Und wieder mal hat Pharrell Williams den Soundtrack unseres Sommers geschrieben: erst »Get Lucky« mit Daft Punk, jetzt »Blurred Lines« mit Robin Thicke. Es ist wie ein Wunder, der Typ schnalzt mit der Zunge, singt »Yeah«, und die halbe Welt kriegt gute Laune. Als er erfährt, dass wir von München nach Los Angeles geflogen sind, um mit ihm zu sprechen, sagt er: »Thank you, that’s incredibly nice of you«, nimmt einen Schluck Red Bull und – los geht’s:
SZ-Magazin: Sie sind in diesem Jahr 40 geworden. Was für ein Geschenk haben Sie von Ihren Eltern bekommen?
Pharrell Williams: Das wollen Sie jetzt nicht wirklich wissen, oder? Das ist so uninteressant. Andere Leute erzählen: Hey, von dem habe ich dies und von dem das und von dem ein echt cooles Auto bekommen. Mir ist das zu oberflächlich. Meiner Freundin schreibe ich ständig kleine Nachrichten auf Zettel oder bringe ihr Schoko-Erdbeeren mit. Glauben Sie mir, es muss nicht immer ein Apartment sein.
Ihren 30. Geburtstag haben Sie zusammen mit Snoop Dog und zwölf brasilianischen Models auf einer Yacht verbracht …
War das echt der dreißigste? Oh ja, ich erinnere mich.
Ging es diesmal etwas reifer zu?
Ich habe in Miami gefeiert, zusammen mit Menschen, die ich mag und die mir wichtig sind. Klar sind da ein paar Promis dabei, aber eben auch meine Eltern und Kumpels von früher.
An Ihrem Geburtstag haben Sie ein Zitat von Franz Kafka getwittert: »Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.« Auch wenn es hart klingt, die erste Hälfte des Lebens ist vorbei. Wenn Sie eine Sache ändern könnten, welche wäre es?
Ich würde nichts ändern.
Weil alles perfekt ist?
Nein, aber ich bin einverstanden mit den Karten, die mir der liebe Gott in die Hand gedrückt hat, und jetzt spiele ich mit ihnen.
Haben Sie eine Botschaft?
Nein, aber wenn Sie unbedingt eine hören wollen, dann, dass jeder alles schaffen kann. Ich nenne es »can do«. Wenn nicht jeder dieses Potenzial in sich trüge, hätte das Wort »Menschheit« keinen Sinn. Verstehen Sie, was ich meine?
Geht so.
Okay, ich sage es anders: Der Grund, warum es Bienen gibt, ist der, dass alle Bienen dazu beitragen, ihre Art zu erhalten. Wenn nicht jede Biene jeden Tag das macht, was sie am besten kann, also sich um die Königin kümmern, Honig produzieren, ausschwärmen, geht der ganze Stock zugrunde. Und genauso ist es bei uns Menschen. Wir müssen unseren Job tun. Und meine Aufgabe ist es, dir auf die Schulter zu klopfen und dich daran zu erinnern: Hey, du bist eine Biene. Mach, was du am besten kannst.
Werden Menschen langweiliger, wenn sie älter werden?
Wie meinen Sie das?
Sie wissen schon, die Kinder, der Stress, der Job, die Altersvorsorge …
Sorry, aber ich orientiere mich an Menschen, die in ihrer Arbeit aufgehen, die nie aufhören, Neues zu erschaffen. Stanley Kubrick starb mitten in der Arbeit an Eyes Wide Shut. Phänomenaler Film übrigens. Oder kennen Sie den Biochemiker und Science-Fiction-Autor Isaac Asimov? Unglaublicher Typ. Oder Albert Einstein. Das sind Menschen, zu denen ich aufschaue. Glauben Sie mir, wer neugierig und leidenschaftlich ist, wird nie allein sein, egal wie abseitig sein Interesse ist.
Haben Sie nur intellektuelle Vorbilder?
Aber nein. Ich finde auch Brad Pitt toll.
Seine Art zu spielen, seinen Stil, seinen Charakter?
Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Art, wie sich jemand anzieht, und der Art, wie er lebt und denkt. Stil hat nichts mit Mode zu tun, obwohl ich zugeben muss, dass ein paar der miesesten Typen aller Zeiten unglaublich gut angezogen waren.
Zum Beispiel?
Sie wissen genau, wen ich meine: Böser Typ. Unfassbarer Style. Aber darauf kommt es nicht an, sondern auf die Haltung und die Intention. Und bei Brad Pitt oder Johnny Depp ist es so, dass die äußere Erscheinung den Charakter spiegelt.
Brad Pitt zieht sich an wie ein Abenteurer.
Weil er einer ist. Und Johnny Depp ist ein Querdenker, ein Einzelkämpfer, sehr unkonventionell, ein bisschen wie ein Zigeuner draußen vor der Stadt. In Fluch der Karibik trägt er diesen fetten Goldzahn. Und was macht der Typ, obwohl der Film längst fertig ist? Er lässt ihn drin, und es sieht auch noch cool aus.
Bisher haben Sie nur Männer aufgezählt.
Es gibt auch Frauen, Meryl Streep oder Angelina Jolie. Denen sieht man sofort an, dass sie aufrichtig und stark sind.
Ist es möglich, ohne Geld fantastisch auszusehen?
Natürlich. Diese Typen, die mit der Vespa durch Paris düsen, tragen eine Jeans und ein altes Hemd und sehen so lässig aus, dass sie locker ein Date mit einer höheren Tochter kriegen können. Egal, wie teuer man sich anzieht, man kann seine Herkunft und seine Persönlichkeit nie verleugnen, also sollte man es erst gar nicht versuchen. Gutes Aussehen hilft, vergeht aber, dann kommen die Falten, die Haare werden grau, und der Kern deines Wesens kommt gnadenlos zum Vorschein.
