron zu Guttenberg aufhört, an die Kraft des Guten zu glauben? Zum Glück glaubt er ja noch.

Wie sehr es sich auszahlt, an das Gute in uns zu glauben, beweisen derzeit die Griechen. Ihr Glaube an uns ist so groß, dass sie uns einerseits als alte Nazis beschimpfen und andererseits zuversichtlich darauf bauen, dass das deutsche Prekariat gern den griechischen Sozialluxus finanziert und die alleinerziehende Mutter so lange auf einen Kita-Platz für ihr Kind wartet, bis die griechischen Schulden getilgt sind.

Von diesem zupackenden Optimismus sollten sich die miesepetrigen Atomkraftgegner eine Scheibe abschneiden. Wer sagt denn, dass unsere guten alten Atomkraftwerke in die Luft fliegen, wenn wir sie noch weitere vierzig Jahre für die Produktion kostengünstiger und klimareiner Energie nutzen? Da muss man einfach seine schädliche Gewohnheit der negativen Erwartungshaltung überwinden, die Atomkraft mit unserer Glaubenskraft ummanteln, dann wird schon alles gutgehen. Und was den Atommüll betrifft: Ist es nicht egal, ob dieser nun eine Million oder eine Million und vierzig Jahre vor sich hin strahlt?

(Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie ein Buch über die Kraft des positiven Denkens zum Bestseller werden konnte.)

Gut, dass in der Regierung die positiv denkenden Kräfte allmählich überwiegen. Gott bewahre sie vor der US-Journalistin Barbara Ehrenreich. Die hat jetzt ein ganzes Buch über die negativen Folgen des positiven Denkens geschrieben – was zwar ärgerlich, aber keine wirkliche Gefahr ist für den, der sich davon nicht beirren lässt. Zweiflern kann ein Blick auf die lange Ahnenreihe der Gutdenker dieser Welt helfen.

Zum Beispiel der Pfarrer Norman Vincent Peale, geboren 1898 in Ohio: Er gilt als einer der Erfinder des positiven Denkens, und tatsächlich wurde er berühmt mit einem geplätteten, aufs Wesentliche reduzierten Klein-Calvinismus, dessen Botschaft lautete: Wen Gott liebt, den segnet er. Darum glaube an Gott, bete zu ihm, und er wird dich lieben und deine Ideen und Pläne zur Chefsache machen. Glück ist machbar, Erfolg planbar, Reichtum gewiss.

Bibelfeste Klosterschüler erinnern sich vermutlich eher des Spruchs »Wen Gott liebt, den züchtigt er« und denken an Hiob, Gottes Liebling, der mit allen Plagen dieser Welt gestraft wurde, und daher ist es vermutlich kein Zufall, dass Dale Carnegie, geboren 1888, erfolgreicher war. Er verließ sich nicht auf Gott, sondern auf sich sich selbst. Und er perfektionierte die Form der Erweckungsrede nach dem Muster: Ich war ein Versager, fühlte mich mies, alles ging schief und so weiter, bis ich die Kraft in mir entdeckte, seitdem bin ich reich und ein Winner, alles klappt wunderbar und so weiter.

Carnegie konnte diesen Dreisatz in tausend Varianten, Wiederholungen und Ausschmückungen stundenlang vortragen, und seine Erweckungsbotschaft ist zeitlos: Wenn du fällst, steh wieder auf. Wenn das Schicksal dir eine Zitrone gibt, mach Zitronenlimonade daraus. Zähl deine Geschenke, nicht deine Probleme. Lass die Vergangenheit ruhen. Ärgere dich nicht darüber, dass der Rosenstrauch Dornen trägt, sondern freue dich darüber, dass der Dornenstrauch Rosen trägt. Glaube, dass du glücklich werden kannst, sprich es dir laut vor, und du wirst es.

Das glaubt man gern. Von Carnegies 1948 erschienenem Buch Sorge dich nicht – lebe! wurden bisher weltweit mehr als zwölf Millionen Exemplare verkauft. Es verkauft sich noch immer, obwohl Carnegie seit 1955 tot ist. Aber sein »Coaching- und Weiterbildungsunternehmen« gleichen Namens beschäftigt heute nach eigenen Angaben »2700 Business Coaches in über 75 Ländern«, und man ist stolz auf »100 Jahre Erfahrung in den USA«.

