Da Sigmar Gabriel mit Rückenschmerzen im Krankenhaus lag, verpasste er Mitte Januar einen Termin der angenehmeren Art: die Vorstellung des Umweltwirtschaftsberichts 2009. Erstmals hatten seine Beamten untersucht, wie wichtig die Umweltbranche für die deutsche Wirtschaft geworden ist. Die Kernaussage findet sich bereits im Vorwort des Dokuments, und Sigmar Gabriel muss sich in seinem Krankenbett mächtig geärgert haben, dass er diesen Satz nicht in alle Fernsehmikrofone sagen konnte: »Die Umweltbranche in Deutschland boomt.«
Auf 150 Seiten dokumentieren die Beamten eine Erfolgsstory, die in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte ohne Beispiel ist. Ob es um erneuerbare Energien geht, um Wasserwirtschaft, Energieeffizienz oder Recycling – überall gehören deutsche Firmen zur Weltspitze. Die deutsche Umweltbranche beschäftigt 1,8 Millionen Menschen, entwickelt neue Technologien, erwirtschaftet hohe Exporterlöse und ist für mehr als fünf Prozent der deutschen Industriegüterproduktion verantwortlich. Anders als viele traditionelle Branchen, denen die Weltfinanzkrise gerade die Grenzen zeigt, sind die grünen Technologien zudem ein Wachstumsmarkt. »Bis 2020 wird sich der Umsatz der Umweltindustrien mehr als verdoppeln«, verspricht der Bericht. Es liegt eine gewisse Ironie in dieser Entwicklung, denn lange war der Wirtschaft die Farbe Grün überhaupt nicht geheuer. Das ist nun vorbei. Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, sagte kürzlich im Spiegel: »Generell ist Klimaschutz für die gesamte hiesige Industrie eine Riesenchance, weil wir mit unserem weltweit führenden Know-how beste Exportchancen haben.« Und Ekkehard Schulz, Chef von ThyssenKrupp, prophezeite gar, die Umwelttechnologie könne »bis zum Jahr 2020 die Automobilbranche als Leit-industrie ablösen«.
Warum ist die Umweltbranche ausgerechnet bei uns so stark – und nicht in Frankreich, England oder Japan? Diese Frage wird im Umweltwirtschaftsbericht nur am Rande behandelt. »Die Dynamik der Umweltschutzmärkte ist wesentlich durch staatliche Eingriffe und Anreize geprägt«, heißt es etwas umständlich. Gemeint ist: Die grüne Industrie ist nicht vom Markt, sondern von der Politik groß gemacht worden, mithilfe staatlicher Förderprogramme und Gesetze. Der Bericht nennt zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz, die Ökosteuer und die Verpackungsverordnung. Ohne Eingriffe wie diese hätte es den Umweltboom, über den sich nun alle freuen, nie gegeben.
Diese Gesetze sind nun aber nicht vom Himmel gefallen. Sie wurden teils von wenigen engagierten Akteuren durchgesetzt, oft gegen erheblichen Widerstand. Die Geschichte dieser ökologischen Wirtschaftsrevolution gehört daher zu den spannendsten politischen Vorgängen der letzten Jahrzehnte – und zu den unbekanntesten. Sie steckt voll ungewöhnlicher Allianzen und lässt sich zu wenigen Schlüsselmomenten zurückverfolgen: einem Treffen in der Wartehalle des Flughafens Köln-Bonn Ende der Achtziger, einer SPD-Fraktionssitzung im März 2000. Überzeugungstäter treten auf ebenso wie Hinterbänkler, die eher nebenbei zu Ökopionieren wurden. So ergibt sich ein Lehrstück über die komplexe Kausalität politischer Entscheidungsprozesse – und über die Rolle des Zufalls im politischen Geschäft.