Was vermeiden Sie heute, was Sie vor zehn Jahren regelmäßig gemacht haben?
Da fällt mir nichts ein, sorry. Wenn mich etwas nicht mehr interessiert, lasse ich es hinter mir und denke nicht mehr drüber nach, das raubt nur Energie. Wenn dich Dinge aus deiner Vergangenheit immer noch beschäftigen, bist du sie nie richtig losgeworden.
Sie haben mal zugegeben, dass Sie kein Sozialleben haben. Ist das nicht traurig?
Kommt drauf an. Ich habe nicht das Sozialleben eines Büroangestellten, der über den Chef schimpft und seinen Kollegen erzählt, dass der Kaffeeautomat kaputt ist. Aber ich bin mit Leuten im Studio, wir machen Musik, wir arbeiten, das ist cool.
Vermissen Sie manchmal den Alltag eines Angestellten?
Im Sinne von »Hey, Fred, hast du Lust auf ein Bier und Grillen heute Abend, Lisa ist mit den Kinder in der Mall?« Das ist nicht mein Leben, und nein, ich vermisse es auch nicht.
Was ist der billigste Gegenstand, den Sie besitzen?
Strohhalme. Ich trinke alles mit Strohhalmen. Und zwar mit den gleichen wie Sie, aus Plastik, ich habe keinen goldenen Strohhalm, wenn Sie das meinen.
Dafür einen goldenen Karabinerhaken an der Hose.
Stimmt, aber den habe ich seit zehn Jahren.
Sie müssen sich nicht rechtfertigen.
Ich weiß, aber die Wahrheit ist, es gibt so viel Schmuck und so viele Leute, die ihn tragen, ich will da nicht mehr so mitmachen.
Ihre Tätowierungen wollen Sie wohl auch loswerden, die sehen ziemlich blass aus.
Ja, ich lasse sie gerade wegmachen, aber nur die an den Armen.
Fühlen Sie sich zu alt für Tätowierungen?
Nein, ich will Platz für neue schaffen, weil ich die alten nicht mehr mag. Bisher hatte ich drei Sitzungen, aber ich zögere jeden Termin wochenlang raus, weil es so verflixt wehtut.
Haben Sie manchmal Angst, dass sich niemand traut, Ihnen ehrlich die Meinung zu sagen?
Bestimmt nicht. Ich werde ständig kritisiert. Sehen Sie nicht die Pfeile, die sich von allen Seiten in meinen Körper bohren?
Aber das sind Pfeile von Kritikern.
Haben Sie eine Ahnung. Die kommen von meinen Eltern und meinen Kumpels und tun ganz schön weh, aber das ist gut so, weil man sonst den Sinn für die Realität verliert, also keine Sorge, ich lebe zu hundert Prozent in der Realität.
Aber Sie nehmen nie den Bus und wohnen nie im Drei-Sterne-Hotel.
Könnte ich alles machen, aber wenn ich den Bus nehme, verpasse ich die Hälfte meiner Termine. Glauben Sie mir, ich komme aus der Vorstadt, und zwar aus dem ärmeren Teil. Ich brauche keinen Bus, um ein normaler Mensch zu sein.
Können Sie gut allein sein?
Nein. Es macht keinen Spaß.
Glauben Sie nicht, dass es wichtig ist, ab und zu allein zu sein?
Ich bin jeden Abend allein, wenn ich im Bett liege.
Liegt nie jemand neben Ihnen?
Doch, aber wenn man schläft, ist es egal, ob jemand neben einem liegt. Man ist in seiner eigenen Welt, das Bewusstsein geht auf Reisen, man träumt, und das jede Nacht sechs, sieben Stunden lang. Glauben Sie mir, ich schalte nie ab, auch jetzt nicht, ich kann herrlich grübeln, wenn Menschen neben mir sitzen. Sie wissen doch, wie das ist, man unterhält sich und auf einmal hat man eine Eingebung und ist ganz woanders.
So, und jetzt dürfen Sie sich was für die nächsten 40 Jahre wünschen.
Okay, ich wünsche mir, dass unsere Regierung endlich kapiert, dass Kinder nicht nur Wirtschaft und Mathe im Leben brauchen. Ich wünsche mir, dass in den Schulen Musik, Literatur und Kunst eine größere Rolle spielen. Ohne Architektur gäbe es keine schönen Häuser, ohne Musik keinen Soundtrack unseres Sommers, an den wir uns immer erinnern werden. Es ist die Kunst, die uns Menschen glücklich macht.
Für sich selbst haben Sie keinen Wunsch?
Nein, ich habe alles, was ich brauche. Ich mache einfach weiter.
PHARRELL WILLIAMS
ist als Schmuck-, Möbel- und Modedesigner ziemlich, als Sänger sehr und als Musikproduzent wahnsinnig erfolgreich. Zusammen mit seinem Schulfreund Chad Hugo (The Neptunes) hat er für Madonna, Snoop Dogg, Beyoncé, Justin Timberlake, Britney Spears, Jay-Z, Daft Punk und viele andere Stars gearbeitet. Er war 19 Mal für einen Grammy nominiert und hat ihn viermal gewonnen. Williams ist mit dem Model Helen Lasichanh verlobt. Auch in deren Beruf steigt Pharrell Williams jetzt ein: als Gesicht für Moncler.
Foto: David Black