Als der Anwalt Sundara Rajan am 17. Juli 2011 auf dem Weg zur Toilette seines Hauses tot zusammenbricht, sind sich viele sicher: Er kann keines natürlichen Todes gestorben sein. Zu viele Feinde hat er sich in den vergangenen Monaten gemacht, sagen die einen. Die Götter hat er erzürnt, die anderen.
Denn der Anwalt hat einen Schatz entdeckt, in einem Tempel an der Südspitze Indiens: den wertvollsten Schatz, der jemals gefunden wurde.
Sein Neffe bekommt auch sieben Wochen später, Anfang September, noch große Augen, wenn er darüber spricht: »Wir sind in die Keller hinabgestiegen. Von einem der Räume zweigten sechs Kammern ab. Sie waren mit eisernen Türen verschlossen. Um sie zu öffnen, mussten wir einen kleinen Stein mit drei weißen Streifen zur Seite schieben, der vor jeder Tür auf dem Boden angebracht war.« Dahinter fanden sie Kisten voll Gold, Silber und Diamanten: 2000 Jahre alte römische Münzen, venezianische Dukaten, Goldstücke portugiesischer Prägung und manche mit dem Konterfei Napoleons darauf. Goldene Götterstatuen, groß wie Kinder und mit Rubinen und Smaragden besetzt. Goldkronen, Goldketten, sogar ein paar goldene Kokosnüsse. Und eine Kammer ist noch nicht einmal geöffnet worden.
»Mein Onkel hatte vermutet, dass in den Kellern etwas Wertvolles liegt«, sagt der Neffe, »und er hatte befürchtet, dass die neuen Verwalter des Tempels diesen Schatz stehlen.« Also setzte der Anwalt vor Gericht eine Inventur des Hindu-Tempels durch. Und damit begannen die Probleme.
Denn Politiker und Gelehrte diskutieren jetzt, was mit dem Gold geschehen soll, das seit mehr als 130 Jahren in der Dunkelheit lag, wo es herkommt, und wem es überhaupt gehört. Gott Padmanabha, dem der Tempel geweiht ist? Dem Staat Kerala, in dem er steht? Dem indischen Volk?
Es gab schon Demonstrationen, sogar Anschläge. Der Schatz spaltet die Menschen: in Hindus und Realos, in Traditionsbewahrer und Fortschrittsdenker. Einige drängen, das Gold zu Geld zu machen und damit Universitäten zu bauen oder eine U-Bahn. Andere verlangen, dass nicht eine Goldmünze die Keller verlässt, weil es Opfergaben an die Götter sind. Es wird gedroht und übernatürlicher Zorn beschworen, die Situation ist neun Wochen nach dem Fund komplizierter denn je.
Um den Überblick zu behalten, nähert man sich dem Tempel am besten von Osten her. Aus der Ferne wirkt er wie eine große Sandburg, die ein Gott vom Himmel aus mitten in die Stadt gebaut hat. Strahlend gelb erhebt er sich über die schmutzigen Nachbargebäude. Rechts vom Tempel liegt ein Wasserbassin, fußballfeldgroß, currytrüb, in dem sich morgens die Priester waschen. An der Straße, die direkt zum Haupttor führt, parken Reisebusse, die Menschen kommen jetzt aus dem ganzen Land.
Bis die Nachricht vom Schatz Ende Juni um die Welt schoss, galt Thiruvananthapuram, die Hauptstadt des südindischen Bundesstaates Kerala, als verschlafen und langweilig. Inder aus dem Norden blickten immer etwas abfällig in Richtung Süden. »Mallus« nennen sie die Menschen in Kerala, das ist etwa so nett wie »Ossis« und meint, dass die dort unten behäbig sind und viel zu oft die Kommunisten an die Macht wählen. Ausländer kamen nur hierher, um an den nahe gelegenen Stränden unter tropischer Sonne den europäischen Winter hinter sich zu lassen. Jetzt ist die Stadt mit dem komplizierten Namen plötzlich Heimat des reichsten Gotteshauses der Welt.
