SZ-Magazin: Herr Buchholz, wir treffen Sie in Berlin, heute Abend fahren Sie zurück nach Hamburg, übermorgen nach Paris, dann weiter nach La Baule, zwei Tage darauf nach Brüssel und dann nach London. Alles innerhalb von zwei Wochen … Hans Buchholz: Zwischendurch bin ich noch in Wien, glaube ich.
Sind Sie nicht gern zu Hause? Meine Frau sagt: »Hans, du bist immer auf der Flucht. Willst du dich nicht mit dir selber beschäftigen?« Sie hat vermutlich recht. Ich beschäftige mich nicht gern mit mir.
Nächsten Monat flüchten Sie nach Chile. Ich fliege auf die Osterinseln. Die werden nur dreimal die Woche von einer chilenischen Fluggesellschaft angeflogen. Das ist einer der entlegensten Orte, die man erreichen kann – deswegen muss ich da hin.
Einfach um keine blinden Flecken mehr auf der Landkarte zu haben? Ich habe auch alle Agatha-Christie-Romane gelesen und als Kind schon Briefmarken gesammelt. Ich sammle gern – eben auch Länder. Und bis auf Albanien habe ich bald alle abgehakt. Mit Genscher und Fischer kann ich wohl mithalten.
Welches ist Ihre Lieblings-Fluglinie? Die Air France!
Mit Verlaub: Die ist doch fast schon berüchtigt schlecht. Nicht, wenn Sie viel in Afrika unterwegs waren, wie ich früher. Das war die Domäne der Air France, da hatten die das beste Netz.
Und heute? Singapore Airlines ist auf Langstrecken am besten. Mit Lufthansa fliege ich auch gern. Die Emirates will ich jetzt mal ausprobieren, weil sie so toll sein soll.
Sie fliegen mit der Fluglinie, nur um zu sehen, wie sie ist? Natürlich. Das Dumme ist nur, dass die nach Dubai fliegen, und da war ich gerade erst, im »Burj Al Arab«-Hotel.
Wie hat es Ihnen gefallen im einzigen 7-Sterne-Hotel der Welt? Es war ein Traum. Ich hatte Glück, weil ich den französischen Generaldirektor über einen Freund in Biarritz kennengelernt habe. Wir haben normale Zimmer gebucht, mein Sohn und ich, und dafür jeder eine Suite bekommen. Mit eigenem Butler und Rolls-Royce-Service.
Wo holen Sie sich Ihre Hoteltipps her? Ich habe ein uraltes Reisebuch, New Horizons, noch von der Fluglinie Pan Am herausgegeben. Das nutze ich immer noch. Sonst gucke ich in mein Büchlein der Leading Hotels of the World – aber in Santiago de Chile zum Beispiel haben die nichts. Das meiste erfährt man über Mundpropaganda. Zum Beispiel von meinem Freund Wolfgang Rademann, das ist der Erfinder der Traumschiff-Serie. Der ist andauernd unterwegs und weiß immer einen guten Tipp.
Fahren Sie auch allein wegen bestimmter Hotels irgendwohin? Auf jeden Fall! Wenn ich von einem schönen Ort höre, den ich nicht kenne, will ich da hin. Oft reicht mir schon ein Tag.
Warum nur ein Tag? Ich bin keiner, der Sitten und Gebräuche eines Landes kennenlernen will. Ich glaube, das kann man auch nicht in ein oder zwei Wochen. Ich möchte nur da gewesen sein, wissen, ob ich es mag oder nicht.
Wo sind Sie zuletzt hingeflogen nur wegen des Hotels? Nach Barbados, ins »Sandy Lane«. Das beste Hotel der südlichen Halbkugel. Man braucht nur recht lange, um hinzukommen, seitdem die Concorde nicht mehr fliegt.
Was ist am »Sandy Lane« so toll? Englische Höflichkeit, ein unglaublich schöner Strand, perfekte Betten, fantastische Restaurants, interessantes Publikum. Auf Mauritius war ich nur wegen des »Royal Palm«. Nach St. Martin bin ich wegen des »La Samanna« geflogen. Zusammen mit dem »Sandy Lane« sind das meine Lieblingshotels auf der Welt. Den Strand in Biarritz dagegen kann man echt vergessen. Die Stadt lohnt sich nur wegen des »Hotel du Paris«.
Bei allem Luxus, ist diese ganze Reiserei nicht wahnsinnig anstrengend? Es ist anstrengend geworden! Die Sitzreihen wurden über die Jahre immer enger. Die zweite Klasse in den Sechzigern war so bequem wie heute die Businessclass. In der ersten Klasse nach Japan gab es noch ein richtiges Bett, wie im Schlafwagen. Die Boeing B-377, Stratocruiser genannt, war zweistöckig. Man ging die Treppen hinunter in den Schlafraum. Neben mir schlief William Holden, der Filmschauspieler. Als wir in Tokio landeten, haben Hunderte von Mädchen wie wahnsinnig geklatscht, was mich natürlich sehr gefreut hat, bis mir wieder einfiel, dass William Holden hinter mir stand.
Fliegen Sie heute noch erster Klasse? Nein, fast nur noch Businessclass, weil die erste Klasse einfach unverhältnismäßig teuer geworden ist. Ich buche mir meine Flüge mit Start in Deutschland auch immer bei einer ausländischen Airline, dann spart man bis zu 30 Prozent auf Langstreckenflügen. Wenn ich vom Ausland abfliege, buche ich dann wieder Lufthansa.
