»Ich wollte ein Männerleben in einem Frauenkörper - und Männer jagen nun mal«

Wickelkleider für die Ewigkeit, Spitzname »The Huntress«, Richard Gere, legendäre Disco-Nächte, Michelle Obama und lauter echte Falten: ein Gespräch mit der großen Modeschöpferin Diane von Fürstenberg.

»Diane, die Jägerin«: Ihr Spitzname stammt aus ihren wilden Jahren im New Yorker »Studio 54« - der passende Blick ist ihr bis heute geblieben.

SZ-Magazin: Frau von Fürstenberg, was auch immer Journalisten Sie fragen, in Ihren Antworten taucht meist Ihre Mutter auf. Warum?
Diane von Fürstenberg: Meine Mutter war Jüdin und lebte in Brüssel. Mit 20 Jahren wurde sie mitten in der Nacht aus ihrem Versteck geholt und in einem Viehwaggon nach Polen gebracht. Als sie vor 13 Jahren starb, fand ich in ihrem Nachlass ein Kuvert mit der Aufschrift »Lily 1944«. Es enthielt ein Stück Pappe, auf das sie Anfang 1944 mit abgebrannten Streichhölzern eine Botschaft an ihre Eltern geschrieben hatte: »Liebe Mami, lieber Papi, eure kleine Lily weiß nicht, wohin man sie bringt, aber sie geht mit einem Lächeln.« Das erklärt, wer ich bin: Nicht die Tochter eines Nazi-Opfers, sondern einer Frau, die mit einem Lächeln ins KZ ging.

Was wurde aus Ihrer Mutter?
Sie war 14 Monate lang Zwangsarbeiterin in verschiedenen KZs, darunter Auschwitz-Birkenau. Als sie mit 21 Jahren von russischen Soldaten aus dem KZ Neustadt-Glewe befreit wurde, wog sie nur noch 49 Pfund. Obwohl die Ärzte ihr sagten, eine Schwangerschaft bedeute ihren Tod, brachte sie mich am 31. Dezember 1946 zur Welt. Wenn ich Geburtstag hatte, schickte sie mir jedes Mal die gleiche Karte: »Gott hat mein Leben verschont, damit ich Dir Deines schenke. Du trägst die Fahne der Freiheit.«

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Hat Ihre Mutter über ihr Leben im KZ gesprochen?
Sie wollte keine Schwere in mein Leben bringen, deshalb hat sie geschwiegen. Wenn sie doch einmal von den Lagern erzählte, sprach sie von der Kameradschaft unter den Häftlingen und ihrem dauernden Heißhunger auf Spaghetti. Die eintätowierten Häftlingsnummern auf ihrem Arm ließ sie entfernen, und von dem Wiedergutmachungs-Scheck, den sie vom deutschen Staat bekam, kaufte sie sich einen Pelzmantel.

Welche Ihrer Eigenschaften führen Sie auf Ihre Mutter zurück?
Mein schlechtes Gedächtnis für Schmerz und Leid. Meine Mutter war ein durch und durch positiver Mensch und hatte keinerlei Verständnis für Jammerei. Ihre Lebensphilosophie war, dass man Katastrophen in etwas Positives verwandeln kann – eine Tür schließt sich, eine andere geht auf. Furcht, sagte sie mir immer, ist keine Option. Als ich Angst im Dunk-len hatte, sperrte sie mich in ei-nen Kleiderschrank. Nach ein paar Minuten holte sie mich raus und sagte: »So, jetzt weißt du, dass in der Dunkelheit keine Monster lauern.« Das war schwarze Pädagogik, aber es hat funktioniert.