Das ist sehr bescheiden, denn tatsächlich gründen die Botschaften der Carnegies, Peales, Lejeunes und wie die Großmotivatoren alle heißen, in einer Geschichte, die bis zu jenen alten Glücksrittern zurückreicht, die sich einst auf die Suche nach dem Goldenen Vlies, dem Stein der Weisen, dem Heiligen Gral oder der ewigen Jugend begeben hatten und sich nebenbei in der Kunst übten, aus schwarzer Erde Gold zu machen.

Aber schon die ersten Gralssucher hatten mit einem bis heute kaum gelösten Problem zu kämpfen: Informationsüberflutung. Wer immer sich durch die Fülle des Materials zu kämpfen versuchte, um das sichere Rezept für die ewige Jugend zu finden, starb, bevor er es gefunden hatte.

Aus dem Versuch, das Problem zu lösen, lässt sich praktisch die ganze Fortschrittsgeschichte des Menschen von den Sumerern bis heute herleiten, und das Lösungsprinzip ist dasselbe geblieben: Komplexitätsreduktion. »Simplify your life!«, predigten Priester und Schamanen, und ihre Vereinfachungen waren die Götter, Götter der Schönheit, des Krieges, der Fruchtbarkeit, der Liebe, des Glücks, der Jagd, des Weines, der Gesundheit. Opfert ihnen, und ihr werdet bekommen, wonach ihr trachtet. Das war der Deal. Als Zwischenhändler fungierten die Priester.

Aber irgendwann merkten die Leute: Es sind zu viele Götter. Und immer mehr gierige Priester. Vor lauter Sorge um sie kam man nicht mehr dazu, für sich selbst zu sorgen – bis jemand auf die geniale Idee kam, alle Kompetenzen zu bündeln und einem einzigen Gott zu übertragen. Endlich hatten die Leute wieder Zeit, doch jetzt zu viel, denn nun grübelten sie, warum der Nachbar wohlhabender und seine Frau schöner ist. Der allzuständige Gott schaffte es nicht, alle glücklich zu machen.

Daher vergrößerte er seinen Betrieb und schuf fortgesetzt neue Planstellen für: seinen Sohn, einen Heiligen Geist, Maria, vier Erzengel, zwölf Apostel,
14 Nothelfer und zahllose Schutzheilige und Selige. Irgendwann war eigentlich alles wieder so wie zu Zeiten der Vielgötterei. Man wurde von der Heiligen Dreieinigkeit und deren Entourage schwer auf Trab gehalten, musste beichten, beten, spenden, stiften, wallfahrten, Reliquien verehren – bis plötzlich der erste Bauer merkte, dass Kunstdünger dem Acker besser bekommt als Weihwasser.

Nun lief das Volk in Scharen zu den neuen Priestern über, die glaubten, der Hypothese Gott nicht mehr zu bedürfen. Sie versprachen Wissen, Glück, Reichtum und ein langes Leben, verlegten das Paradies aus dem Jenseits ins Diesseits und fanden massenhaft Gläubige, denn sie taten Wunder – erhoben sich in die Lüfte mit blechernen Riesenvögeln, machten durch bloße Berührung geheimnisvoller Knöpfe dunkle Räume hell, helle dunkel, kalte warm und heiße kalt. Per Knopfdruck konnten sie Brücken und Gebäude zum Einsturz bringen, Höllenfeuer erzeugen, donnern, blitzen, ferntöten, fernsehen, fernhören, fernsprechen.

(Auf der nächsten Seite lesen Sie einen kleinen Überblick über die aller-, aller positivsten Zeiten des letzten Jahrhunderts und darüber, wie das Privatfernsehen zu mehr Meinungsvielfalt beitragen konnte.)

