Das Büro des früheren Weltmeistertrainers César Luis Menotti liegt seit Jahrzehnten mitten in Buenos Aires. Der künftige Bayern-Trainer Pep Guardiola hat ihn zu einem seiner Vorbilder erklärt – da will man Menotti natürlich sprechen, ehe Guardiola jetzt in München anfängt. Anrufe und Mails gehen erst ins Leere, nicht ungewöhnlich bei ihm, eine Verabredung versinkt im Gewitterregen. Dann empfängt Menotti sehr unkompliziert in diesem etwas düsteren Apartment. Hemd weit offen, graue Mähne. Schlank. El flaco, der Dünne. Auf dem Schreibtisch liegt ein Bild von Che Guevara, der wie Menotti und Lionel Messi aus Rosário stammt. An den Wänden hängen Fotos mit Diego Maradona, Alfredo Di Stéfano, Johan Cruyff und anderen Mythen des Weltfußballs sowie mit dem Schriftsteller Jorge Luis Borges. Auf alten Schränken stapeln sich noch ältere Zeitungsausschnitte. Menotti wird 75. Der Aschenbecher des legendären Kettenrauchers ist auffällig leer.
SZ-Magazin: Sie rauchen nicht mehr?
César Menotti: Vor zwei Jahren habe ich aufgehört, am 3. Mai. Ab und zu eine Zigarre, bei einem Fest, in einer Runde, aber keine Zigaretten.
War es sehr schlimm?
Ich hatte es mir noch schlimmer vorgestellt. Ist ja alles mental. Am schwierigsten wird es, wenn du allein bist, dann willst du rauchen. Aber das verändert wirklich dein Leben. Ich schwimme auf meiner Finca drei, vier Bahnen im Pool, früher konnte ich schon nach einer Bahn nicht mehr.
Ihre Fußball-Sucht dagegen hat nicht nachgelassen, obwohl Sie schon länger keine Mannschaft mehr trainieren?
Ich schreibe viel und studiere den Fußball immer mehr. Ich debattiere gern über Fußball, das ist so ein hinreißendes Spiel, so komplex. Wenn ich manchen Leuten zuhöre, dann ist es, als ob sie von einem anderen Spiel sprechen. Ich sagte mal zu einem Spieler, der ständig den Ball am Fuß hatte: Weißt du, was das Einzige ist, was man beim Fußball mitnimmt? Die Tasche mit Wäsche, Rasierapparat und Shampoo – das trägt man mit sich herum. Den Ball spielt man ab.
Sie sprechen vom »linken Fußball«, der für den romantischen, offensiven Stil mit kurzen, eleganten, schnellen Pässen steht. Und dem »rechten Fußball«, der den hässlichen, defensiven, körperbetonten Stil charakterisiert. Beim linken Fußball sind Sie immer noch eine Referenz.
Viele Leute fühlen sich von mir repräsentiert, weil oft so furchtbar schlecht gespielt wird. Schon in Rosário hatten wir großartige Spieler und ein wunderbares Spiel, auch Messi stammt von dort. Oft mache ich Witze und sage, ich weiß nicht, ob der heutige FC Barcelona gegen meinen FC Barcelona von 1984 gewinnen würde. Da gab es noch keine zehn Ausländer, nur zwei. Ich hatte Diego Maradona und Bernd Schuster, und beide waren lange verletzt.
Der Bayern-Trainer Pep Guardiola verehrt Sie. Er kam 1984, als Sie Trainer in Barcelona waren, gerade zu Barças Nachwuchs, mit 13. Viel später besuchte er Sie in Buenos Aires. Wie fühlt man sich als Mentor des Wundertrainers?
Guardiola ist ein Trainer aus unserer Ecke, aus Berufung. Als er 2007 beschlossen hatte, Trainer zu werden, kam er nach Argentinien und rief mich an. Wir gingen essen und blieben von neun Uhr abends bis drei Uhr morgens im Lokal sitzen. Das war, bevor er die zweite Mannschaft des FC Barcelona übernahm. Ich habe viel Zuneigung und Respekt für ihn, er ist ein Fachmann und lerneifrig. Er wusste genau, was er wollte.