Die Fotos, die man von Ihnen kennt, zeigen Sie als exotische Schönheit mit rabenschwarzem Haar, Kleopatra-Augen, hohen Wangen und beneidenswerten Beinen. Waren Sie ein hübsches Kind?
Nein. Vielleicht sollte ich sagen: Gott sei Dank nein. In meiner Schule in Brüssel hatten alle blaue Augen und glattes, blondes Haar. Nur mir standen schwarze krisselige Locken vom Kopf ab. Deshalb fühlte ich mich hässlich und unsicher. Heute weiß ich, dass es ein Vorteil ist, wenn sich ein junges Mädchen nicht auf seiner Schönheit ausruhen kann. Ich war streng mit mir und habe mir viel abverlangt. Während sich meine Freundinnen in Bewunderung sonnten, las ich Bücher, um wenigstens ein interessanter Gesprächspartner zu sein. Ich konnte es kaum erwarten, endlich zu den Erwachsenen zu gehören, denn wenn man klein ist, entscheiden immer andere für einen. Meine Lebensziele hießen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Mit 18 lernten Sie Ihren späteren Mann Egon Prinz zu Fürstenberg kennen. Wo sind Sie auf den damals noch ein wenig babygesichtigen Adelsspross gestoßen?
Wir wurden uns in einem Nachtclub vorgestellt. Ich fand ihn ein wenig kindisch, aber seine Unbeholfenheit rührte mich. Liebe wurde es erst drei Jahre später, als wir beide in New York lebten. Sein Tempo nahm einem den Atem. An einem durchschnittlichen Abend besuchte er drei Cocktailpartys, ein Dinner, zwei Bälle und eine Schwulenbar.

Mit 21 waren Sie schwanger.
Egon war in Hongkong, als ich das Testergebnis bekam. In einem Telegramm fragte ich ihn, ob ich abtreiben sollte. Seine Antwort war: »Nein. Organisiere die Hochzeit so schnell wie möglich. Liebe und Küsse.«

Sie entstammen einer gut situierten Mittelschichtsfamilie mit griechisch-russischen Wurzeln. Fand der Fürstenberg-Clan, dass Egon unter Stand heiratete?
Man war nicht glücklich, dass nach 900 Jahren erstmals jüdisches Blut in den Stammbaum kam. Egons Mutter, Clara Agnelli, gehörte zur Eigentümerfamilie von Fiat. Deshalb wurde hinter vorgehaltener Hand gezischelt, ich sei auf ein großes Vermögen und einen Adelstitel aus. Egons Vater, Prinz Tassilo, kam zwar zur Hochzeitszeremonie, dem anschließenden Empfang aber blieb er demonstrativ fern.

Stimmt es, dass Egon seinem Vater als Stimmungsaufheller eine Prostituierte aufs Hotelzimmer schickte?

Ja. Anders wäre er gar nicht erst angereist.

Binnen 13 Monaten brachten Sie zwei Kinder zur Welt und gründeten ohne Vorkenntnisse ein Modelabel, das auf Anhieb Erfolg hatte.
Eine Woche nach den Entbindungen habe ich schon wieder gearbeitet. Mit 24 Mutter von zwei Kindern zu sein war mir nicht genug. In mir brannte ein Feuer. Ich wollte Egons Familie beweisen, dass ich keine Schmarotzerin bin. In den ersten Monaten war ich meine einzige Angestellte, die Kleider lagerten im Esszimmer unseres Apartments.

Hat Ihr Prinz-Gemahl Ihre Firmengründung finanziert?
Nein. Ich hasse nichts mehr, als einen Mann um Geld zu bitten. Als ich eines Tages die Rechnungen nicht bezahlen konnte, habe ich den Diamantring versetzt, den Egon mir zur Geburt unserer Tochter geschenkt hatte. Man kann mit einem Mann nur glücklich sein, wenn man ihn verlassen und für sich selbst sorgen kann.

Sie trugen damals meist Hotpants und High Heels. Die Mode, die Sie verkauften, war konservativer.
Mode für elitäre Frauen gab es bereits genug. Ich entwarf praktische, preiswerte Jerseykleider für jeden Tag, waschbar und bügelfrei, aber trotzdem feminin und sexy.

»Ich betrat das Studio 54 wie ein Cowboy einen Saloon.«


Ihr eigenes bestes Model
Fürstenberg in einem ihrer typischen Tupfenmuster, 1976 in ihrem Showroom an der New Yorker Seventh Avenue.

