Werden wir künftig nach einer Scheidung ein Glückwunschschreiben unserer Krankenkasse bekommen? Der Brief könnte in etwa so lauten: »Sehr geehrte/r Frau/Herr XY, die Barmer Ersatzkasse gratuliert Ihnen zur Beendigung Ihrer Ehe! Laut einer Studie der Universität Heidelberg macht Partnerschaft dick – für Sie als Single sinkt somit das Risiko einer Erkrankung infolge übermäßiger Ernährung. Bitte wählen Sie eine der folgenden Trennungsprämien aus: ein Wellness-Wochenende für eine Person in Bad Aibling, einen iPod mini oder eine Espressomaschine von DeLonghi.«
Die etwas gewagte Idee einer Trennungsprämie stammt von dem Wissenschaftsblogger Michael Klein, der gleich noch Strafabgaben für Kirchen und Standesämter an den Gesundheitsfonds vorschlägt. Schließlich sei Heiraten ungesund, schreibt er, mit Verweis auf die eben erschienene Studie Durch Dick und Dünn. Zum Einfluss von Partnerschaft und Partnermarkt auf das Körpergewicht der Universität Heidelberg. Die Soziologen werteten dafür 2000 Telefoninterviews aus. Dass eine feste Partnerschaft zu erheblicher Gewichtszunahme führt, bestätigt auch die gute Freundin C., der man mehrfach schwören musste, nie ihren vollen Namen in diesem Artikel zu nennen. So unangenehm sind ihr die acht Kilo, die sie im letzten Jahr zugelegt hat, seit sie mit M. zusammenlebt, der gleich zehn Kilo zugenommen hat. C. erzählt davon in ihrer Küche, auf die sie beim Einzug so stolz war: zwanzig Quadratmeter groß, vom Vermieter mit Designergeräten ausgestattet.
Vorher hatten C. und M. zwei kleine Singlewohnungen mit selten benutzter Kochstelle. Vorher war C. dreimal die Woche joggen, abends reichte ein schnell belegtes Brot. M. hielt Fertigpizza für ein vernünftiges Abendessen und spielte auch bei Regen samstags im Park Fußball. Überspringen wir die ersten Beziehungswochen, wo vor lauter Sex kaum Zeit fürs Kochen blieb. Dann wurde es gemütlich, der Beziehungsmittelpunkt verschob sich vom Bett Richtung Couch. Der Winter begann, C. und M. stellten die gemeinsame Liebe zum Käse fest, von der sie heute sagt: »Das ist das Schlimmste, wenn zwei Käsefans zusammenziehen.« Hier ein Büffelmozzarella, dort ein Roquefort und am Viktualienmarkt den besten Bergkäse von der höchsten Alm.
Ein Camembert von 250 Gramm hat etwa 750 Kalorien, eine Minute leidenschaftliches Küssen verbraucht zwanzig Kalorien – so verliebt kann man gar nicht sein, dass man einen Camembert wegknutscht. Im Karstadt-Untergeschoss kauft M. sich gern Rinderfilet, und C. bestellt, statt wie früher 50 Gramm, nun 300 Gramm Edelsalami. Und Hackfleisch gleich im halben Kilo für die Lasagne, Sonntagabendritual zum Tatort.
Einfrieren und aufheben – das gibt es nicht mehr, C. wundert sich, wie viel so ein Mann essen kann. Die Frau isst mehr, der Mann isst besser, und ein Lieblingsrestaurant entdecken sie auch. Sie schweben auf einer Wolke aus Crème fraîche, Weihnachten kriegt er das neueste Kochbuch von Jamie Oliver, sie einen Kurs für japanisches Essen. Im Vietnam-Urlaub fragt M. schon nach dem Frühstück, wo sie mittags essen. Acht plus zehn Kilo später: C. und M. blicken Ende August schweigend auf die neue Waage mit Körperfett-Anzeige. Nach einer Krisensitzung, bei der sie betonen, sich gegenseitig auch mit der »Nachher-Figur« noch sehr attraktiv zu finden, werden der »Sport-Montag« eingeführt und eine Jahreskarte fürs nahe Schwimmbad bei Google anrecherchiert. Ein vergeblicher Kampf, würden die Heidelberger Wissenschaftler sagen, und die Statistik gibt ihnen recht.
Richtig dünn werden wir erst wieder, wenn wir neu auf Partnersuche gehen, in die Disco, wo niemand Speckröllchen niedlich findet. Dann wird wieder gejoggt und grammweise eingekauft. Aber ist das die Lösung? Einsam schlank? »So richtig dünn war er nie«, sagt C., »steht ihm aber.«
Illustration: Marc Herold