Seinen Höhepunkt erreichte der Siegeszug der neuen Erfolgs-Priester nach der Landung auf dem Mond. Aber wie das eben so ist im Zenit: Dort beginnt der Abstieg. Er kündigte sich an, als die Männer vom Mond zurückkehrten und nichts mitbrachten außer der Teflonpfanne, ein bisschen Mondstaub und die Erkenntnis, dass es da oben auf der einen Seite zu kalt, auf der anderen zu heiß und auch sonst sehr trostlos ist.

Von da an folgte eine Ernüchterung der nächsten, und fast alle tragen Ortsnamen: Tschernobyl, Seveso, Bophal. Explodierende Chemiewerke, ein schmelzender Atomreaktor, Waldsterben, Fischsterben riefen Unheilspropheten auf den Plan, die verkündeten, dass am Ende des Weges nicht das Paradies, sondern die Hölle auf uns warte. Die Pest des negativen Denkens griff um sich, und seitdem herrschen Katzenjammer und Orientierungslosigkeit. Was soll man noch glauben, an wen sich halten? Wer ist jetzt für mein Glück, den Erfolg und die ewige Jugend zuständig?

Die gute Nachricht ist: Es gibt sehr viele Zuständige. Die schlechte: Sie sind zu spezialisiert. Kochgötter erzählen uns nur, was wir kochen sollen. Wenn wir sie fragen, was wir lesen sollen, verweisen sie uns an die Literaturpäpste. Fragen wir diese, was wir hören sollen, schicken sie uns zum Klavierkaiser. Für Wellness und Gesundheit haben wir die fünf Tibeter. Die Kraft des »spirituellen Ich in uns« legt der Pater Anselm Grün unermüdlich frei. Kleiderfragen besprechen wir mit dem Modezaren, ums Trinken kümmert sich die Weinkönigin, um unsere Aktien der Börsenguru. Dieser reicht uns weiter zum Fresspapst, zum Diät-Apostel, zum Schamanen des Laufens und zum Propheten des stillen Wassers. Sogar fürs Gehen mit Stöcken gibt es Autoritäten, und bald schon wird man beim Gang zum Klo sagen: nicht ohne meinen Business-Coach.

Diese unübersichtliche Kleingötterei hilft nicht wirklich. Wir opfern bereits von morgens bis abends einem Moloch namens Markt, und jetzt bräuchten wir eigentlich nur noch einen Gott-für-Alles, der uns davor bewahrt, dem Moloch mit einem Burn-out-Syndrom zum Fraß vorgeworfen zu werden. Natürlich darf dieser Gott keine besonderen Ansprüche stellen, muss zuverlässig funktionieren, und zwar sofort.

Diese Produktbeschreibung erscheint einerseits unrealisierbar, zeigt andererseits, dass in jeder Krise eine Chance steckt für jene, die sie zu nutzen wissen. Unsere Meister des positiven Denkens, die sich nicht mehr Priester nennen, sondern »Motivationstrainer«, »Erfolgstrainer«, »Berater«, »Money Coach«, nutzten sie und designten für den modernen Ich-Alles-Sofort-Normalo die Instant-Lösung: Wasser, Pulver, umrühren, fertig. Nach diesem Prinzip entwickelten sie den Instant-Gott.

Ihn verkünden sie in Gottesdiensten, die »Motivationsseminare« heißen.
Das Licht der Prediger strahlt mal heller, mal dunkler, aber immer irgendwo für eine gewisse Zeit. Früher strahlten die Sterne Jürgen Höller, Bodo Schäfer, Ulrich Strunz besonders hell. Um diese drei ist es inzwischen ruhig geworden, aber während der wundergläubigen Neunzigerjahre strömten Heerscharen in ihre heiligen Messen und ließen sich so überzeugend einreden, sie seien Adler, dass sie nach Verlassen der Messehallen mit den Flügeln schlugen und abhoben.

Wir wissen nicht, wie viele der aufgestiegenen Adler sogleich wieder als Suppenhühner aufschlugen oder gar nicht erst hochkamen. Aber: Wir wissen von vielen glorreichen Erfolgen des positiven Denkens in Politik und Wirtschaft, in der Atompolitik zum Beispiel. Während der Fünfziger- und Sechzigerjahre sah man die Atomenergie so positiv, dass man für das kleine Nebenproblem der Atommülllagerung flugs den Salzstock Asse aus dem Hut zauberte. Da kann überhaupt nichts passieren, versicherten sehr positiv denkende Minister, Beamte, Kommunalpolitiker und Wissenschaftler.