In den indischen Medien hat man sich auf die Summe von einer Billion Rupien geeinigt, das sind etwa 15,5 Milliarden Euro, mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Bolivien, mehr als das Vermögen des Vatikans, das auf maximal zwölf Milliarden Euro geschätzt wird. Und das ist nur der Materialwert des Schatzes, wenn man alles einschmelzen und auf dem Weltmarkt verkaufen würde. In den zwei Monaten, seit die Kammern geöffnet worden sind, stieg der Goldpreis pro Feinunze von 1500 auf 1900 Dollar.
Kaum zu berechnen ist dagegen der Antikwert. Experten vermuten, dass er zwanzig-, dreißig-, vierzigmal so hoch liegt. Damit könnte man dann Griechenland retten oder Apple kaufen. Solche Summen wecken aber auch Begehrlichkeiten. Bei Dieben. Bei Terroristen vielleicht. Die Stadt liegt wie Mumbai am Meer. Damals, 2008, kamen die Terroristen einfach mit dem Schlauchboot vorgefahren, und es dauerte drei Tage, bis die indischen Sicherheitskräfte die Lage im Griff hatten. Nun sollen sie einen Milliardenschatz bewachen, der nicht in einem Tresor, sondern in einem rund tausend Jahre alten Tempel liegt.
Drei Polizisten in braunen Uniformen stehen vor dem Haupttor mitten in der feuchten Hitze, ihre Holzkarabiner über die Schultern gehängt. Hinter ihnen schirmt eine dicke Steinmauer das Innere der Tempelanlage vor neugierigen Blicken ab. Aber auch von außen erkennt man jetzt, dass der gelb leuchtende Turm nur der sichtbarste Teil eines mehrere hundert Quadratmeter großen Komplexes ist. Tausende Götterfiguren sind in die Wände des Turms gemeißelt. Der Hinduismus ist eine bunte, offene Religion, die viele Götter kennt und unterschiedliche Auslegungen zulässt. Im Zentrum des Glaubens steht bei den meisten Hindus jedoch ein Gott, der in verschiedenen Erscheinungen, in verschiedenen Körpern auftritt. In diesem Tempel wird der Gott Padmanabha verehrt, eine Inkarnation des Gottes Vishnu, der in der hinduistischen Mythologie als der »Welterhalter« gilt, einer der Big Player. Der Gott hat dem Tempel auch seinen Namen gegeben: Padmanabhaswamy. Zutritt haben nur Hindus. Die drei Polizisten passen auf, dass Nicht-Hindus dem Eingang nicht zu nahe kommen und keine Fotos machen, »Sicherheitsgründe«.
Ihr Chef hat sein Büro auf der anderen Seite der Anlage, am westlichen Nebeneingang. Er wirkt entspannt. Genüsslich zieht er die Nase hoch, reibt sich den Bauch, schiebt sich die goldgefasste Brille zurecht. Dann sagt er: »Es erfüllt mich mit Stolz, nun für die Sicherheit des Tempels zuständig zu sein.« Schließlich sei er, der stellvertretende Chef der lokalen Polizei, selbst ein großer Verehrer der Tempelgottheit.
Auf dem Weg zum Gebet kann er nun die Arbeit seiner Männer observieren. Es sind nicht besonders viele, die an den Toren und entlang der Mauern wachen. Zwanzig, dreißig vielleicht. »Die meisten Polizisten sind im Tempel stationiert«, versichert der Polizeichef. 300 sind es insgesamt, darunter sechzig des Quick Response Teams, einer Sondereinheit, die an ihren schwarzen Uniformen zu erkennen ist. Allerdings: Im Tempel dürfen auch sie, die Polizisten, wie jeder männliche Besucher, nur einen Wickelrock tragen, und ihre Pistolen halten sie in einer Tasche versteckt. »Das gehört sich so«, sagt der Polizeichef, »die Gläubigen sind das Wichtigste, ihre Ruhe darf nicht gestört werden.«
»Mein Onkel ist nicht an einem Fluch gestorben«
Schräg gegenüber dem Polizeihauptquartier wohnt einer, der sich von den Sicherheitskräften trotzdem verraten fühlt. »Die sollten mich eigentlich beschützen, rund um die Uhr, aber haben Sie einen Beamten vor der Tür gesehen? Nein? Ich auch noch nie!« Der Neffe von Sundara Rajan, dem toten Anwalt, wirkt alles andere als entspannt. Heftig fuchtelt er mit dem Zeigefinger in der Luft, redet eindringlich, als müsste er eine Jury überzeugen, vor ihm auf dem Schreibtisch liegen ein Blackberry, ein iPhone und zwei ältere Mobiltelefone, die alle paar Minuten abwechselnd klingeln. Auch der Neffe ist Anwalt, wie sein Onkel. Und dessen Kampf um den Tempel und seine Schätze will er nun zu Ende führen, auch wenn er von vielen Hindus dafür angefeindet wird: »Ich bekomme Drohanrufe«, sagt er, »mein Auto wurde demoliert«, und einmal hätten Unbekannte eine mit Säure gefüllte Glühbirne durch das offene Fenster in sein Büro geworfen. Deshalb der versprochene Polizeischutz.