Die Totengräber der Industriegesellschaft
Die Fundamente für den Aufschwung der deutschen Umweltindustrie wurden in den Achtzigern gelegt, als die Grünen auf der Bildfläche erschienen. Allerdings spielte die Wirtschaftspolitik bei ihnen noch keine große Rolle; der Industrie stand die Partei ablehnend gegenüber. »Es war ein Konfliktverhältnis«, sagt Ralf Fücks, seit 1982 bei den Grünen und heute Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung. »Für die meisten Grünen waren die großen Konzerne die Hauptgegner, verantwortlich für Umweltzerstörung und Ausbeutung der Dritten Welt. Umgekehrt wurden wir von Unternehmern bekämpft. Es hieß, wir seien die Totengräber der Industriegesellschaft.«
Nach der Bundestagswahl im März 1983 zogen 27 grüne Abgeordnete in den Bundestag ein. Alle Welt sprach damals vom Waldsterben, und das grüne Häuflein nutzte die Aufregung, um die Regierung Kohl zu weitreichenden Entscheidungen beim Luft- und Gewässerschutz zu treiben: Großfeuerungsanlagenverordnung, Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, Novellierung des Wasserhaushalts- und des Waschmittelgesetzes.
Dessen Vorgeschichte zeigt, welchen Einfluss die grünen Parlamentsneulinge bisweilen entfalten konnten. Anfang der Achtziger trieben Schaumberge den Rhein hinunter, so verschmutzt war der Fluss. Die Grünen brachten im Mai 1984 eine Neufassung des Waschmittelgesetzes ins Parlament ein, in der stand, Waschmittel müssten zu 90 Prozent biologisch abbaubar sein. Das grüne Gesetz wurde natürlich abgeschmettert, doch kurz darauf tauchte ein Regierungsentwurf auf, in dem sich einige der grünen Forderungen wiederfanden.
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Das neue Gesetz schrieb vor, dass Waschmittel keine Phosphate mehr enthalten dürfen. Die Hersteller stöhnten, weil sie ihre Rezepturen ändern mussten. Als andere europäische Länder später ebenfalls phosphatfreie Waschmittel einführten, waren deutsche Firmen jedoch die ersten am Markt. Genauso bei den neuen Vorschriften zum Luft- und Gewässerschutz: Auch hier jammerte die Industrie – und entwickelte dann neue Lösungen zur Rauchgas- und Abwasserreinigung, neue Filter-anlagen und Katalysatoren. Auf vielen dieser Gebiete ist Deutschland bis heute führend.
Ab Mitte der Achtziger studierten die Grünen die Wechselwirkung zwischen Umweltpolitik und Industrie genauer. Damals stritten sie intern über die Frage, ob man grüne Politik besser in der Opposition oder auf der Regierungsbank betreiben solle. Im Dezember 1985 wurde Joschka Fischer Umweltminister in Hessen, doch die erste rot-grüne Koalition hielt nur 14 Monate. Danach waren fast nirgends mehr Grüne an der Macht – außer wenige Umweltdezernenten in einigen Städten. So wurde die Kommunalpolitik zum Testgebiet für grüne Politikstrategien.
Teil dieser überschaubaren Gruppe war Uwe Lahl, der 1986 die Leitung der Umweltverwaltung in Bielefeld übernahm. Schnell geriet er mit den Großbetrieben der Stadt in Konflikt. »Wir haben ambitionierte Grenzwerte für die Einleitung von Abwässern ins Kanalnetz festgelegt«, erzählt Lahl, heute Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium. Wegen der neuen Bestimmungen mussten viele Betriebe Abwasserfilter einbauen. »Die waren teuer«, erklärt Lahl. »Deshalb haben die Firmen zusammen mit unseren Experten überlegt, wie man durch Veränderung des Produktionsprozesses die Schadstoffmenge an der Quelle zurückhalten kann. Die neuen Grenzwerte haben also einen Technologiesprung bewirkt, und es entstanden neue Firmen, die diese Technik angeboten haben.«
Das Gesetz der Hinterbänkler
Geschichten wie diese wurden Ende der Achtziger in der grünen Bewegung genau studiert; den grünen Realos waren sie Beleg dafür, dass es möglich ist, die Industrie mit einer Mischung aus Anreizen und gesetzlichem Zwang zu ökologischen Reformen zu bewegen. Gleichzeitig begannen einige Grüne, intensiver über die Verbindung von Umwelt- und Wirtschaftspolitik nachzudenken. Warum sollte es damit getan sein, an Schornsteine und Abwasserleitungen Filter anzuschrauben? Wäre es nicht sinnvoller, grüne Wirtschaftszweige zu entwickeln, zum Beispiel eine Wind- und Solarindustrie? Aber wie sollte aus den paar Pilotanlagen, die es bereits gab, ein Trend werden?