Nur der defätistische Erdkundelehrer Walter Randig schrieb 1964 in einem Leserbrief an die Lokalzeitung: In den Salzstock sickert Wasser ein. Aber was weiß schon ein Dorflehrer? Der hält sich wohl für klüger als alle Politiker und Wissenschaftler zusammen?

Heute fließen jeden Tag 12 000 Liter Wasser in das mit rund 125 000 Fässern gefüllte Bergwerk. Irgendwann werden diese rostigen Fässer absaufen, und vielleicht als strahlende Salzlauge ins Grundwasser gedrückt werden. Das muss natürlich verhindert werden, und eben darin steckt das Positive, denn das wird Milliarden kosten, also Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Diesen Erfolg kann man in Gorleben leicht wiederholen.

Einen weiteren Beweis für die Kraft des positiven Denkens lieferten jene Politiker, die während der Achtzigerjahre verkündeten, die Einführung des Privatfernsehens würde die Programmqualität verbessern, mehr Meinungsvielfalt zulassen und bessere Information ermöglichen. Und tatsächlich: Im Jahr 1990 reckten junge Damen in der RTL-Sendung Tutti Frutti alle paar Minuten ihre nackten Brüste sehr informativ in die Kamera. Sat.1 verbesserte mit Endlosschleifen alter Schulmädchen-Reports die Programmqualität. Auf RTL2 trug eine gewisse Verona Feldbusch, heute Pooth, mit der Vorführung von Softpornos zu mehr Meinungsvielfalt bei.

Die eigentliche Hoch-Zeit des positiven Denkens, geradezu ein messianisches Jahrzehnt, begann, als 1989 die deutsche Einheit über uns hereinbrach. Wer, wie Oskar Lafontaine fragte, was das kostet, bekam von Kohl und Waigel jene inzwischen berühmte Portokasse auf den Kopf gehauen, aus denen die beiden die Einheit zu zahlen gedachten, denn sie glaubten an die »Selbstheilungskräfte des Marktes«. Diese würden im Osten einen Aufschwung generieren, der sich selber trägt und »blühende Landschaften« produziert.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die die Positiv-Denke mal ein Waterloo bräuchte, um wieder zu funktionieren.)

Sie hatten recht. Im Osten blüht die von Menschen entvölkerte Heide so schön, dass der Wolf zurückkehrt, und die Einheit wird noch immer aus der Portokasse bezahlt, wir füllen sie regelmäßig und gern mit unserem Soli. Wenn irgendwann im nächsten Jahrhundert mal alles abbezahlt sein sollte, wünschen wir der Einheits-Kasse ein Ehrenplätzchen neben Helmut Kohls Strickjacke im Bonner Haus der Geschichte.

Ein anderes großartiges Beispiel für die Kraft des positiven Denkens war die »New Economy«. Wer irgendwas im Internet machte, verkündete, dass er schon bald sehr reich sein würde, und wenn man ihm sein Erspartes gebe, würde man gemeinsam noch schneller noch reicher. Hat sehr gut geklappt, solange alle daran glaubten. Am Ende aber waren plötzlich alle ärmer als zuvor.

Es gibt ganze Thinktanks, in denen nur positiv gedacht wird.
Einige dieser Tanks hatten einst George Bush eingeflüstert: Marschiere im Irak ein. Bringe den Menschen dort die Demokratie, und du wirst als einer der ganz Großen in die Geschichte eingehen. Du wirst ein bisschen Krieg führen müssen, aber das wird dich keinen Pfennig kosten, denn der Krieg wird sich aus dem irakischen Öl finanzieren lassen.