Der amerikanische Modedesigner Halston sagte einmal über Sie: »Sie hätte ihren Weg auch dann gemacht, wenn ihr Name Diane Schmaltz gewesen wäre.« Teilen Sie diese Einschätzung?
Egon gab mir den Titel, eine Million Kontakte und stellte mich der Vogue-Chefredakteurin Diana Vreeland vor. Ich sehe aber keinen Grund, ihn dafür verantwortlich zu machen, dass ich mit 28 Jahren 60 Millionen Dollar Umsatz machte.

1976 waren Sie auf dem Cover von Newsweek. Auf dem Foto trugen Sie Ihre bis heute berühmteste Kreation: ein Wickelkleid für 75 Dollar, das heute in jedem Modemuseum hängt. Wie entstand Ihr Einfall?
Beim Fernsehen. Als ich sah, dass Richard Nixons Tochter Julie eine Wickelbluse und einen Rock von mir trug, dachte ich: Warum machst du aus zwei Teilen nicht eines? Die Umsätze gingen durch die Decke. Ich verkaufte bis zu 25 000 Wickelkleider pro Woche und hatte auf einmal hundert Mitarbeiter. Hausfrauen in den Vorstädten trugen mein Kleid ebenso selbstverständlich wie die Schauspieletin Candice Bergen oder die Bürgerrechtlerin Angela Davis.

Sie führten ein Jetset-Leben zwischen Cortina d’Ampezzo, der Costa Smeralda, Fire Island und Ihrem Apartment in der New Yorker Park Avenue. Zu Ihren Abendgesellschaften erschienen Jack Nicholson, Dino De Laurentiis, Paloma Picasso, Andy Warhol, Loulou de la Falaise und Marisa Berenson.

Der Glitzerglanz eines Adelstitels reizte die Fantasie der New Yorker Gesellschaft. Ich war ein bestauntes Unikat, denn eine Jetset-Prinzessin, die jeden Morgen zur Arbeit geht und ihr eigenes Geld verdient, das gab es bis dahin nicht.

Warum scheiterte Ihre Ehe nach dreieinhalb Jahren?
Der Auslöser war eine Titelgeschichte im Magazin New York. Auf dem Cover hieß es: »Das Paar, das alles hat. Ist alles genug?« Der Ton der Geschichte war unnötig gehässig, aber der Inhalt stimmte. Erstmals sah ich meine Ehe mit fremden Augen, und der Anblick schockierte mich.

Sie sagten dem Reporter: »Leidenschaft in einer Ehe verpufft nach einer Weile. Finden Sie es aufregend, wenn Ihre linke Hand Ihre rechte Hand berührt?«
Egon gab öffentlich zu, Affären zu haben, und ich war nicht besser. Plötzlich kam mir unsere Ehe oberflächlich und abgeschmackt vor. Als Egon überlegte auszuziehen, bestärkte ich ihn. Mit 26 stand ich plötzlich als alleinerziehende, berufstätige Mutter da, aber endlich war ich die unabhängige Frau, die ich seit meinen Kindertagen sein wollte.

Was kostete Egon die Scheidung?
Nicht einen Dollar. Ich verachte Frauen, die Alimente kassieren, obwohl sie sie nicht brauchen. Als Zeichen meiner Unabhängigkeit schenkte ich mir zum Geburtstag eine 200 Jahre alte Farm mit 23 Hektar Land in Connecticut. Zu meinem 30. Geburtstag schenkte ich mir ein 16-Zimmer-Apartment mit Blick auf den Central Park.

Als Steve Rubell und Ian Schrager 1977 das »Studio 54« eröffneten, zählten Sie zu den ersten Gästen. Wie wirkte der Club auf Sie?
Eine Woche nach Eröffnung bat Halston, den Club ausnahms-weise an einem Montagabend zu öffnen, um Bianca Jagger an ihrem 27. Geburtstag mit einer Party zu überraschen. Als Bianca vor den Augen von Truman Capote, Liza Minelli und Andy Warhol in ihrem Abendkleid ein weißes Pferd bestieg, war mir klar, der Laden wird berühmt. Dass er nach ein paar Wochen zum besten Aufrissort der Welt wurde, lag vor allem an der Einlasspolitik. Am Eingang mit einem 50-Dollar-Schein zu wedeln war zwecklos. Die Türsteher ließen nur Prominente und glamouröse Nobodys rein.

