SZ: Herr Ronson, können Sie sich selbst noch ertragen?
Mark Ronson: Warum nicht?
Sie haben mit Uptown Funk in diesem Jahr, gemeinsam mit Bruno Mars, den größten Hit Ihrer Karriere gelandet. Ob auf Tanzflächen oder beim Friseur - man kommt daran nicht mehr vorbei.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich auf diesen Song stolz sein kann und nicht wie andere Künstler meinen größten Hit in Wahrheit verachte. Man muss nur mal die Band Radiohead über ihren Hit Creep sprechen hören oder die Kings of Leon über Sex on Fire: Die hassen ihre Hits.
In vielen Künstlerkreisen gelten Mainstream-Erfolge als verdächtig.
Und ich erinnere mich noch, wie ich Bruno Mars von meiner Wohnung aus anrief und fragte: »Ich weiß, du hattest vorher schon fünf oder sechs Nummer-eins-Hits - fühlt sich das jedes Mal so gut an?« Später wurde ich mit Bruno Mars zur legendären Sendung Saturday Night Live eingeladen, dann stand Cameron Diaz vor uns und kün-digte den Zuschauern an: »Ladies and Gentlemen, hier kommen Mark Ronson und Bruno Mars!« Wow! Etwas Größeres als Uptown Funk wird mir in meinem Leben nicht mehr gelingen. Normalerweise würde ich niemals so über ein eigenes Lied sprechen, aber wir haben nun mal echt hart daran gearbeitet.
Das ist ein interessantes Spannungsfeld, in dem Sie sich bewegen: einerseits stolz auf eine Leistung sein, andererseits nicht angeben wollen.
Ich wäre bestimmt verkrampfter, wenn die Grundlage meines Erfolgs ein Lottogewinn wäre und nicht das -Ergebnis echter Arbeit. Okay, und natürlich auch einiger Zufälle. Um einen Nummer-eins-Hit zu haben, darf in derselben Woche zum Beispiel Taylor Swift keinen Song veröffentlichen.
Der Erfolg passt zu Uptown Funk - der Song klingt schon so nach Siegerlächeln, nach Extrovertiertheit, nach dem Willen, richtig was zu reißen.
Mir war klar, dass ich nur diesen einen Track mit einem Mann wie Bruno Mars auf meinem Album haben werde. Deshalb war es mir allein schon für den Erfolg meines Albums wichtig, dass dieser Track sitzt. Wir haben alle Instrumente selbst eingespielt: Bruno an den Drums, ich an der Gitarre, dazu hört man echte Bläser, und die Drums verändern sich im Laufe des Songs. Wir haben uns vielleicht einfach mehr Mühe gegeben als die anderen. Hören Sie sich mal die aktuellen britischen iTunes-Charts an und dann zum Vergleich Songs von älteren Bands wie Earth, Wind & Fire!
Sie sehnen sich nach dem Glamour früherer Zeiten?
Kann man sagen. Mich langweilen diese kleingeistigen Produktionen neuer Popsongs: Da werden einfach zwei Takte Schlagzeug kopiert und endlos aneinandergehängt. Diese Musik wird gemacht nach dem digitalen Kopieren-und-Einfügen-Prinzip. Aber es ist nicht nur meine Nostalgie. Große, aufwendig produzierte Songs der vergangenen Jahre wie Happy, Get Lucky und Uptown Funk werden auch von Kindern gemocht. Kinder sind aus meiner Sicht immer ein guter Gradmesser für die Frage, wie groß ein Song wird. Fünf oder sechs Jahre alte Kinder kennen den echten Glamour von Leuten wie Marvin Gaye oder Prince meistens ja nicht. Sie fühlen sich einfach intuitiv zu manchen Songs hingezogen.
Es heißt oft, Ihren kommerziellen Durchbruch hätten Sie durch Ihre Arbeit mit Amy Winehouse an deren Album Back To Black erreicht. Nun ist der Produzentenjob nicht klar definiert. Nehmen wir zum Beispiel Winehouses wahrscheinlich berühmtestes Lied Rehab: Welchen Anteil haben Sie daran?
