SZ-Magazin: Frau Estefan, Sie sind in Kuba geboren, leben aber seit fünfzig Jahren in Miami. Warum?
Gloria Estefan: Als ich gerade 16 Monate alt war, mussten meine Eltern das Land verlassen. Mein Vater hat als Leibwächter für die Frau des Diktators Fulgencio Batista gearbeitet, das war der Mann, gegen den Castro Revolution machte. Also musste mein Vater samt Familie raus aus dem Land.
Bekamen danach Verwandte, die in Kuba blieben, Schwierigkeiten? Bis 1979 lebte mein Schwager José noch dort. Den haben sie mit allen möglichen Schikanen gequält, nur ein Ausreisevisum haben sie ihm 14 Jahre lang nicht gegeben! Als die Repressalien immer schlimmer wurden, musste er sich mit seiner Familie verstecken, bis wir sie dann alle mithilfe von Bestechungsgeldern nach Miami holen konnten. Jetzt rechnet die Welt damit, dass Fidel Castro jeden Moment stirbt. Und mit ihm sein System. Auf den jüngsten Fotos sieht er aus wie ein Alien, schon nicht mehr von dieser Welt.
Wollen Sie nach Kuba reisen? Ich war dort so lange Persona non grata, ich werde mich etwas gedulden müssen. Castros Truppe hasst mich, weil ich meine Bekanntheit in den USA immer genutzt habe, um offen zu sagen, was ich von ihm halte. Mir wurde jahrelang ganz offen gesagt, ich solle auf der Insel nicht auftauchen.
Was passiert, wenn Castro stirbt? Wie wird sich das Land verändern?Es wird hart. Es gibt so viel böses Blut, so viel Misstrauen. Allein die alten KGB-Leute in jedem Viertel, in jedem Dorf, die gegenseitige Beobachtung über Jahrzehnte. Wie sollen die Menschen einander vergeben? Das war ja vor 15 Jahren bei Ihnen in Deutschland ähnlich, als die Mauer fiel. Deutschland ist
heute noch damit beschäftigt, nicht wahr?
Absolut. Worauf müssen die Kubaner jetzt vor allem achten? Die erste Frage ist: Wenn die Ausreise leichter wird, wollen dann alle Kubaner sofort in die USA auswandern? Oder kann man Kuba irgendwie stärken und für seine Bewohner so attraktiv machen, dass sie dableiben und das Land in die Zukunft führen?