Die Lösung dafür lieferte eher zufällig das Ende 1990 verabschiedete Stromeinspeisungsgesetz. Der Boom der erneuerbaren Energien in Deutschland geht allein auf dieses bestechend simple Gesetz zurück, das gleichzeitig der größte Exporterfolg der deutschen Legislative ist: Über fünfzig Länder haben bereits ähnliche Regelungen beschlossen.
Der Mechanismus: Jeder, der Solarzellen aufs Dach schraubt oder ein Windrad aufstellt, hat das Recht, den selbst erzeugten Strom ins Netz einzuspeisen. Die Stromkonzerne müssen dafür einen festen Preis zahlen. So wurden die teuren Anlagen refinanzierbar und die erneuerbaren Energien vom Ökospleen zur rentablen Investition.
Das Gesetz ist das Produkt einer ungewöhnlichen Allianz zweier Hinterbänkler: Wolfgang Daniels von den Grünen und Matthias Engelsberger von der CSU. Engelsberger war damals Vorsitzender der »Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern«, er vertrat mehrere tausend kommunale Wasserkraftwerke, Sägewerke und Mühlen, die alle zutiefst erbost waren über den niedrigen Preis, den ihnen die Konzerne für den Strom zahlten. Engelsberger wollte zum Ende seiner letzten Amtsperiode unbedingt noch etwas für seine Klientel tun. Aber wie?
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Engelsberger und Daniels kannten sich aus dem Forschungsausschuss. Eines Tages trafen sich die beiden Parlamentarier, deren Fraktionen erbitterte Gegner waren, auf dem Flughafen Köln-Bonn. Ihr Flug hatte zwei Stunden Verspätung. »Mit den Grünen rede ich nicht«, sagte Engelsberger. »Aber Sie sind Physiker. Sie scheinen ganz vernünftig zu sein.« So begann ihre politische Zusammenarbeit.
Engelsberger und Daniels verfassten gemeinsam den Entwurf für das Stromeinspeisungsgesetz. Schnell bekamen höhere Kreise Wind von der Initiative, und die beiden Verbündeten wurden zu Jürgen Rüttgers zitiert, damals Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. »Rüttgers hat gesagt, mit dem Inhalt des Gesetzes habe er kein Problem«, erinnert sich Daniels. »Aber dass Grüne und CSU geheime Allianzen schmieden würden, ginge auf gar keinen Fall. Das käme einer Parlamentsrevolte gleich!« Rüttgers’ Vorschlag: das grün-schwarze Papier einfach zu einer Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion zu machen.
Im Zuge der Debatten zur deutschen Einheit verschwand das Stromeinspeisungsgesetz im Sommer 1990 mehrfach von der Tagesordnung des Bundestags. Doch Engelsberger konnte durchsetzen, dass am 13. September 1990 schließlich über sein Thema debattiert wurde. Die Sitzung dauerte bis 22.18 Uhr, das Stromeinspeisungsgesetz stand ganz hinten auf der Tagesordnung. Engelsberger und Daniels sprachen für ihre Idee, der SPD-Abgeordnete Dietrich Sperling verspottete die Initiative als »nicht einmal ein Trippelschrittchen« in Richtung erneuerbare Energien. Der Entwurf wurde an die Ausschüsse überwiesen und am 5. Oktober angenommen, als letztes Gesetz der 11. Legislaturperiode.
In der Rückschau ist klar, dass das Stromeinspeisungsgesetz nur deshalb verabschiedet wurde, weil niemand seine Brisanz erkannte. »Die CDU/CSU hat es als Zugeständnis an einen verdienten Kollegen gesehen, das vielleicht einige wenige Windkraftanlagen zur Folge haben würde«, sagt Daniels. »Auch wir Grüne haben die Dynamik, die darin steckte, nicht auf Anhieb verstanden.«
Diese Dynamik war ab 1992 für jedermann ersichtlich, als der deutsche Windkraft-Boom begann. Allein 1993 wurden 608 Anlagen aufgestellt; es gab einen Jahresleistungszuwachs von 300 Megawatt. Nun merkten die Stromkonzerne, dass sie hier Konkurrenz bekamen, und begannen, die erneuerbaren Energien zu bekämpfen: mit Klagen gegen das Stromeinspeisungsgesetz, mit Lobbyarbeit und PR-Kampagnen.