Es stimmt, dass »Musikproduzent« heute eine vage Berufsbezeichnung ist. Das ist ganz anders als beim Film, wo der Produzent dazu da ist, das Geld aufzutreiben. Am ehesten vergleichbar wäre meine Arbeit mit der des Filmregisseurs. Bei Rehab lief es konkret so ab: Ich ging mit Amy eine Straße im Londoner Stadtteil Soho entlang. Wir hatten gerade den Song Back To Black aufgenommen. Sie erzählte mir, dass sie vor einem Jahr in einem runtergekommenen Zustand gewesen sei, und ihre Familie versucht hätte, sie dazu zu bewegen, in eine Entzugsklinik zu gehen, sie aber geantwortet habe: »No, no, no.« Ich sagte: »Lustig, würdest du einen Song darüber schreiben?« Erst als ich neulich den Kinofilm Amy sah, verstand ich, in welchen Schwierigkeiten sie sich auch damals befunden hatte. Denn auf mich wirkte sie heiter, sie sagte sofort: »Oh, ja, klar, lass uns das machen.« Also gingen wir zurück zum Studio. Sie schrieb den Text in zwei Stunden. Es klang düster, schwer, getragen, ganz langsam: »They tried to make me go to rehab, but I said no, no, no.« Ich schlug ihr vor, den Song eher nach einer Sechzigerjahre-Girlgroup klingen zu lassen.
Also lebendiger, mit mehr Groove, mehr Soul.
Genau, im R ’n’ B und im Pop gab es diese Art von Sechziger-Girlband-Drum-Beats nicht mehr. Ich blieb über Nacht allein im Studio und arbeitete an dem Arrangement des Songs. Das war der normale Ablauf bei uns: Amy spielte mir eine Melodie auf ihrer Gitarre vor und sang, ich arbeitete im Studio weiter daran. Und sie sagte mir am nächsten Tag, ob ihr gefiel, was sie hörte. Und dann tüftelte man gemeinsam weiter. Bei Rappern läuft die Zusammenarbeit anders ab: Denen legt man fertige Musik vor, und sie rappen dann darüber.
Empfinden Sie es als Kompliment, wenn ich sage, dass Sie Gute-Laune-Musik machen für Menschen, die knutschen und tanzen wollen?
Melancholischere Musik wird von Kritikern natürlich ernster genommen, das ist mir klar. Aber ich finde, es ist vollkommen okay, wenn Musik einen vor allem hochzieht und heiter ist. Das Wichtige ist, trotzdem auf einen vollen, satten Sound zu setzen, also für einzelne Songs mit möglichst vielen exzellenten Musikern zu arbeiten. Sonst macht man keine heitere, sondern nur leichte Musik.
Es ist ja eher selten, dass Produzenten aus dem Hintergrund treten und so bekannt werden wie Sie. Auf Ihrem ersten Album von 2003 gibt es einen kuriosen Moment: In Ooh Wee scheint die Wu-Tang-Clan-Legende Ghostface Killah Ihren Namen schlicht-weg nicht zu kennen, er nennt Sie im Song voller Inbrunst »Mark Bronson« - auf Ihrer eigenen Platte.
Ja, das war wirklich so. Ich hatte Ghostface Killah diesen Beat geschickt und telefonierte dann mit ihm. Ihm gefiel, was er hörte, er sagte: »Oh yeah, das ist abgefahrener John-Travolta-Seventies-Shit.« Und ich sagte: »Ja, genau.« Meinen Namen konnte er sich trotzdem nicht merken. Ich war zu dieser Zeit vor allem ein weißer DJ in New York.
Sie begannen schon Mitte der Neunzigerjahre, in New York aufzulegen. Und wurden schnell zu einer Szenegröße. Es muss damals Tausende DJs auf der Suche nach Erfolg gegeben haben. Was war Ihr Trick?
Ich spielte ja vor allem Hip-Hop. Und es war die Zeit, als Größen wie Busta Rhymes in ihren Songs viel sampelten, also Schnipsel alter Songs in ihre Lieder über-trugen. Was ich machte, war Folgendes: Ich zog los und suchte in Plattenläden nach den Originalen dieser Samples. Man konnte die damals nicht einfach googeln. Spielte ich dann diese sogenannten Rare Grooves, spürte man Begeisterung bei den Leuten. Ich erinnere mich, wie Puff Daddy eines Nachts zum DJ-Pult kam und sagte: »Hey, wie heißt du, Kid? Hier ist meine Nummer.«
Prominente begannen, Sie für ihre Partys zu buchen. Haben Sie diese Nächte genossen?
