"Die Truppen müssen noch mindestens zehn Jahre bleiben"

Was leisten die deutschen Truppen in Afghanistan? Um diese Frage zu klären, reiste der renommierte Politikwissenschaftler Dietmar Herz für das SZ-Magazin in den Norden Afghanistans. Ein Interview nach der Rückkehr.

SZ-Magazin: Sie waren vor einem Jahr für das SZ-Magazin im Irak und nun in Afghanistan. Wo haben Sie sich sicherer gefühlt?

Dietmar Herz: Ich habe mich in beiden Regionen so sicher gefühlt, wie das unter den gegebenen Umständen möglich ist. Als ich im Irak mit den amerikanischen Truppen unterwegs war, wurden wir mehrmals beschossen. Ähnlich gefährliche Situationen habe ich in Afghanistan nicht erlebt. Andererseits hat sich die Sicherheitslage im Irak in letzter Zeit etwas verbessert, zumindest in einigen Gebieten wie Bagdad und Umgebung. Und in Afghanistan?

Dort hat sich die Situation eher verschlechtert, vor allem im Süden und Südosten, aber auch in der Region Kundus, wo deutsche Truppen stationiert sind. Trotzdem darf man nie vergessen, dass man als deutscher Diplomat oder Journalist nicht so gefährdet ist wie die Menschen, die dort leben.

Meistgelesen diese Woche:

Wie sehen Sie den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, nachdem sie deutsche Soldaten in Masar-Scharif, Kundus und Faisabad besucht haben?

Ich war beeindruckt von deren Leistungen, der Hilfe beim Wiederaufbau des Landes, was Schulen und andere Infrastruktur angeht. Afghanistan könnte eine echte Erfolgsgeschichte werden. Allerdings habe ich starke Zweifel, ob die westlichen Staaten bereit sind, so viel Geld und Geduld zu investieren, wie nötig wäre, um das Land dauerhaft zu stabilisieren. Meiner Meinung müssen die westlichen Truppen mindestens noch zehn Jahre in Afghanistan bleiben.

Wie verhalten sich die Afghanen gegenüber deutschen Journalisten? Werden sie als Feind gesehen, als Teil der westlichen Besatzungstruppen?

Das kommt darauf an, wo man gerade reist. In meinem Fall war das der Norden des Landes und ich wurde, wie auch die Truppen dort, sehr offen empfangen. Viele bedankten sich sogar ausdrücklich für das Interesse, das man ihnen und ihrem Land entgegenbringt. Das ist in den umkämpften Regionen des Südens vermutlich anders.

Sie schreiben, dass es mittlerweile den ersten Reiseführer für Afghanistan gibt. Würden Sie das Land als Reiseziel empfehlen?

Bis Ende der Siebziger Jahre, bevor die Bürgerkriege begannen und die Russen einmarschierten, war Afghanistan ein Reiseland, insbesondere für Hippies. Die Landschaft ist vielseitig und atemberaubend schön, außerdem ist das Land reich an kulturellen Sehenswürdigkeiten. Trotzdem würde ich – anders als dieser Reiseführer – im Moment dringend davon abraten, Afghanistan aus rein touristischem Interesse zu besuchen.