Sie wurden dort Dauergast. Wie vertrug sich das mit Ihren Verpflichtungen als Mutter und Firmenchefin?
Nach dem Abendessen mit meinen Kindern telefonierte ich bis Mitternacht mit Geschäftspartnern in Kalifornien und Asien. Dann zog ich mir Cowboystiefel an, fuhr mit meinem Mercedes in eine Parkgarage in Midtown und betrat den Club wie ein Cowboy einen Saloon. Ich holte mir ein Bier und zog meine Runden. Zwei Stunden später fuhr ich zu meinen Kindern zurück.

Die Tanzfläche des Clubs war mit einem Kokainlöffel dekoriert. Waren Sie Kokserin?

Nein. Ich habe viele Jahre Marihuana geraucht, aber im Vergleich zu meinen Freunden war mein Konsum moderat. Zu beichten hätte ich höchstens, dass ich öfter mal stoned mit dem Auto vom Club nach Hause gefahren bin.

Im New Yorker Nachtleben hatten Sie den Beinamen »Diane the Huntress«.
Meinen Beinamen hatte ich mir verdient. Ich wollte ein Männerleben in einem Frauenkörper – und Männer jagen nun mal. Es kickte mich, die traditionellen Geschlechterrollen auf den Kopf zu stellen. Sie als Mann wissen doch, dass zwei Stunden ausreichen, um sich in einem Club jemanden fürs Bett auszusuchen.

Ende der Siebziger waren Sie mit dem Schauspieler Richard Gere liiert. 1980 schrieben Sie bei einem Strandspaziergang auf Bali um fünf Uhr morgens mit großen Buchstaben »Vergiss Richard« in den Sand. Warum?
Richard war eine Obsession für mich geworden. Ich fühlte mich abhängig von ihm, und da ich es hasse, die Kontrolle zu verlieren, habe ich ihn aus meinem Leben exorziert.

Galionsfigur der tragbaren Mode: 1976 zeigte das Magazin Newsweek Diane von Fürstenberg auf dem Titelbild und nannte sie die »markttauglichste Designerin seit Coco Chanel«.

»Heute sage ich mir, ich bin im Frühherbst meines Lebens.«

In bester Gesellschaft 1971 mit der legendären Vogue-Chefredakteurin Diana Vreeland (Mitte). Deren Empfehlungsschreiben öffnete der unbekannten Jungdesignerin alle New Yorker Türen.

Haben Sie je Liebesschmerz empfunden, von dem Sie dachten, er bringt Sie um?
Ich habe gelitten, mich abgewiesen und mies behandelt gefühlt. Ich habe es aber nie zugelassen, dass ein Mann mein Herz bricht.

1977 stand Ihre Firma plötzlich vor dem Bankrott. Was war schiefgelaufen?
Von Ende der Siebziger bis Ende der Achtziger war ich eine miserable Geschäftsfrau. Ich vergab wahllos Lizenzen für alles Mögliche, ob Koffer, Schuhe, Modeschmuck oder Bettwäsche. Die Qualität und der Look der Produkte waren oft minderwertig. Mein Parfüm »Tatiana« zum Beispiel hatte eine Farbe wie Nagellackentferner. Das Image meines Namens wurde trashy, und das ist in der Mode die Todsünde Nummer eins. Ein Modedesigner verkauft Selbstbewusstsein. Das funktioniert aber nicht, wenn die Käufer auf Sie herabblicken.

Zum Niedergang Ihrer Geschäfte kam eine private Kehrtwende. Sie wurden die Muse eines brasilianischen Barfußkünstlers, dann zogen Sie mit dem italienischen Schriftsteller Alain Elkann für fünf Jahre nach Paris.
Die erste Zeit mit Alain habe ich sehr genossen. Ich gründete einen Verlag und einen literarischen Salon, in dem Köpfe wie Alberto Moravia und Bret Easton Ellis verkehrten. Das Problem war, dass Alain es peinlich war, wie ich mich kleidete. Zu grell, zu aufgedonnert, sagte er. Ihm zuliebe begann ich Tweedröcke und flache Schuhe zu tragen und bald sah ich aus wie eine Lehrerin.

