Wer: Eva Mattes, Schauspielerin
Was: Taschenkalender von Brunnen, ca. 3 Euro
Warum: Nostalgie-Organisation
»Ohne meinen Jahreskalender bin ich aufgeschmissen. In dem Buch steht mein ganzer Lebensplan. Wenn ich es aufschlage, wird mir direkt schwindelig. Fast jeder Tag für 2015 ist schon vollgestopft mit Terminen. Sogar hinten in der Übersicht für 2016 stehen schon ein paar. Mit 12 Jahren habe ich angefangen zu arbeiten und kam früh zum Theater. Anfangs hat meine Mutter noch die Termine für mich ausgemacht. Als ich mit 17 ans Deutsche Schauspielhaus ging, habe ich das selbst erledigt – und zwar gründlich. Eine verpasste Aufführung kann teuer werden. Seither hebe ich jeden meiner Kalender auf. Es müssten jetzt an die 35 Bücher sein. Wenn ich wissen will, wie mein 1996 war, ziehe ich den Planer dafür aus dem Regal. Beim Blättern sehe ich nicht nur, was in dem Jahr alles passiert ist, sondern erlebe auch die Gefühlswelt dieser Zeit wieder.
Ich mag die Größe von meinen Taschenkalendern. DINA A5. Jeder Tag ist eine Seite. Und wenn ich das silbergraue Schnürl durch die Seiten ziehe, komme ich im ›Heute‹ an. Ich trenne bei Terminen nicht zwischen beruflich und privat. Im Buch steht alles, was ich mir merken muss: Tatort-Drehtage, Vorsprechen, Personal Training, Verabredungen, Arzttermine, Kultur-Tipps, Einladungen und wann ich die Haare wieder tönen muss. Wenn ich etwas erledigt habe, streiche ich es durch und mache zusätzlich ein Häkchen dahinter.
Das Innenleben des Kalenders ist kunterbunt. Wichtige Termine streiche ich mit Leuchtmarker an. Die Geburtstage der Kinder sind mit Blumen, Herzen und Spielerein verziert. Ich klebe auch viel in den Kalender hinein: Kinokarten, diese kleinen bunten Sticker auf Obst, oder die Buch-Bapperl, auf denen Preis und Barcode stehen. Am 1. Januar klebt der Kleber vom aktuellen Kalender. Und hier, am 13. Januar, habe ich einen knallorangenen runden Aufkleber, auf dem ›Reduziert 39,95 €‹ steht. Ich glaube, das war eine Pfanne. Diese Kleberwirtschaft kommt von meinem Mann Wolfgang Georgsdorf. Er ist ja Künstler und hat die ganze Familie früher inspiriert, jeden Alltagsaufkleber zu sammeln. Aus ihnen hat er wirklich tolle Bilder gemacht.
Oben in die Mitte einer Kalenderseite schreibe ich auf, wo ich gerade bin. Wenn Berlin dort steht, folgt darunter meistens das Wort ›Schreibtisch‹, weil ich zu Hause immer den ganzen Poststapel und Papierkram abarbeiten muss. Ganz hinten im Kalender sind leere Notizseiten. Ich träume oft absurde Sätze und schreibe sie im Halbschlaf auf diese Blätter. Beim ›Berlin Improvisers Orchestra‹ im Januar habe ich diese Sätze zur Musik hineingesprochen, -gesungen und -geschrien. Seitdem träume ich noch mehr absurde Sätze.
Elektronische Kalender mag ich nicht. Ich kann nichts reinmalen oder -kleben. Ich habe es einmal damit probiert, aber wir sind nicht füreinander bestimmt. Ich tippe schon so langsam. Handschriftlich geht jede Notiz flott von der Hand und ich kann malen, anstreichen und einkleben. Außerdem sind elektronische Kalender nicht sinnlich. Bücher sind es. Ich mag die Kunst daran, das Bildliche, das Greifbare. Und es gefällt mir, wie sich jeder Kalender übers Jahr in kleines persönliches Kunstwerk verwandelt. Ein einziges Mal, in den 80ern, hat mein bester Freund heimlich meinen Kalender benutzt. Ich habe zu dieser Zeit wahnsinnig viel gearbeitet und war erschöpft. Und plötzlich stand da alle paar Tage mit Bleistift geschrieben: ›Nicht dran denken‹. Dieser kleine Satz hat mir sehr geholfen: Nicht daran zu denken, was alles vor einem liegt, sondern seiner Arbeit die Schwere nehmen und sie lieben. Das habe ich damals gelernt und nie vergessen.«