So erschien 1993 eine mit »Ihre Stromversorger« unterzeichnete Anzeige in deutschen Zeitungen, in der behauptet wurde, die erneuerbaren Energien könnten »auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken«. Heute sind wir bei 15 Prozent, für 2020 wird ein Anteil von über dreißig Prozent angestrebt.
Rau rettet die Solarenergie
Problematischer als bei der Windkraft war zu dieser Zeit die Situation bei der Solarenergie. Da Photovoltaik-Anlagen teuer sind, reichte der im Stromeinspeisungsgesetz festgelegte Vergütungssatz nicht aus, um Solarstrom rentabel zu machen. 1989 hatte der Bundestag das »1000-Dächer-Programm« verabschiedet, ein vom SPD-Abgeordneten Hermann Scheer propagiertes Forschungsprojekt, bei dem untersucht wurde, wie Solarstrom ins Netz eingespeist werden kann. 1991 lief das Programm aus, und viele der kleinen Firmen, die die ersten Solaranlagen entwickelt hatten, standen vor der Pleite.
In dieser Situation wurden die Kommunen zu Rettern der Photovoltaik-Industrie.»Der Vorreiter war Aachen«, erzählt Hermann Scheer, »dort hat der Stadtrat 1993 eine kostendeckende Vergütung für Solaranlagen beschlossen.« Diese Maßnahme musste allerdings vom nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister genehmigt werden – und der war dagegen. In letzter Minute schaltete sich der Ministerpräsident ein. »Johannes Rau hat sich öffentlich für die Genehmigung ausgesprochen«, sagt Scheer. »Danach haben dreißig Städte dasselbe Vergütungsmodell beschlossen wie in Aachen. Nur so konnte die deutsche Photovoltaik in den Neunzigern überleben.«
»Das Auftauchen der Grünen hat vieles in Gang gebracht«, erklärt Roland Zieschank von der Forschungsstelle Umweltpolitik der Freien Universität Berlin. »Entscheidend für den Erfolg der deutschen Umweltindustrie war jedoch, dass es in vielen Fragen eine parteiübergreifende Zusammenarbeit gab und es zu einer Allianz zwischen Umweltpolitik und Teilen der Industrie gekommen ist.« So wurden die erneuerbaren Energien von CSU-Politikern wie Peter Ramsauer unterstützt, dessen Familie eine Mühle im Chiemgau hat. »In der CDU/CSU-Fraktion saßen rund 25 Abgeordnete«, bestätigt Scheer, »die jeden Versuch blockierten, das Stromeinspeisungsgesetz wieder zu kippen.«
Auch die CDU-Umweltminister Klaus Töpfer und Angela Merkel haben Gesetze mit großen Innovationsanreizen auf den Weg gebracht. In Merkels Amtszeit fällt zum Beispiel das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das die deutsche Recyclingbranche aufblühen ließ.
Manchmal war sicherlich Interessenpolitik im Spiel, oft jedoch handelten die Abgeordneten und Minister aus echter Sorge um die Natur. Dieses Umweltbewusstsein ist tief in unserer Mentalität verankert – eine deutsche Besonderheit.
»Es gibt in der deutschen kulturellen Tradition eine größere Empfänglichkeit für die Kritik der industriellen Moderne und ein Bewusstsein für die Verluste, die der technische Fortschritt mit sich gebracht hat«, sagt Ralf Fücks von den Grünen. »Das ist nicht unbedingt eine progressive Tradition – eher eine konservative Kulturkritik an der Moderne.« Die deutsche Umweltbewegung konnte nur deshalb zur Massenbewegung werden, weil sie kein Linksprojekt war, sondern ein Sammelbecken unterschiedlichster Öko-Initiativen, von linksradikal bis konservativ.
Trotz mancher Einigkeit über die Parteigrenzen hinweg gab es aber noch genug Reizthemen – wie die Ökosteuer, die auch als wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument gedacht war; die Verteuerung der Energie, so der Ansatz, werde die Entwicklung sparsamer Technologien nach sich ziehen. Die Ökosteuer wurde vom grünen Abgeordneten Rainder Steenblock konzipiert; am 6. März 1996 stellte er seinen Gesetzentwurf einem größtenteils verständnislosen Parlament vor. »Für etliche Kollegen waren die Grünen damals noch Umweltspinner«, erinnert sich Steenblock.