Trotzdem brauchte er Rat?
Er wollte sein Wissen erweitern. Es ist so, als ob du zwar weißt, wie eine Geige klingen soll, aber trotzdem Geigenlehrer befragst. So fuhr er überall herum. Traf Leute wie Marcelo Bielsa, Arrigo Sacchi und mich, um seine Ideen zu festigen. Als er anfing, war er sehr gut vorbereitet.
Inzwischen gilt Pep Guardiola als Magier, weil er mit dem FC Barcelona alles gewonnen hat. Dann zog er mit seiner Familie zum Sabbatical nach Manhattan, aß mit Woody Allen und unterschrieb beim FC Bayern. Was für ein Typ ist er?
Ein großartiger, intelligenter Trainer, der den Fußball liebt, aber nicht nur den Fußball. Frei nach Hippokrates: Wer nur die Medizin kennt, der weiß nichts von der Medizin, und wer nur vom Fußball was versteht, der versteht nicht mal was vom Fußball. Guardiola kennt mehr als nur Fußball. Der Junge ist kulturell gebildet, mag Theater. Und er hat ein gutes Gehör, der Fußball braucht auch Ohren.
Ohren?
Der Fußball klingt in deinem Kopf als Trainer. Entweder klingt er wie eine Herde wilder Pferde oder wie ein Sinfonieorchester mit Violinen wie Iniesta und einem Cello wie Busquets. Eine Fußballmannschaft ist wie ein Orchester, ein Ergebnis von Proben und Einsatz der Musiker.
Guardiola hatte beim FC Barcelona einige der weltbesten Spieler, vorneweg Ihren Landsmann Lionel Messi. Kann man mit solchen Leuten etwas falsch machen?
Ich schrieb mal, dass Guardiola als Trainer den Goldenen Ball des Weltfußballers hätte bekommen müssen. Er antwortete mir und schwärmte wieder nur von seinen Spielern. Er ist so bescheiden, ich habe ihn fast ausgeschimpft. Ich glaube, Pep hat diese großartigen Spieler noch großartiger gemacht.
Wie geht das?
Er hat eine Vorstellung, wie sein Orchester klingen soll. Wenn einem Trainer nur wichtig ist zu gewinnen, dann wird es schwieriger. Deshalb klang das bei ihm so perfekt. Außerdem hat er seinen Spielern etwas in den Kopf gesetzt, was andere Mannschaften nicht haben: Aus der Ordnung heraus gibt es eine große Freiheit für das Abenteuer.
So wie bei Jorge Luis Borges, der schrieb, Literatur sei Abenteuer und Ordnung?
Genau, aber immer wieder mit sofortiger Rückkehr aus dem Abenteuer zur Ordnung. Wer das nicht eingehalten hat, den hat Guardiola ausgewechselt.
Ist das so ungewöhnlich?
Es gibt sehr wenige Trainer auf der Welt, die die Kabinentür aufmachen und sagen: »Guten Tag, meine Herren«, und die Spieler wissen, was sie spielen sollen. Ich kann heute noch zu einem 15-Jährigen gehen, und der weiß, was ich will. Dass er nicht 20 Meter mit dem Ball laufen, sondern erst passen und dann rennen soll, solche Sachen. Ich muss das nicht mehr sagen. Wie viele gibt’s davon?
»Für mich ist die Arbeit Guardiolas brillant, fast einzigartig.«
Der Fußball-Philosoph César Luis Menotti, 74, trainierte von 1974 bis 1983 die argentinische Nationalmannschaft, danach den FC Barcelona, Atlético Madrid und das Team von Mexiko. Wie kein anderer hat er den Sport ideologisch überhöht, etwa 1978, als er Weltmeister wurde und äußerte: »Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt.«
Außer Guardiola machen es auch andere jüngere Trainer wie Jürgen Klopp von Borussia Dortmund nicht schlecht, oder?