Um seinen und den Ehrgeiz seines Onkels zu verstehen, den Streit trotzdem auszufechten, muss man bis ins Jahr 1991 zurückgehen. Damals starb der letzte Maharadscha des einstmaligen Königreichs Travancore. Das gab es zwar schon seit 1956 nicht mehr, sondern es war damals zum Bundesstaat Kerala geworden und wurde demokratisch regiert, aber der Maharadscha hatte immerhin einige Jahre offiziell geherrscht. Nach seinem Tod erbte der Bruder des Maharadschas den Titel, der rechtlich natürlich keine Bedeutung mehr hat. Die Menschen in Kerala, vor allem die in der Hauptstadt, verehren den Maharadscha und seine Familie jedoch noch sehr: Weil es im 18. Jahrhundert der erste Herrscher von Travancore war, der den alten Tempel zu dem prachtvollen Gotteshaus ausbauen ließ, das es noch immer ist. Und weil er und seine Nachfolger sich nie am Luxus berauschten, wie die Könige Nordindiens, die in Rajasthan zum Beispiel. Die Travancore-Dynastie versprach, ihre Herrschaft in den Dienst des Tempels zu stellen, sie verstanden sich als Diener der Gottheit.
Und bis heute steht die Familie an der Spitze der Verwaltung des Tempels – und genau daran hat sich der Anwalt Sundara Rajan gestört. »Mein Onkel hatte den Verdacht, dass der neue Maharadscha die Tempelschätze stiehlt«, sagt der Neffe, greift hinter sich ins Bücherregal und knallt die indische Verfassung auf den Tisch. »Es gibt keine Maharadschas mehr! Mein Onkel hat deshalb gefordert, dass die Regierung die Verwaltung des Tempels übernimmt, wie es im ganzen Land üblich ist. Damit man endlich weiß, was hinter den Mauern passiert.«
Der Onkel schrieb Petitionen, sein Neffe sprach für ihn vor Gericht, zuerst in Kerala, später auch beim Obersten Gericht in Delhi, ein jahrelanges Ringen – bis am 4. Mai 2011 die Richter in Delhi schließlich entschieden, dass der Tempel zumindest erst einmal einer Inventur unterzogen werden soll. Ende Juni öffnete ein Expertenteam, zu dem auch der Onkel und sein Neffe gehörten, die Kammern mit den Schätzen. Zweieinhalb Wochen später brach der Onkel auf dem Weg zur Toilette seines Hauses zusammen, 45 Minuten nach Mitternacht, und die Angst vor dem Tempelfluch verbreitete sich in der Stadt.
Im Arbeitszimmer des Neffen hängt ein Foto des Onkels an der Wand: ein alter Mann mit grauem Bart, knochigem Körper und drei Streifen heiliger Asche auf der Stirn, er sieht aus wie ein Guru. »Der Tempel war sein Leben«, sagt der Neffe. Jeden Morgen sei der Onkel um 3.30 Uhr das erste Mal die hundert Meter von seinem Haus hinüber zum Tempel gegangen. Dann noch mal um neun, um elf und um sechs Uhr nachmittags. Seinen Reis habe er nur in gesegnetem Wasser gekocht, nie in einem Restaurant gegessen und auch keine Frauen gehabt. »Mein Onkel ist nicht an einem Fluch gestorben, sondern an Herzversagen«, sagt der Neffe. Auch an die Geschichten, dass er ermordet wurde, glaubt er nicht. »Die haben doch gar nicht den Mumm, uns fertigzumachen.« Er lässt die Fingerknochen knacken. Mit »die« meint er die »Hooligans« von Shiv Sena.
