AC/D

Die größte Rockband der Welt spielt wieder in deutschen Fußballstadien. Dass einer fehlt, wird man erst jetzt richtig merken.

Herrje, was für ein trauriges Bild. Da sind nicht mal leidende Menschen zu sehen, kein Unglück, nichts von dem, was die Welt zurzeit beutelt. Und trotzdem. Zwei Gitarren und ein Verstärker. Alles ziemlich gebraucht. Auf diesen alten Dingern haben die Brüder Malcolm und Angus Young vierzig Jahre lang Musik gemacht. Große Musik. Wilde Musik. Universelle Musik. Das Traurige: Die linke Gitarre wird nie mehr von dem Mann gespielt werden, der sie spielen sollte.

Im Mai tritt die Band AC/DC zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder in deutschen Fußballstadien auf. Erst dann wird man richtig erkennen: Da hinten links auf der Bühne, da fehlt einer. Da müsste dieser kleine Mann mit den langen Haaren stehen. Steht er aber nicht. Malcolm Young, der Gründer und Chef der Band, sitzt in einem Heim in Sydney. Dement. Mit 62 Jahren.

Seine Krankheit wurde schon im vergangenen Jahr bekannt, als die Band ihr Album Rock Or Bust ankündigte. Sie hatte es ohne ihn aufgenommen, bei den Aufnahmen und auf der Bühne wird er jetzt von seinem Neffen Stevie Young ersetzt. In der CD-Hülle: das Bild. Und was soll einen daran umhauen? Sind doch nur zwei Gitarren? Aber genau das ist es ja: eine Gibson SG (das ist die rechte Gitarre, gespielt seit Jahrzehnten von Angus) und eine Gretsch Jet Firebird (links, gespielt von Malcolm). Dazu ein Marshall-Verstärker. Die Essenz. Es predigt ja keine andere Band den – Klischee, aber nun mal wahr – reinen Rock ’n’ Roll so konsequent wie AC/DC. Sie betreiben die Musik wie ein Handwerk. Das kann man lächerlich oder bewundernswert finden, irgendwie war es immer beides. Und Wucht hatte es, meine Güte, so eine Wucht. Man darf über Angus Youngs Schuluniform lachen, man muss es sogar, aber sobald die Brüder einen Akkord in den Raum stellten, verstummte jedes Gelächter. Wer laut ist, hat manchmal eben doch recht. Rock ’n’ Roll als Arbeit: Auf dem Bild sind nur die Werkzeuge zu sehen. Keine Lightshow, keine Bühnenkulissen, kein Brimborium. Nur das, worum es geht.

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Und warum soll es jetzt gerade bei dieser Band so bedeutend sein, dass ein Musiker ausfällt? Sind bei denen nicht schon alle möglichen Typen rausgeschmissen worden, ausgestiegen, gestorben? Ja. Bei AC/DC ging es immer ums Weitermachen. Ihren größten Erfolg feierte die Band mit dem Album Back In Black, nachdem ihr erster Sänger Bon Scott gestorben war. AC/DC, das ist die Band für das große Trotzdem. Seit vielen Jahren hält sich das Gerücht, sie sei stets dann besonders erfolgreich, wenn gerade eine Rezession herrscht. Und selbst wenn das nicht stimmen sollte, es passt. Da mögen Hochhäuser einstürzen und Wirtschaftssysteme zusammenbrechen – solange AC/DC die immer gleichen Grundakkorde runterdonnern, ist alles in Ordnung.

Andere Gitarristen benutzen Effektgeräte und alle möglichen Gerätschaften, um den Klang zu verbessern. Bei AC/DC galt immer die Regel: Gitarre in den Marshall-Verstärker - und dann einfach so laut machen, wie es geht.(Foto: Josh Cheuse)

Angus Young, das ist dabei seit vierzig Jahren die Rampensau, der Mann, der jedes Solo spielt. Fans wissen, dass sein Bruder den Sound der Band erfunden hat, dieses schonungslose, harte Ding, das man Rock nennt und das im Grunde nichts anderes ist als alte Chuck-Berry-Songs, so laut wie möglich. Angus Young hat manchmal ein paar Worte verloren über die telepathische Verbindung zwischen ihm und seinem älteren Bruder, oft betonte er, Malcolm sei der bessere Gitarrist und habe ihm nur die großen Auftritte übertragen, um sich selbst in Ruhe drum kümmern zu können, dass der Motor läuft. Und läuft. Und läuft.

Jetzt ist Angus Young das letzte verbliebene Gründungsmitglied. Indirekt sei sein Bruder sogar an der Entstehung der neuen AC/DC-Songs noch beteiligt gewesen: Er, Angus, habe ihn immer wieder im Heim besucht und ihm Riffs vorgespielt. Wenn Malcolm sie gut fand, merkte sie Angus sich für später. Am nächsten Tag konnte sich Malcolm an keins davon erinnern.

AC/DC treten wieder live auf. Sie werden vor Hunderttausenden von Menschen stehen und gigantische Mengen von Geld umsetzen, sie werden all ihre Hits spielen, und nach den Konzerten werden die Menschen aus den Stadien strömen, zur U-Bahn, und noch viele Stationen lang You Shook Me All Night Long oder Whole Lotta Rosie vor sich hin summen. Und irgendwo in Sydney, am anderen Ende der Welt sitzt ein Mann, schaut ins Leere und weiß von all dem nichts.