Zum Beispiel. Dortmund hält das in den wichtigen Spielen nur nicht durch. Die spielen im Smoking, aber wenn noch 15 Minuten zu spielen sind und das Fest schwierig wird, dann ziehen sie den Smoking aus und streifen den Overall über, und dann spielen sie am schlechtesten. Wie gegen Real Madrid und Bayern München. Die Bayern haben auch deshalb gegen sie gewonnen. Man braucht viel Überzeugung, Klarheit und Charakter. Eine Meisterschaft gewinnt jeder, den Europacup haben auch schon viele Dummköpfe und Ignoranten gewonnen. Aber in fünf Jahren 15 von 19 Titeln gewinnen wie Guardiola und dabei Spieler austauschen, die zusammen 50 Tore geschossen haben, so einen musst du erst mal finden. Für mich ist die Arbeit Guardiolas brillant, fast einzigartig.
Kommt Pep Guardiola nun zu spät? Die Bayern haben mit dem altersweisen Jupp Heynckes gerade alle Titel abgeräumt. Im Mai war Guardiola für einen Vortrag wieder in Buenos Aires und nachher wieder mit Ihnen essen. Ist er nervös?
Ja, er ist besorgt. Zum ersten Mal, seit der Fußball erfunden wurde, geht ein Trainer, der Champions League, Meisterschaft, Pokal und Supercup gewonnen hat. Wo hast du so was schon mal gesehen? Normalerweise kommt ein neuer Trainer, wenn es schlecht läuft. José Mourinho ging bei Real Madrid, weil er nichts gewonnen hat. Bayern hat alles gewonnen. Aber für mich ist Guardiolas Verpflichtung eine wunderbare Idee.
Trotz der Erfolge seines Vorgängers?
Auch Bayern braucht einen neuen Anstrich. Solche Mannschaften begnügen sich nicht damit, eine Meisterschaft und eine Champions League zu gewinnen, die wollen jedes Mal Protagonist sein. Ich glaube, Guardiolas Vorstellungen sind sehr gut, auch wenn es nicht einfach wird in der Bayern-Familie mit Rummenigge, den ich gut kenne, Beckenbauer und so. Pep freut sich auf die Aufgabe, auch die Stadt gefällt ihm. Er spricht gut Englisch und Italienisch, Deutsch wird ihm nicht schwerfallen. Ich glaube, er übertreibt mit seiner Nervosität, er wird sich leicht verständlich machen. Ich finde, er ist ein sehr deutscher Katalane, geordnet, ernsthaft. Er arbeitet viel, trainiert viel. Seine Persönlichkeit passt zu München, das ist die Stadt für ihn.
Wie ist München denn Ihrer Meinung nach?
Da begrüßen dich die Leute freundlich – hier in Argentinien und in Spanien fallen sie über dich her. In München wird er mit seiner Frau und seinen Kindern auch dann herumlaufen können, wenn er ein Spiel verloren haben sollte. Ich habe sogar den Eindruck, dass einige Bayern innerlich jetzt schon für Pep spielen. Manche Spieler hielten den Ball früher länger, waren eher Individualisten. Pep wird sehr zufrieden sein. Ich persönlich liebe München, für mich ist das eine der besten Städte der Welt. Besser als Paris. Ich war seit 1979 jedes Jahr in München, war bei vielen Festen. Irgendein idiotischer argentinischer Journalist sagte, dass um sechs Uhr nachmittags in München alle schon im Bett seien. Der Depp kannte die Münchner Nächte und Frauen nicht, der muss in einem Keller gewesen sein.
München und die Bayern dürfen sich also auf Pep Guardiola freuen?
Die Spieler wissen schon, was er will. Außerdem ist er obsessiv, ohne zu nerven. Schaut viele Spiele, studiert, kennt seine Spieler und will korrigieren, ohne die Schuld abzuladen. Der Argentinier Javier Mascherano vom FC Barcelona hat mir gesagt, Guardiola sieht Sachen, die dir auf dem Platz enorm helfen. Die Spieler schätzen ihn sehr. Guardiola weiß genau, was der Linksverteidiger bei Bayern macht, welche Schuhgröße der hat und ob er schlecht schläft. Er versteht, dass die einzige Wahrheit des Lebens das Lernen ist, bis zum Tod.
Hört sich fast übereifrig an. Wie macht man ein Team wie die Bayern noch besser?
