Frau Andersen, schauen Sie die TV-Serie Silicon Valley?
Amy Andersen: Nein, leider nicht.
Darin geht es um eine Gründer-WG, in der einige Männer so schüchtern sind, dass sie der Anblick einer leicht bekleideten Frau in ihrem Wohnzimmer völlig aus dem Konzept bringt. Gibt es das in der Realität?
Diese TV-Charaktere sind sicher ziemlich überzeichnet. Aber ich habe in der Tat einige Kunden, die ängstlich gegenüber Frauen sind. Diese Männer sind oft die besten Kunden und stellen sich später als die besten Partner heraus. Man muss sie nur etwas trainieren und ihre sozialen Fähigkeiten verbessern. Für viele Frauen aus San Francisco ist es reizvoll, eher geekige Typen aus dem Silicon Valley kennen zu lernen, denn das sind gute Kerle, die sich binden wollen. Die draufgängerischen, selbstbewussten Männer aus San Francisco haben mehrere Dates gleichzeitig und viele One-Night-Stands, die suchen nichts Ernsthaftes.
Der in der Technologie-Branche arbeitende, männliche Nerd ist also kein Klischee?
Nein, viele dieser Männer sind bei ihrer Karriere absolut souverän, aber sehr unsicher in Liebesdingen. Ich rate ihnen beim ersten Date immer: Selbst wenn ihr denkt, dass die Chemie nur zu zehn Prozent stimmt, fragt die Frau nach einem zweiten Date.
Warum das?
Viele dieser Männer haben Angst vor Ablehnung. Ich sage ihnen: Sei zuversichtlich, sie wird das an dir mögen! Das Online-Dating hat dazu geführt, dass viele Frauen sich genötigt sehen, bei Verabredungen eher den männlichen, dominanten Part zu spielen. Doch sie haben das satt. Sie wollen, dass die Männer sie nach einem zweiten Treffen fragen.
Haben Sie ausschließlich Kunden aus der Technologie-Branche?
Ich habe viele Tech-Entrepreneure, aber auch Akademiker, Anwälte, Menschen aus der Gesundheitsindustrie. Es sind einige Technologie-Stars mit großen Namen dabei, Leute aus dem Entertainment-Bereich in L.A. und aus der Investment-Branche. Viele meiner Kunden haben eine eigene Wikipedia-Seite. Und egal in welchem Alter sie sind, sie haben nichts mit der Aufreißer-Kultur zu tun, bei der man in Bars eine beliebige Person aufgabelt. Sie suchen nach Qualität.
Was heißt Qualität?
Bildung spielt bei uns eine große Rolle. Die Mindestanforderung ist Universitätsbildung, etwa 75 Prozent unserer Kunden haben einen Master- oder Doktortitel. Ich habe gerade eine E-Mail von einem Bewerber mit einem typischen Werdegang bekommen: Er hat einen Bachelor-Abschluss in Maschinenbau sowie Master-Abschlüsse in Management, Ingenieurwissenschaften und Elektrotechnik von der Stanford-Universität, und einen Doktortitel vom Massachusetts Institute of Technology.
Und Bewerber ohne Abschluss schicken Sie weg?
Wenn jemand einen guten Job und interessante Karriere vorweisen kann, ist das auch in Ordnung. Außerdem möchte ich keine Workaholics, meine Kunden sollen auch außerhalb der Arbeit interessante Dinge tun. Wenn sie Kunst mögen, nehmen sie vielleicht Malkurse. Ich möchte sehen, dass sie ein erfülltes Leben haben. Das ist auch ein Indikator dafür, ob sie überhaupt Zeit für eine Beziehung haben. Ein weiteres, entscheidendes Kriterium: Ist der Bewerber heiratsorientiert und fühlt sich wohl mit Verpflichtung?
Heiratsorientiert - ist das noch zeitgemäß?
Natürlich hat jeder seinen individuellen Zeithorizont. Aber unsere Kunden wollen heiraten und eine Familie gründen, das ist ihr großer Lebenswunsch. Das unterscheidet uns auch von vielen anderen Partnervermittlungen.
Sie bieten auch Typ- und Flirtberatung an, richtig?
Wenn mich ein Kunde nach meiner Meinung zu seinem Aussehen fragt oder wie er sich optimieren kann, gebe ich ihm natürlich ein Feedback. Manchmal tue ich das auch ungefragt. Wie coachen viel bei Linx. Ich habe demnächst einen Termin mit einer Kundin Ende 20, die in ihrem Leben sehr viel gearbeitet hat und noch nie eine richtige Beziehung hatte. Das ist eher untypisch, viele meiner Kunden waren schon ein- oder mehrmals verheiratet. Diese junge Frau hat im Moment ein sehr geschäftliches Auftreten, das zum Flirten weniger geeignet ist. Schließlich suchen die Männer nach ihrer zukünftigen Ehefrau, vielleicht nach der späteren Mutter ihrer Kinder. Ich trainiere mit der Frau, über Dinge zu sprechen, die sie begeistern, und mit ihren mangelnden Erfahrung umzugehen.
Wie messen Sie den Erfolg Ihres Coachings? Wenn ein »Problemfall« einen Heiratsantrag kriegt?
Beim Coaching geht es um das frühe Stadium: Jemanden vom ersten zum zweiten und dann zum dritten Date zu kriegen. Die ersten fünf sind am kritischsten. Denn gerade im Silicon Valley sind viele Menschen so verkopft, sie lernen nicht, zu fühlen. Sie kommen beim Date manchmal fast roboterartig herüber, weil sie denken: Okay, sie hat gerade über meinen Witz gelacht. Was soll ich jetzt machen? Sie grübeln schon über das Resultat des Dates nach, bevor es überhaupt stattgefunden hat. Nach dem ersten Treffen wollen sie möglichst schnell in eine Beziehung kommen. Ich erkläre ihnen, dass es so nicht funktioniert, dass sie sich von Date zu Date vorarbeiten müssen. Wenn sie das verstehen, nimmt das auch viel Druck heraus.