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Nach der Bundestagswahl im September 1998 waren die Umweltspinner plötzlich an der Macht. Nun wurden die Erkenntnisse zum Zusammenhang von Umweltpolitik und Wirtschaft, die herangereift waren, in eine Politik umgesetzt, die aus einer Nischenbranche einen relevanten Industriezweig machte.
Weitgehender Konsens zwischen SPD und Grünen bestand etwa über die Förderung der Gebäude-Isolierung. Die Koalition beschloss umfangreiche Hilfen für Hauseigentümer, die Altbauten sanieren wollten, und legte fest, dass alle Neubauten einen bestimmten Heizenergiebedarf nicht überschreiten durften. Das führte zum Boom der Niedrigenergiehäuser.
Die Ökosteuer musste der SPD hingegen mühsam abgerungen werden. »1998 war allerdings auch bei einem Teil der SPD die Botschaft angekommen, dass ein Instrument wie die Ökosteuer Innovationskräfte weckt, die sogar international greifen können«, sagt Rainder Steenblock. Ein Bereich, in dem die Ökosteuer einen Technologiesprung bewirkt hat, sind sparsame Dieselmotoren.
Blockadetaktik des Wirtschaftsministers
Nur das Stromeinspeisungsgesetz blieb hart umkämpft – vor allem, weil mit Wirtschaftsminister Werner Müller nun ein langjähriger Manager der Stromkonzerne Veba und RWE im Kabinett saß. Die Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes war von der Koalition beschlossen worden, und doch legte Müllers Ministerium keinen Entwurf vor. So formulierten vier Abgeordnete – Dietmar Schütz und Hermann Scheer von der SPD, Hans-Josef Fell und Michaele Hustedt von den Grünen – das Gesetz, das als wichtigste Neuerung die Erhöhung der Einspeisetarife enthielt, um endlich auch Solarstrom rentabel zu machen.
»Uns kam zugute, dass Werner Müller als parteiloser Quereinsteiger kaum Rückhalt in der SPD hatte«, erzählt Michaele Hustedt. Dennoch versuchte Müller das Gesetz zu hintertreiben, indem er im Kabinett europarechtliche Bedenken vorbrachte. Drei Tage vor der Abstimmung erschien sogar Finanzminister Eichel in der SPD-Fraktion und wiederholte Müllers Argument. »Ich habe Eichel in der Fraktion widerlegt«, sagt Hermann Scheer. »Er hat während der Sitzung eingesehen, dass er auf das falsche Gleis geschoben worden war.« So wurde das Erneuerbare-Energien- Gesetz am 25. Februar 2000 vom Bundestag beschlossen.
Vieles davon geschah unter scharfem Protest der Union, die im September 2000 sogar ein »Ökosteuer-Abschaffungsgesetz« einbrachte. Als aber CDU und CSU ab 2005 wieder an der Regierung waren, machten sie keinerlei Anstalten, Ökosteuer und andere Umweltgesetze zurückzunehmen. Und das lag nicht nur am Koalitionspartner SPD, sondern auch an der Einsicht, dass diese Gesetze doch nicht so falsch waren.
Im Wahljahr 2009 bekennen sich nun alle Parteien zu Klimaschutz und Umweltindustrie. Die grünen Ideen haben sich durchgesetzt und sind in der politischen Elite verankert. Für Ralf Fücks liegt darin eine »Ironie der Geschichte« – einst wurden die Grünen verteufelt, »nun sind wir diejenigen, die eine Antwort darauf haben, wie wirtschaftliche Wertschöpfung im 21. Jahrhundert aussehen muss«.
Es liegt jedoch noch eine andere, vielleicht sogar etwas größere Ironie in dieser Geschichte: Der Triumph ihrer Ideen hat die grüne Bewegung gewissermaßen zum Stillstand gebracht. Vom leidenschaftlichen Kampf für die ökologische Weltverbesserung, der die Grünen einst groß gemacht hat, ist heute in der Partei kaum noch etwas zu spüren.
Illustration: Norm Breyfogle