Die hindunationalistische Partei ist für ihr ruppiges, manchmal brutales Vorgehen gegen Andersdenkende berüchtigt. Anhänger haben dem Neffen schon einmal den Weg versperrt, damit er nicht zu einem Gerichtstermin fahren konnte, er zeigt das Foto einer aufgebrachten Menschenmenge. Ob es auch Shiv-Sena-Sympathisanten waren, die die Säure durch das offene Fenster in sein Büro warfen, kann er nicht beweisen.
Der Tempelschatz gehört der Tempelgottheit. Oder?
Sein Onkel, der den Tempelschatz eigentlich beschützen wollte, hat nun genau das Gegenteil erreicht: Der Schatz ist zum Politikum geworden, und Dutzende Hände zerren daran. Historiker fordern zum Beispiel, dass die Goldmünzen, Kelche und Kronen der Wissenschaft zugänglich gemacht werden. Andere wollen sie in einem Museum ausstellen, wie die britischen Kronjuwelen oder die Totenmaske von Tutanchamun, wieder andere damit den Staatshaushalt sanieren. Der Ministerpräsident von Kerala beschwichtigte bereits: Der Schatz gehöre dem Tempel, die Regierung, also er, wolle ihn nicht. Zeitungskommentatoren haben ihm das sofort als Stimmenfang ausgelegt: 56 Prozent der potenziellen Wähler sind Hindus.
Dann meldete sich auch der Vorsitzende der größten Oppositionspartei zu Wort, ein Kommunist und aus Parteiräson kein Freund der Monarchie. Er erklärte den Maharadscha noch einmal öffentlichkeitswirksam zum Dieb, woraufhin Shiv-Sena-Anhänger wütend durch die Stadt zogen. Sie haben schon eine Blockade angekündigt, sollte entschieden werden, den Schatz doch aus dem Tempel zu schaffen. Ein anderer Hindu-Verband hat sogar mit Massenselbstmord gedroht.
Der Konflikt um den Schatz trifft Indiens Seele. Die Frage ist: Wie viel Glauben und kulturelles Erbe lässt die Säkularisierung und Ökonomisierung zu? Die indische Gesellschaft lebt zwischen Software-Programmierung und Tempelritualen, in einem Land, dessen Wirtschaftsleistung zwar pro Jahr durchschnittlich um acht Prozent wächst, dessen Investoren viel Land in Afrika aufkaufen und kriselnde deutsche Modehäuser, in dem aber auch fast jedes zweite Kind an Hunger leidet, ein Staat, der ein gewaltiges Korruptionsproblem hat; der neue indische Reichtum macht längst nicht alle satt. Für die vielen anderen ist der Kapitalismus keine Gewinnergeschichte, sie können nur auf die Götter hoffen.
Der angebliche Dieb des Schatzes wohnt sechs Kilometer nördlich des Tempels – vor dem Palast des Maharadschas spürt man von der ganzen Aufregung nichts. Unter einem einen alten Mangobaum steht ein Wachmann, der in seiner allzu großen Uniform versinkt. Er grüßt freundlich, öffnet das Tor zu einem gekiesten Innenhof, rechts der Palast, der eigentlich nur ein zweigeschossiges Haus mit rotem Ziegeldach ist, großzügig, aber nicht protzig. Drinnen kühlt der schwarz glänzende Granitboden angenehm die Füße. Der Maharadscha bittet zu einem Teakholzsofa, er trägt ein kurzärmliges blaues Hemd, Wickelrock, Flipflops. Er ist 90 Jahre alt. Ohne gefragt zu werden, fängt er in akzentfreiem Englisch an zu erzählen: von Agatha Christie, die er einmal getroffen hat, von Buster Keaton und von einer Familienreise nach Deutschland – 1933 war das und er ein kleiner Junge. Die deutsche Disziplin ist ihm in Erinnerung geblieben und der Gestapo-Mann, der die Familie begleitete. Man fühlt sich in einen Schwarzweißfilm versetzt, der Maharadscha lebt in einer anderen Zeit.