Stellen Sie die gleichen Anforderungen an Männer und Frauen? Es gibt im Silicon Valley ja umstrittene Partnerbörsen, in denen sich meist junge, mittellose Frauen von reichen Unternehmern bezahlen lassen, damit sie mit ihnen ausgehen.
So etwas wird es immer und überall geben. Die Männer bei Linx suchen aber nach jemand Ebenbürtigem mit einem mindestens ähnlichen, akademischen Hintergrund. Viele Männer wünschen sich, eine Frau zu finden, mit der sie ein Power-Paar bilden können, das finden sie sexy.
Vermitteln Sie auch lesbische und schwule Paare?
Dazu habe ich nicht das richtige Netzwerk. Aber für alle, die eine vielversprechende Karriere suchen - es wäre eine riesige Chance, so eine spezialisierte Heiratsvermittlung aufzuziehen. Besonders jetzt, wo der Supreme Court gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert hat.
Sie suchen die Kandidaten füreinander aus. Inwieweit können die darauf Einfluss nehmen?
Ich schicke ihnen eine E-Mail, in der ich ihnen einen aus meiner Sicht geeigneten Kandidaten präsentiere. Sie können dann entscheiden - gefällt ihnen die Person, frage ich umgekehrt ebenfalls nach. Wenn beide zustimmen, kommt es zum Treffen.
Können beide vorher Bilder voneinander sehen?
Nein, es ist wie ein Blind-Date. Vor allem für manche Männer ist das eine Herausforderung. Allerdings zeigen mir alle Kunden Fotos von ihrem Typ, damit ich eine Vorstellung davon kriege, wen sie attraktiv finden. Oft sind das Fotos von Ex-Partnern. Manche Menschen haben allerdings keinen speziellen Typ. Der eine Ex-Freund ist klein und glatzköpfig, der andere ist groß und trägt einen Bart. Andere hingegen haben genaue Vorstellungen von ihrem Partner. Das hat auch seine Tücken, denn offenbar hat es mit diesem Typ nicht funktioniert, sonst säßen sie nicht bei mir.
Keine Fotos, handverlesene Verabredungen - Ihr Dienst ist wirklich sehr altmodisch.
In der Tat. In so vielen Kulturen übernehmen ältere Frauen die Partnersuche, oder die Großeltern oder Eltern kümmern sich darum. Ich vertrete beide Seiten, was sehr viel Kopfzerbrechen und Ungewissheit aus dem Kennlernprozess nimmt.
Ziehen Sie beim zweiten und dritten Date dann immer noch die Fäden?
Es kommt auf die Kunden an. Manchmal helfe ich hinter den Kulissen, rate ihnen zum Beispiel, einen Gang runter zu schalten. Dating ist ein Marathon, kein Sprint. Feedback ist ein großer Teil meines Geschäfts. Ich bin die neutrale Person, ich bekomme hinterher von beiden Seiten Rückmeldungen. Ich erinnere mich an ein Treffen, dass sehr gut gelaufen ist. Ihr einziger Kritikpunkt war, dass er ihr kein Kompliment über ihr Aussehen gemacht hat, obwohl sie sich extra zurecht gemacht hatte. Der Mann ist ein hochkarätiger CEO bei einer der größten Silicon-Valley-Firmen mit gesellschaftlichen Umgangsformen. Er war in dem Moment offenbar so in sich gefangen, dass er die grundlegenden Dinge vergessen hat.
Und da kommen Sie ins Spiel?
Ich werde ihm dezent nahelegen, dass er ihr nächstes Mal ein Kompliment machen soll. Viele Männer vergessen solche Kleinigkeiten, dabei machen sie bei Frauen so viel aus! Wir erwarten gar nicht so viel: Wir wollen einen Mann, der uns zuhört, den wir einordnen können, der authentische Komplimente macht, mit dem es einfach Spaß macht, zusammen zu sein. Männer denken oft, dass wir auf andere Dinge aus sind.
Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote? Wie viele Langzeitbeziehungen oder Hochzeiten sind aus Linx hervorgegangen?
Auf einem niedrigen Level bedeutet für mich Erfolg, wenn ein Paar mehrere Male miteinander ausgeht. Bei der nächsten Stufe lassen beide Partner ihre Mitgliedschaft einfrieren. Sie leben monogam, sprechen über Verlobung und Heirat. Wir haben vergangenes Jahr viele Paare zusammengebracht, die sich dann in diesem Jahr verlobt haben. Und natürlich gibt es jede Menge Hochzeiten und Linx-Babies. Im Oktober gehe ich auf eine Hochzeit, er war ihr erstes Linx-Date, sie sein sechstes. Er war der typische, schüchterne Silicon-Valley-Techie. Ich habe ihn am Anfang gecoacht, weil er einem während der Unterhaltung nicht in die Augen schauen konnte. Er hat das in den Griff gekriegt - und schließlich seine jetzige Verlobte kennen gelernt.
Für bis zu 50.000 Dollar pro Jahr sucht sie für reiche Techies aus dem Silicon Valley die große Liebe: Luxus-Heiratsvermittlerin Amy Andersen gründete 2003 die Partnerbörse »Linx«.
Foto: Nenadaksic/Fotolia; Linx