Ich habe zum Beispiel auf der Hochzeit von Tom Cruise und Katie Holmes aufgelegt. Die Hochzeit fand in einem wunderschönen Schloss in Italien statt. Aber man sollte sich keine Great-Gatsby-Party vorstellen, es ging erstaunlich normal zu. Ich spielte zu Beginn Hochzeitsklassiker, zum Beispiel von Michael Jackson. Sie wollten aber Hip-Hop hören, also legte ich »Gold Digger« von Kanye West auf. Die Leute sind ausgerastet. Für mich war immer klar: Ich bin auf solchen Partys ein Angestellter. Als die anderen am Ende des Abends mit Models im Arm in ihre teuren Autos stiegen, trug ich fünf Kisten voller Platten nach Hause. Es war trotzdem schön, diese Szenen zu beobachten. Puff Daddy, die ganzen Basketballer, wie sie Champagnerflaschen köpften. Aber einer wie Puffy sagte natürlich nicht: »Hey Mark, wenn du fertig bist, komm bitte unbedingt an meinen Tisch!«
War das Knallen von Champagnerkorken ein typischer Sound dieser Zeit?
Ja, solche Luxusgesten stammen ja auch ursprünglich aus dem Hip-Hop. Leute wie Justin Bieber haben das nicht erfunden. Champagnerkorken knallen zu lassen, ist in dieser Kultur eine spannende Sache, weil sie für Aufstieg steht. Die Aussage dahinter lautet: Wir kamen aus dem Nichts und haben jetzt diesen Reichtum. Wenn heute aber Leute, die schon immer reich sind, Champagner köpfen, wirkt das auf mich prahlerisch und falsch. Ich kenne diese Luxusgesten jetzt vor allem aus der Eurotrash-Achse-des-Bösen zwischen Ibiza und Saint-Tropez. Das reizt mich nicht. Wenn man Durst hat und was Schönes trinken möchte, sollte man den Korken einer Champagnerflasche auf eine bescheidene, stille Art entfernen.
Luxus sollte also immer auch originell bleiben?
Manche denken, es reiche, einen angesagten DJ zu buchen. Ich legte damals fünfmal pro Woche auf. Und da ich in Clubs nur etwa 300 bis 400 Dollar pro Nacht verdiente, plante ich immer auch ein paar Geld-Auftritte ein, bei Martha Stewarts Weihnachtsfeier zum Beispiel oder bei Donald Trump. Feiern, auf denen ich eigentlich nicht sein wollte.
Donald Trump soll Sie dazu gedrängt haben, den Song Macarena zu spielen.
Ja, Donald Trump eben. Die Feier fand im verrückten Trump Tower statt. Ich bewegte mich dort nicht frei. Bis zu meinem Auftritt wurde ich in ein Zimmer gesetzt und hatte zu warten. Ich nahm den Angestellten-Aufzug. Na ja, heute ist der Mann das größte Geschenk, das die Demokratische Partei in den USA je bekommen hat. Auch gut.
Was macht eine gute Feier aus?
Die Leute starren nicht andauernd auf ihre Smartphones, um ihren Freunden mitzuteilen, dass sie gerade angeblich tanzen. Den schönsten Nachtleben-Moment hatte ich bei einem Auftritt im Berliner Mauerpark mit DJ Hudson Mohawke. Diese jungen Leute dort erinnerten mich sehr an das Publikum aus der Zeit, als ich 23, 24 Jahre alt war. Sie schienen wirklich wegen der
Musik gekommen zu sein.
Kommt es einem als DJ vielleicht einfach nur so vor, dass den Leuten die Musik so wichtig ist?
Der »Cheetahs Club« in New York bestand aus einer riesigen Tanzfläche und sechs Tischen an den Wänden des Raums. Einer davon stand direkt neben dem DJ-Pult. Als ich einen Song auflegte, der einem von den Drogendealern nicht gefiel, hörte ich Dinge wie: »What da fuck are you doing, white boy? You’re killing my flow with these -ladies here.« Es ging also sehr ernsthaft um Musik.
Um eine gute Zeit zu haben, sollte man sich einer Sache ganz hingeben?
Es hilft. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Nacht, in der ich im »Shine Club« auflegte. Auf einmal kamen die beiden Superstars Jay-Z und Biggie Smalls zur Tür herein - im Partnerlook. Sie hatten sich offensichtlich abgesprochen. Beide trugen weiße Zuhälter-Hüte. Ich war fassungslos. Ein großer Auftritt.
Werden die großen Gesten heute zu selten gewagt?
Das Problem ist, dass große Luxusgesten heute auf eine langweilige Art institutionalisiert sind. Die Tanzflächen werden immer kleiner - und die öden VIP-Bereiche
dafür immer größer. Dort bestellt jemand dann eine 20 000-Euro-Magnumflasche und freut sich. Das kann ich nicht nachvollziehen. Das ist nicht originell, sondern nur ein Abklatsch alter Hip-Hop-Gesten.
Wann haben Sie selbst begonnen, Wert auf Ihr Erscheinungsbild zu legen?