Er wird den Erfolg zu stabilisieren versuchen. Aber sein höchstes Ziel wird es sein, eine emotionale Beziehung zwischen Publikum und Mannschaft herzustellen. Damit, selbst wenn Bayern verliert, die Leute sagen: Wir haben verloren, aber wie gut haben wir gespielt! Es gibt zwei Wege: Entweder man verwandelt den Platz in ein Schlachtfeld, wo die wilden Pferde herumlaufen. Oder du machst ihn zu einer Werkstatt, in dem Handwerker Kunstwerke schaffen. Das ist Guardiola. Wenn du einer Mannschaft von Guardiola zuschaust, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie dich der Schönheit annähert.
Inzwischen ist der deutsche Fußball überhaupt hübsch anzusehen, oder?
Ich wusste noch nie, wieso alle nur von Kraft und Disziplin der Deutschen reden, das ging mir schon immer auf die Nerven. Da gab es Overath, Beckenbauer und so weiter. Die spielten gut, sie hatten nur nicht immer den richtigen Trainer. Und wenn
jemand was von Philosophie, Musik, Literatur, Kreativität und Kunst versteht, dann die Deutschen, trotz der Kriege. Die Deutschen sind lustige Typen, saufen bis sechs Uhr morgens und stehen um acht Uhr wieder auf der Matte. Die Deutschen bauen schöne Autos. Jetzt spielen sie auch noch herrlich Fußball. Ihr habt ein wunderbares Land. In München fahren Frauen auf Fahrrädern mit ihren Kindern hinten drauf, keine Huperei den ganzen Tag wie hier. Guardiola wird sehr glücklich sein.
Welchen Einfluss hat ein Trainer?
Welchen Einfluss hatte Ihr Mathelehrer? Ein schlechter Lehrer macht dir das Leben zur Hölle, deshalb hasste ich Mathematik. Ein großartiger Trainer mit großartigen Spielern bildet ein großartiges Team. Ein großartiger Dirigent mit großartigen Musikern bildet ein großartiges Orchester. Ein schlechter Trainer kriegt nur Mittelmaß zusammen, da kann er die besten Geiger holen. Und du musst es schaffen, dass sie dich nicht nur wegen deiner Fähigkeiten als Trainer akzeptieren, sondern auch als loyale Person. Fußball ist eine große Verpflichtung.
Hat erst Guardiola Messi zum weltbesten Stürmer gemacht?
Guardiola hat Messi geführt und auch mal draußen gelassen, ihn immer in einer Funktion eingesetzt und nie als Erlöser. In Argentinien schicken sie Messi zu irgendwelchen Freundschaftsspielen sonstwohin, weil die Partie dann Millionen Dollar wert ist. Eine Schande.
Bei seinem Auftritt in Buenos Aires wurde Guardiola kürzlich als Guru verkauft. Ein bisschen übertrieben?
Pep hat in Barcelona gezeigt, dass er auch in Stürmen die Kontrolle über das Schiff behält, ohne dass man in der Kabine etwas merkt. Aber das hat nichts mit Magie zu tun. Wir sprechen von einem jungen Mann vor einer großen Herausforderung in einem großartigen Club. Da kommt ein Champion zu einem Champion.
»Argentinien und Brasilien haben heute keine Fußballkultur mehr.«
Haben Spanien und Deutschland Sie wieder mit dem Fußball versöhnt?
Mich und viele andere. Die Bundesliga wird man mit Guardiola noch mehr anschauen als die spanische Liga. Heute gehe ich in mein Restaurant, und die Leute fragen mich, ob ich das Superspiel der Deutschen gesehen habe. Alle reden von Deutschland. Ich glaube, das hat viel zu tun mit der WM 2006, mit Klinsmann, der früher mein Stürmer in Genua war, und diesem Jungen, der das jetzt macht …
… Joachim Löw?