Hat nicht so richtig geklappt, obwohl man Georg Bush nicht
vorwerfen kann, nicht genug geglaubt und nicht genug gebetet zu haben. Dem positiven Denken hat die Sache trotzdem nicht geschadet, denn auf Regen folgt Sonnenschein, der Niederlage folgt der Sieg, in jeder Krise steckt eine Chance, und generell gilt: Reg dich nicht über Kleinigkeiten auf.

So positiv denken auch die Zocker, die an den Weltbörsen nach dem Motto verfahren: Wenn ich gewinne, gehört der Gewinn mir, wenn ich verliere, zahlen die anderen, die sowieso Pessimisten sind, das Geld also gar nicht zurückerwarten. Das aber wächst sich nun gerade zu einem Problem aus, denn diese Art des Positive Thinking wird von den anderen zunehmend negativ betrachtet. Es ist also Gefahr in Verzug, und diese kommt auch von unerwarteter Seite, dem Psycho-Business.

Jahrzehntelang berichtete es von Experimenten, die wissenschaftlich bewiesen, dass positives Denken Menschen wirklich erfolgreicher macht. Nach dem 1001. Beweis schwand die Aufmerksamkeit für solche Meldungen, und es war klar, dass die Positiv-Denke jetzt mal ein Waterloo bräuchte, um das Geschäft wiederzubeleben. Und siehe, Joanne Wood von der University of Waterloo berichtete, dass in einem Experiment Teilnehmer mit gering ausgeprägtem Selbstbewusstsein allein durch das Aufsagen allgemein positiv konnotierter Sätze ihre Stimmung, ihren Optimismus und ihre Bereitschaft, an Aktivitäten teilzunehmen, messbar verschlechterten.

Auch von zahlreichen anderen Psycho-Fakultäten treffen neuerdings pausenlos Hiobsbotschaften ein, und scheinen nun die US-Journalistin Barbara Ehrenreich zu ihrer Philippika über die negativen Folgen des positiven Denkens motiviert zu haben.

Müssen wir also fürchten, auf die Mühsal des selbstständigen Denkens zurückgeworfen zu werden? Auf das bloße, normale Denken? Einfach nur denken? Think? Müssen wir gar lernen, Krise wieder als Scheiße zu begreifen?

Natürlich nicht. Schon ein Gespräch mit Ulrich Strunz macht neuen Mut. Strunz, der Fitnesspapst, der die Deutschen mit dem Wahlspruch »forever young« zum Laufen gebracht hatte, musste nach einem schweren Sturz mit dem Fahrrad auf Mallorca 2006 mehrfach operiert werden, kann seitdem nicht mehr joggen, muss viel liegen, hat dauernd Schmerzen, ist im Grunde arbeitsunfähig, aber das alles sei gut, denn früher, da habe er die Leute Fitness gelehrt, um das Leben zu verlängern. Das sei »ein bisschen egoistisch« gewesen. Heute wisse er: »Es gibt ein Leben zu zweit.« Und er habe nun »die Liebe entdeckt«.

Auch Jürgen Höller spricht von der Kraft der Liebe, nachdem er 2002 vom Staatsanwalt wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten in den Knast gesteckt worden war. Etwas Besseres hätte ihm gar nicht passieren können, denn als er im Mai 2004 wieder aus dem Knast kam, berichtete er, dort »Demut gelernt« zu haben. Seitdem trägt ihn die »Liebe zu seiner Frau«.

Nur Erich Lejeune ist immer noch ganz der alte. Er fragt auf seiner Webseite: »Brauchen Sie in Ihrem Leben eine zusätzliche Ladung Energie, Mut und Motivation?« Und offeriert die »Lejeune Power-Box«.

Sollte man vielleicht der Regierung schenken. Der Opposition auch. Die Kirchen nicht zu vergessen. Braucht eigentlich jeder. Kostet 497 Euro. Wenn es sich rechnet, ist das nicht zu teuer.

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Christian Nürnberger, 59, neigt zu der erfahrungsgesättigten These, Optimismus sei nur ein Mangel an Information. Was schiefgehen kann, geht schief, irgendwann stößt jedem alles zu, der liebe Gott achtet auf Vollständigkeit. Bei jedem. Und das ist findet Nürnberger eigentlich sehr positiv.