Bedauern Sie, dass das Reisen heute nicht mehr so exklusiv ist? Selbstverständlich, Ende der Sechzigerjahre flog ich nach Shanghai. Damals besaß nur die Swissair eine Fluggenehmigung für diese Strecke von Zürich über Bombay und Peking nach Shanghai. In Peking stiegen die letzten Reisenden aus der ersten Klasse aus. Ich stand auf, lief herum und sah, dass auch die zweite Klasse leer war. Es gab Abendessen mit vergoldetem Besteck, ich saß mutterseelenallein in diesem Flugzeug und flog über das bevölkerungsreichste Land der Welt. Das war schon sehr ungewöhnlich. Und nachdem ich aus Shanghai zurückkam, hatte ich zu Hause in Hamburg-Eppendorf plötzlich einen Fuß in der Tür, als ich hinter mir zumachen wollte. Da stand ein Mann, ein Agent wie im Film, und stellte sich mit dem Namen »Ameise« vor. Er komme vom Bundesnachrichtendienst.
Nicht im Ernst: »Ameise«! Doch! Das sei sein Codename. Und ich solle in der Zentrale anrufen. Ich rief an und der Mitarbeiter sagte: »Ja, das stimmt, ›Ameise‹ sollte den Kontakt machen.« Der BND wollte wissen, wie es auf dem Flughafen in Shanghai aussah, denn die bekamen niemanden nach China hinein. »Wie sind die Passkontrollen«, fragten sie, »wird das Handgepäck überprüft?« Auch Peter Boenisch schrieb in der Bild-Zeitung eine Meldung: »Hans Buchholz fliegt heute nach China«. Das war eine Nachricht wert. Mir ist auch klar, dass es für den Rest der Welt besser ist, wenn alle günstig reisen können. Aber für mich ist es dadurch nicht mehr so reizvoll.
Wie überleben Sie die furchtbaren Wartezeiten auf Flughäfen? Ich fahre immer in die Stadt. Ich checke für den Anschlussflug ein und nehme mir ein Taxi. Anfang der Achtzigerjahre kam ich mit meinem französischen Praktikanten von Bukarest, wollte nach Hamburg, und wir hatten Zwischenstopp in München. Damals galt »Käfer« noch als das angesagteste Lokal der Stadt. Wir kamen abends um 18 Uhr an und wollten einen Tisch. Natürlich hatten wir nicht reserviert. Ich habe einfach gelogen: »Wissen Sie, das ist der Enkel von Charles de Gaulle – und jetzt wollte ich dem mal was zeigen.« Sofort hatten wir einen Tisch. Das funktioniert im Computerzeitalter natürlich nicht mehr.
Sind Sie Exportkaufmann geworden, um Ihre Reiselust zu befriedigen? Ich wollte eigentlich Philosophie studieren, bei Heidegger in Freiburg, aber mein Vater sagte: »Du musst jetzt erst mal was lernen.« Wir hatten kein Geld nach dem Krieg. Dass ich mit Textilhandel wohlhabend werden würde, konnte ich in den Fünfzigerjahren nicht ahnen. Da war viel Glück dabei. Als ich dann merkte, ich habe zwei Drittel der Länder durch, da erwachte meine Sammelleidenschaft. Ich bin zum ersten Mal nach Peking extra mit Aeroflot geflogen, um Zwischenlandungen in Omsk und Irkutsk mitzunehmen. Leider war in beiden Städten Schneesturm. Kommt da ja öfter mal vor.
In mehreren Städten haben Sie einen eigenen Fahrer. Nach welchen Kriterien suchen Sie die aus? Wenn ich neu in einer Stadt war, bin ich mit verschiedenen Taxen gefahren, und irgendwann mochte ich einen Fahrer besonders, den habe ich dann angesprochen. Mein Londoner Fahrer hat mir wegen seines Namens gefallen: John West. Das hört sich doch nett an, und mit ihm hatte ich auch Glück.
Reisen Sie auch wegen bestimmter Lokale irgendwohin? Ja, ich fahre oft nach Berlin wegen des »Margaux«. Da kann es passieren, dass ich vorab am Telefon durchgebe, was ich essen möchte. Sonst dauert mir das da immer zu lange. Das ist das Schöne an guten Lokalen, dass man mehr Service erwarten kann. Nach Paris bin ich mit meiner Frau am Hochzeitstag ins »Tour d’Argent« gefahren. Nächsten Monat fliegen wir einen Tag ins »Cipriani« nach London. Das ist das Lokal vom ehemaligen Besitzer der legendären »Harry’s Bar« in New York – die ich auch schätze. Und kürzlich waren wir im »El Bulli«, in Spanien. Großartige Küche.
Kann jemand, der Luxus liebt, auch bei irgendetwas geizig sein? Ja, zum Kummer meiner Frau: Für Hausrenovierungen gebe ich ungern Geld aus. Neue Küche oder so, da bin ich knickerig. Der Kaufmann Hans Buchholz, 74, lebt in Hamburg. Hotel »Sandy Lane«, DZ ab 700 Euro, Tel. 001/246/44 420 00.