Ihr Freund – er war mit Gianni Agnellis Tochter verheiratet und ist Vater der Fiat-Erben Lapo und John Elkann – betrog Sie.
Ich hatte diese Quittung verdient. Ich erlebte, was alle Frauen erleben, die ihre Persönlichkeit zugunsten eines Mannes aufgeben: Sie werden als unsexy beiseite geschoben. Als ich endlich so war, wie Alain mich haben wollte, fand er mich nicht mehr begehrenswert und begann eine Affäre mit einer meiner Freundinnen. Als mir 1989 ein Zahn gezogen werden musste, sagte ich mir: Mit diesem Zahn entfernst du auch Alain. Bei meiner Rückkehr nach New York habe ich die Stadt kaum wiedererkannt. Ivana Trump war die Frau der Stunde, Gier war eine Tugend geworden, und Donna Karan hatte meinen Platz eingenommen. Ich musste mir eingestehen, ein irrelevante Figur von gestern zu sein. Für einen kompetitiven Menschen wie mich war das äußerst schmerzhaft.

Ihr Wiederaufstieg verdankt sich einer schönen Pointe: Sie, die divenhafte Jetset-Prinzessin mit französischem Akzent, wurden Pionierin im Teleshopping.
Als ich in die Studios des Senders QVC kam, um mir ein Bild von diesem Business zu machen, verkaufte eine Soap-Darstellerin vor den Kameras gerade Haarpflegeprodukte. In weniger als 60 Minuten machte sie 600 000 Dollar Umsatz. Das war ein schlagendes Argument, es selber zu probieren. Bei meinem Debüt im November 1992 war meine Kollektion sofort ausverkauft. In zwei Stunden hatte ich 1,3 Millionen Dollar umgesetzt. Bei einer Folgesendung verkaufte ich 2000 Seidenhosen in weniger als zwei Minuten. Dieser Thrill gab mir mein Selbstvertrauen zurück.

Ende der Neunziger verkauften Sie wieder Luxusmode.
Als ich merkte, dass junge, moderne Frauen wie Gwyneth Paltrow und Uma Thurman in Vintage-Läden horrende Summen für meine alten Wickelkleider zahlten, gründete ich meine Firma 1997 neu. Ich war die Frau, die fallengelassen wurde, um dann von den Töchtern ihrer ersten Kundinnen wiederentdeckt zu werden.

Die große Konstante Ihres Lebens ist der milliardenschwere Medientycoon Barry Diller, früher Boss von Fox und Besitzer einer hundert Millionen Dollar teuren Segelyacht.
Als wir uns 1975 ineinander verliebten, war Barry gerade mit 33 Jahren Boss des Filmstudios Paramount geworden. Er chauffierte mich mit seinem gelben Jaguar E vom Flughafen zu seiner Villa in Beverly Hills. Hinter uns fuhr eine Limousine mit meinem Gepäck. An meinem 29. Geburtstag übereichte er mir eine Heftpflasterschachtel. Als ich sie öffnete, funkelten mir 29 lose Diamanten entgegen. Später gab es andere Männer in meinem Leben, aber das hat Barrys Liebe nicht kleiner gemacht. Auch als wir schon 20 Jahre kein Paar mehr waren, haben wir immer noch fünf bis sechs Mal am Tag telefoniert und sind zusammen verreist. Es gab bis heute keine Sekunde, in der er nicht für mich da war.

Sie sagen, Sie seien nicht für eine Ehe gemacht. Warum haben Sie Diller 2001 geheiratet?
Weil er 26 Jahre lang auf mich gewartet hat. Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich Barry heiraten will, sagte sie: »Er verdient es.« Und das tat er wirklich.

Dennoch dauerte es ein Jahr, bis Ihnen die Formulierung »mein Mann« über die Lippen kam.
Dass eine Ehe nicht meinem Wesenskern entspricht, mag daran liegen, dass sich meine Eltern getrennt haben, als ich 13 war. Ich ging auf Internate in England und der Schweiz und war auf mich allein gestellt. Mit dieser Prägung hält man es gut allein aus. Barry hat sein Leben, ich meines. Ich kenne drei Voraussetzungen für funktionierende Beziehungen: Man muss den Respekt für einander wahren, sich Raum geben und alles sein lassen, was einen für Dritte erpressbar macht. Ich habe Barry nie einen Mann verschwiegen, mit dem ich etwas hatte.

