Wer: Lena Liebkind, Comedienne
Was: Sarong, etwa 65.000 Indonesische Rupiah (4 Euro)
Warum: Kopf- und Seelenstütze
Wenn man so viel unterwegs ist wie ich, muss man sich etwas einfallen lassen, um es auch auf Tour ein bisschen heimelig zu haben. Zwischen den Auftritten tingele ich am meisten mit dem Zug. Sobald er langsam in Bewegung kommt, schlafe ich - wie ein Baby, ein Stein, ein Mehlsack. Und das, obwohl es kaum erwähnenswert ständig vorkommt, dass bei Saukälte die Heizung ausfällt oder ein kaputtes Fenster bei jeder Kurve aufknallt und einem ein eiskalter Wind entgegenschlägt. Mir ist das Wurst. Ich habe meinen Sarong. Ich liebe meinen Sarong. Er ist alles: Groß, leicht, weich, Kissen, Decke, Schal, auch eine super Nackenrolle, die meinen Schädel beim würdelosen Schlaf mit offenem Mund stützt. Wenn's sein muss hänge ich mir das Teil auch einfach ganz über den Kopf, dann setzt sich eh keiner zu mir - verschleierte Frauen lösen bei vielen ja allergische Reaktionen aus.
Außerdem kann ich mir ein Kleid oder einen Turban daraus binden, ich könnte Feinde damit ersticken - könnte - oder es zu einem Beutel schnüren. Das Tuch verdeckt als Rock meinen Speck und bewahrt als Decke meinen Hintern vor Dreck. Der Sarong ist quasi mein Schweizer Taschenmesser für Mädchen. Ein multiples Modeaccessoire. Die Menschen in der Antike wären bestimmt stolz auf mich, dass ich die unfassbar unendlichen Einsatzmöglichkeiten eines Tuches erkannt habe.
Abgesehen davon hänge ich vor allem emotional stark an meinem Sarong. Er erinnert mich an einen großen Wendepunkt in meinem Leben. Der begann mit einem absoluten Tiefpunkt vor zwei Jahren. Ich war unglücklich und gefangen in meinem damaligen Bürojob. Um wieder aus dem Loch zu kriechen, in das ich gefallen war, habe ich mit Freunden einen langen Backpack-Urlaub durch Indonesien gemacht. Ich hatte viel Zeit über mich und das, was ich will nachzudenken. Gegen Ende des Urlaubs war ich in einer Art Slow-Motion-Zustand völliger Entspannung und seit langem wieder bei klarem Verstand. Genauso klar war meine Entscheidung sofort meinen Schreibtischjob zu kündigen. Ohne Plan B. Dass ich letztlich als Stand-up buchstäblich wieder »auferstehen« würde, war mir da noch nicht klar.
Am Tag meiner Entscheidung schlenderten wir über einen Nachtmarkt. Dort habe ich mir den Sarong gekauft. Zuerst nur deshalb, weil ich so vollgefressen war, dass ich mich irgendwo drauf- und hinlegen wollte. Als ich mich dann stöhnend auf dem Sarong herumwälzte, muss irgendetwas Wundervolles passiert sein, wie beim Reiben einer Zauberlampe. Denn seit ich ihn habe, ist alles besser geworden. In den Sarong gehüllt bin ich eine Art ostasiatische Wonderwoman. Ich gehe meinen eigenen Weg und merke mit jeder neuen Etappe, dass ich richtig abgebogen bin. Ich bin so froh, dass ich mir nicht eine dieser verboten hässlichen Hippie-Pumphosen mit Elefanten gekauft habe oder mir Zöpfe flechten oder ein Tribal habe stechen lassen, das noch monatelag geeitert hätte. Nicht nur, dass man nichts davon so variieren kann wie meinen Sarong - man sollte nichts davon überhaupt tragen. Nicht einmal als Comedian.