Genau, der. Plötzlich haben die Deutschen Fahnen rausgeholt, ich hatte in Deutschland noch nie so viele Flaggen in einem Stadion gesehen. Hier ist das normal, aber in Deutschland? Klinsmann hat anders spielen lassen, eine andere Botschaft verbreitet. Es gab da einen großen Wandel. Ich glaube, Bayern und Borussia Dortmund verlagern das Gewicht aus Spanien nach Deutschland, mit Guardiola noch mehr. Das steckt an. Es gibt viele ausgezeichnete Spieler. Dieser Junge, den die Bayern gekauft haben …
… Mario Götze?
Ja, wie alt ist der, 21? Und wollten die nicht auch noch diesen Mittelstürmer von Dortmund?
Bayern kauft Dortmund für 37 Millionen Euro Götze weg, Barcelona zahlt 57 Millionen Euro für Neymar. Was sagt einer zu solchen Summen, der sich wie Sie »hormoneller Marxist« nennt?
Der Ausdruck stammt vom Schriftsteller José Saramago, aber ich fühle mich auch so. Ich empfinde eine gewisse Abscheu für den Kapitalismus. Ich glaube, dass es keine dermaßen ungerechte Welt geben darf. Aber gut, wir leben alle vom Geschäft Fußball. Man soll nur innerhalb dieses Systems das Kulturgut Fußball respektieren, das Spiel. Heute gehört der Fußball dem Big Business, und wenn da beschlossen wird, dass um drei Uhr morgens gespielt wird oder in Afrika, dann spielt man um drei Uhr morgens oder in Afrika. Argentinien und Brasilien haben heute keine Fußballkultur mehr. Früher war es in Europa so, jetzt ist es umgekehrt.
Welche Rolle spielt das Fernsehen? Es wird ja jedes Spiel übertragen, so schwach es auch sein mag.
Man muss einen sehr scharfen Blick haben und viel wissen, um Fußball im Fernsehen zu verstehen. Man muss sehen, wie die anderen stehen, ob die Innenverteidiger die Räume eng machen, ob anderswo Räume geschaffen werden, ob sich der Ballbesitz lohnt. Im Fernsehen siehst du fast nichts. Die Kamera folgt dem Ball, aber wenn Messi ihn hat, dann weißt du nicht, wo Piqué ist.
Sie wurden 1978 unter einer blutigen Militärdiktatur Weltmeister. Bereuen Sie das heute?
Nein. Es gibt nichts Größeres, als zu Hause eine WM zu gewinnen. Und glauben Sie, der Diktator Jorge Videla hätte die Diktatur erfunden? Er war nur einer von den Mörderhunden, aber nicht der Besitzer der Hunde. Das ging tiefer und schon vorher los, dahinter steckten die Wirtschaft, der wilde Kapitalismus, die Monopole. Mich, einen Linken, wollte die Militärjunta erst rauswerfen. Den Generälen hat die WM nicht viel geholfen, der Schuss ging eher nach hinten los. Wir haben 20 Millionen Menschen auf die Straße gebracht, trotz Angst und Sperrstunde, obwohl sich sonst nicht mal drei Leute versammeln durften. Nur der Fußball schafft so was.
Heutzutage soll der Fußball offenbar das ganze Leben erklären. Camus sagte …
… dass er alles, was er über Moral wisse, auf dem Fußballplatz gelernt habe. Weil Fußball ein Krieg der Worte ist. Man darf die Hände und Arme nicht benutzen, schon der Versuch einer Ohrfeige wird sanktioniert. Es kommt dann natürlich auf den Schiedsrichter an, wie auch sonst im Leben, aber die Regeln sind klar. Der Spieler und der Schiedsrichter haben alles, um den Rasen nicht zu einem Schlachtfeld zu machen. Und nicht zu vergessen: Das Spielfeld ist sehr groß, 7000 Quadratmeter. Wenn du das durch zehn Feldspieler teilst, dann muss sich jeder um 700 Quadratmeter kümmern, das ist schwierig.
Ist Fußball immer noch das beste Spiel?
Fußball ist ein sehr weises und wunderschönes Spiel. Das Geheimnis des Fußballs ist Zeit, Raum und Täuschung. Wie im Leben. Mit der Zeit umgehen, Räume finden und mit der Täuschung zurechtkommen.
(Fotos: Getty Images, Corbis, dpa/Frank Leonhardt, imago)
Foto: Ricardo Ceppi