Das begann an einem für mich entscheidenden Tag. Ich hatte damals ein kleines Label und versuchte, einen Plattenvertrag für einen meiner Künstler zu bekommen. Wir hatten einen Termin bei J-Records gehabt, Ecke 57th Street und 5th Avenue. Das muss 2005 gewesen sein. Es sah gut aus, dass wir den Vertrag bekommen würden. Nach dem Termin lief ich also die 57th Street runter. Ich sah den Männerladen von Christian Dior. Das war zu der Zeit, als Hedi Slimane dort alles revolutionierte. Enge schwarze Jeans, Lederjacken. Ich ging hinein und probierte eine schwarze Lederjacke an. Sie sah irre gut aus und fühlte sich auch so an. Also ging ich zur Kasse. Der Verkäufer sprach die Worte, an die ich mich noch besser erinnere als an mein erstes Mal Sex: 2497 Dollar. Das Teuerste, was ich bis dahin gekauft hatte, waren Nike-Turnschuhe in einer speziellen Edition aus Japan für 300 Dollar. Ich wusste echt nicht, dass Kleidung so teuer sein konnte. Mir war das peinlich, ich wollte keinen Rückzieher machen, also gab ich dem Mann meine Kreditkarte.
Wurden Sie zum regelmäßigen Käufer?
Damals hatte ich nicht so Geld wie heute. Doch ich verstand zum ersten Mal, warum Menschen solche Beträge für Mode ausgeben. Ich konnte mich dafür begeistern. Und verfolgte dann weiter Slimanes Karriere. Wie er nach einer Pause zu Saint Laurent kam und wieder alles umkrempelte. Meine Freunde und ich gingen in jener Zeit immer wieder in den Dior-Laden und staunten. Es ist, als hätte Slimane eine Art übernatürliches Gespür dafür, was Männer neidisch macht.
Ist Ihnen jetzt, wo Sie Geld haben, der Besitz schöner Dinge wichtig?
Ich halte es ein wenig wie mit dem Sammeln von Vinylplatten: Ich will nicht einfach uninformiert draufloskaufen, ich will mich auskennen. Ich bin zum Beispiel dabei, Kunst zu sammeln. Ich habe ein Bild von Rene Ricard gekauft. Er war Kunstkritiker, hat aber auch Cover fürs Interview-Magazin gemacht. Im Jean-Michel-Basquiat-Film aus dem Jahr 1996 von Julian Schnabel kann man ihn als Menschen und Künstler kennenlernen.
Welchen Luxus leisten Sie sich?
Ich mag gute Hotels, zumindest wenn ich zweimal im Jahr privat mit meiner Frau verreise. Unsere Flitterwochen zum Beispiel verbrachten wir in diesem unglaublichen Hotel namens »Il Pellicano«, etwa zwei Autostunden von Rom entfernt. Mein Haus habe ich auch etwas schöner und bewusster eingerichtet als frühere Apartments. Ich bin jetzt 40 Jahre alt. Das Sofa im Wohnzimmer habe ich von einem Freund bekommen, denn es war der Ort, an dem ich zum ersten Mal meine Frau geküsst habe.
Ihre Frau ist die französische Schauspielerin Joséphine de La Baume. Welches Geschenk haben Sie ihr zuletzt gemacht?
Das waren Ohrringe zu ihrem Geburtstag, vom Juwelier Ben Day, bei mir um die Ecke in London.
Haben Sie, was Geschmacksfragen angeht, von Ihren Eltern gelernt? Ihre Mutter ist die Autorin Ann Dexter-Jones, Ihr Stiefvater ist Mick Jones, der Gitarrist der Band Foreigner.
Eltern prägen einen insofern, als man durch sie versteht, was man gut findet, aber auch, was nicht. Als ich mit fünfzehn in meiner ersten Band spielte, lieh ich mir von meiner Mutter für Bühnenauftritte immer ihre etwas verrückt aussehenden Mäntel mit M.C.-Escher-Aufdrucken. Meine Mutter hat ein großartiges Stilempfinden.
Ist es wahr, dass der Welthit I Wanna Know What Love Is von Foreigner für Ihre Mutter geschrieben wurde?
Ja, mein Stiefvater hat den Song für sie geschrieben.
Sie haben Ihre Frau 2011 geheiratet. Wen haben Sie als Hochzeits-DJ engagiert?
Das ist eine merkwürdige Geschichte. Ich hatte Bands gebucht, die Meters und die Pointer Sisters. In den Pausen merkte ich dann: Mist, es ist still, keine Musik. Ich hatte vergessen, einen DJ für meine Hochzeit zu engagieren.
Foto: Tung Walsh