Sie führen seit Ihrer Jugend Tagebuch. Werden Sie die Aufzeichnungen über Ihre Jahre als »Diane the Huntress« veröffentlichen?
Mein Agent Andrew Wylie drängt mich dazu, aber ich werde die Entscheidung meinen Kindern überlassen. Mein Eindruck ist, dass nur meine frühen Eintragungen lesenswert sind. Man lernt, dass Schmerz und Frustration Treibstoff einer Karriere sein können. Ohne frühes Leid geht Ihnen irgendwann der Sprit aus. Die Notizen aus den letzten 20 Jahren sind wohl nur für mich von Belang. Je ausgesöhnter der Geisteszustand, desto langweiliger die Tagebücher.

Sie sind 66 Jahre alt. Wie denken Sie über plastische Chirurgie?
Schauen Sie sich die tiefen Falten in meinem Gesicht an. Ich sehe vielleicht noch nicht aus wie Louise Bourgeois, aber ich kann nicht vortäuschen, auch nur eine halbe Stunde jünger zu sein, als ich bin. Vor einiger Zeit habe ich mir beim Skifahren das Gesicht verletzt. Meine Freundinnen sagten: »Diane, dies ist der ideale Moment, dein Gesicht glätten zu lassen. So hätte dein Unfall wenigstens etwas Gutes.« Hätte ich den Rat befolgt, würde ich jetzt wie eine 66-Jährige aussehen, die auf 55 macht. Würde Sie das antörnen? Falten sind Souvenirs, der Beweis, dass man überlebt hat. Deshalb sollte man jede einzelne willkommen heißen. Natürlich hat das Alter seine bösen Momente, wenn man sich eingestehen muss, dass Gedächtnis und Sehkraft nachlassen und die Knie schrumpelig werden. Aber die Alternative wäre, tot zu sein. 1994 bekam ich Zungenkrebs und musste acht Wochen lang bestrahlt werden. Wenn man mit 47 Jahren plötzlich in Todesgefahr ist, ändert sich die Perspektive aufs Leben. Aus »Mein Gott, du bist schon 47!« wird »Mein Gott, du bist erst 47!« Heute sage ich mir, ich bin im Frühherbst meines Lebens.

Ihre Person ist der Kern Ihres Markenimages. Was wird passieren …
… wenn ich am Ende dieses Gesprächs tot vom Stuhl kippe, meinen Sie? Ich bin dabei, meine Firma für diesen Fall vorzubereiten. Die Marke Diane von Fürstenberg soll nicht länger von mir han-deln, sondern von den Werten, die ich repräsentiere. Und die lauten in einem Satz zusammengefasst: Eine Frau kann ein Männerleben führen und dabei eine Frau bleiben – feiert diese Freiheit!

Wenn Sie auf Ihr Leben zurückschauen, was war Ihr größter Triumph?
Etwas, was Sie vielleicht wenig beeindrucken wird. Als Barack Obama Präsident wurde, verschickte seine Frau zu Weihnachten eine offizielle Grußkarte. Auf dem Foto trug sie das erste Kleid, das ich in meinem Leben entworfen habe. Mit 22 hatte ich es selber getragen, mit 62 habe ich es neu aufgelegt. Ich sagte mir: Erst warst du eine Jetset-Prinzessin, die Aufstieg und Fall ihres Modelabels verantwortet hat, dann ein Comeback-Kid, und jetzt trägt die First Lady dein erstes Kleid. Deine Mutter wäre in diesem Augenblick sehr, sehr stolz auf dich.

Die einstige Partyqueen gibt inzwischen selbst die bes-ten Empfänge: mit der TV-Moderatorin Oprah Winfrey bei den DVF Awards, mit denen jedes Jahr sozial engagierte Frauen ausgezeichnet werden.

(Fotos: DVF, Burt Glimm/ Magnum Photos/ Agentur Focus)

Foto: Martin Schoeller