Über den Tempelstreit und die Anschuldigungen gegen ihn will er wegen des laufenden Gerichtsverfahrens nicht sprechen, er bleibt lieber allgemein: »Früher dachten die Leute: Die Welt soll glücklich sein. Heute denkt jeder nur an sich und seine Familie. Wir vergessen unsere Vergangenheit.« Der Maharadscha versucht sie zu bewahren.
Zweimal im Jahr zum Beispiel führt er eine Prozession vom Tempel bis zum Meer, drei Kilometer, um dort Götterstatuen vom Bösen reinzuwaschen. Bei dieser Feier schießt er auch – allerdings nur aus ein paar Zentimetern Entfernung – mit Pfeil und Bogen auf eine Kokosnuss, die das Böse verkörpern soll.
»Der Tempelgott ist die Quelle von allem, was uns umgibt«, sagt er, und dass er jedes Mal eine Gänsehaut bekommt, wenn er an ihn denkt. Auf seiner Stirn klebt noch der gelbe Fleck Sandelholzpaste von der Puja heute morgen. So wird das Ritual genannt, mit dem im Hinduismus die Götter verehrt werden. Die Priester bieten dabei der Gottheit Wasser, Kleidung und Essen an, auch der Gläubige bringt eine Opfergabe mit. Dieser Tempelgott mag einer Legende nach besonders gern unreife Mangos, die jedoch nicht als Frucht dargereicht werden, sondern für die der Gläubige eine Geldspende hinterlässt. Als Segnung bekommt er von den Priestern dann den Farbklecks auf die Stirn.
Nun argumentieren viele Hindus: Der Tempelschatz gehört der Tempelgottheit, weil es ihre Opfergaben sind, die ihr über Jahrhunderte hinweg gespendet wurden. Genau aus diesem Grund sollte jedes Gramm Gold da bleiben, wo es ist. Das ist verständlich, wirft aber die Frage auf, von wem die Opfergaben eigentlich stammen. Von den einfachen Gläubigen? Wohl eher nicht. Der Großteil des Schatzes ist von der Maharadschafamilie gespendet worden, da sind sich die Historiker einig. Nur, und das berührt schließlich den Kern des Problems: Diese Familie verdankt ihr Vermögen auch dem Eintreiben von Steuern. Und da Steuern nicht nur von Hindus, sondern auch von Christen und Muslimen bezahlt werden mussten, argumentieren andere: Die Tempelreichtümer gehören nicht der Gottheit, sondern eigentlich dem Volk.
Der Maharadscha will auch dazu nichts sagen, die halbe Stunde, die er Zeit hatte, ist vorbei. Er verabschiedet sich und schlurft zum Kieshof hinaus, wo ein Fahrer in einem silbergrauen Mitsubishi Lancer auf ihn wartet. Sollte dieser 90-Jährige wirklich Gold aus dem Tempel gestohlen haben, hat er es zumindest nicht in ein schickes Auto investiert.
Das Oberste Gericht in Delhi muss nun entscheiden, ob der Maharadscha weiterhin an der Spitze der Verwaltung des Tempels sitzt oder ob eine Regierung die Geschäfte übernimmt, die von vielen als korrupt beschimpft wird. In die Jahre gekommene Tradition oder verfluchte Moderne?
Und während über dem gelb leuchtenden Tempelturm die Krähen und Adler weiter ihre Kreise ziehen, fragen sich viele, was wohl in der letzten Kammer liegt. Denn bis heute sind ja nur fünf von insgesamt sechs Kammern geöffnet worden, weil auf der eisernen Tür zur letzten das Bild einer Kobra zu sehen ist, ein Symbol für Gefahr.
Bisher wollte sie niemand öffnen. Der Schatz hat so schon genug Unheil über die einstmals ruhige, etwas verschlafene Stadt gebracht.
Fotos: Graham Crouch