Extrem toll

Das höchste Dorf, die tiefste Höhle: Wer Rekorde sucht, fährt nicht nach Malle. Acht Reiseziele für alle, die einmal im Leben Reinhold Messner sein wollen.

Kanada: Die höchste senkrechte Steilwand 

Nirgends sonst geht es so rapide bergab.

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Immer wieder versuchen Extrem-Kletterer das Granitmassiv im eisigen Land der Inuit zu bezwingen. Denn die Aussicht von der Spitze des Mount Thor ist spektakulär: 1250 Meter geht es hier fast senkrecht nach unten. Damit hat der Berg auf Baffin Island im Nordosten Kanadas die höchste Steilwand der Welt. Das erste Mal gelang der Aufstieg 1965 ein paar Kanadiern, wenige haben es danach geschafft, einer verunglückte sogar. Der Aussichtspunkt im Nationalpark Auyuittuq lässt sich allerdings auch vom Bergrücken her erklimmen. Doch auch das ist gefährlich: Es gibt zwar eine Route, der Steigungswinkel beträgt aber bis zu 65 Grad, und immer wieder löst sich kiloschweres Geröll. Darum: Lieber eine geführte Tour bei einem Spezialanbieter buchen.


Zum Mount Thor zu kommen ist fast genauso schwierig, wie ihn zu besteigen. Flüge nach Ottawa gibt es um 1000 Euro. Von dort aus bietet First Air Inlandsverbindungen für ca. 1000 Euro nach Pangnirtung an. Zum Eingang des Nationalparks am Akshayuk-Pass sind es 30 Kilometer per Boot (im Winter per Schneemobil). Vom Parkeingang zum Mount Thor brauchen Wanderer rund vier Stunden. Kleiner Trost: Bei der teuren Anreise ist die Übernachtung gratis. Am Fuße des Mount Thor gibt es eine Hütte für bis zu vier Personen. Campen ist überall erlaubt.

Georgien: Die tiefste Höhle

Georgien: Die tiefste Höhle

Die tiefste Höhle der Welt ist schwer zu erreichen - schon beim Anblick fühlt man sich wie im Guinness-Buch.

Ein Reiseziel mit so viel Tiefgang können nur Forscher erreichen.

Die Steilwand des Mount Thor ist vielleicht doch etwas zu schwierig? Dann wäre die tiefste Höhle eine Alternative. Bis in 2191 Meter Tiefe erforschte ein Expeditionsteam 2007 die georgische Voronya-Höhle. Doch selbst bei diesem Minusrekord ist nach Meinung der Wissenschaftler längst nicht Schluss. Die Höhle im West-Kaukasus an der Grenze zu Russland ist eine verästelte Kalksteinformation. Auf einer Strecke von insgesamt 13 000 Kilometern führen dunkle, abschüssige Gänge in den Untergrund. Bislang haben die Höhle nur internationale Forscherteams in aufwendigen Expeditionen erkundet. Die Voronya-Höhe (auch Krubera-Höhle genannt) ist kein Touristenziel - selbst wenn sie in den Bergen rund um den Badeort Sotschi liegt.

Ab Wien bietet Aeroflot einen Trip in den russischen Badeort Sotschi bereits für 480 Euro an. Von Sotschi geht es mit einem gemieteten Jeep über die Grenze nach Georgien. Bei ihrer Expedition 2005 errichteten die Höhlenforscher ein Basislager im Ortobalagan-Tal. Von Sotschi sind es dorthin nur 32 Kilometer. Die Fahrt dauert wegen des Höhenunterschiedes von 2000 Metern rund vier Stunden. Anschließend müssen Höhlenkletterer noch ca. 240 Höhenmeter zu Fuß überwinden, um zum Lager zu kommen.

Hawaii: Der regenreichste Ort

Hawaii: Der regenreichste Ort

Man kann ihn nicht besuchen, nur überfliegen - zum Glück.

Nein, er liegt nicht in England! Den niederschlagreichsten Ort haben Meteorologen im eigentlich sonnenverwöhnten Hawaii ausgemacht. Genauer: auf dem Gipfel des Waialeale, des zweithöchsten Bergs der tropischen Pazifikinsel Kauai. Dort messen sie im Jahresmittel 11 700 Liter Niederschlag pro Quadratmeter - bei 335 Regentagen im Jahr. Kein Wunder, dass der hawaiianische Name Waialeale übersetzt »plätscherndes Wasser« bedeutet. Den 1569 Meter hohen Gipfel krönt stets eine weiße Dunsthaube. Dieses Wolkenheim zu besuchen ist allerdings selbst mit Allwetterkleidung schwierig bis unmöglich. Der Waialeale liegt mitten im Regenwald, und es gibt keine Wanderwege dorthin.

Flug über Los Angeles nach Honolulu auf Hawaii. Von dort ist es noch mal ein 20-Minuten-Flug nach Lihue, dem Hauptort der Insel Kauai. Eine Gipfeltour auf den Waialeale ist nicht buchbar, allerdings können Urlauber den wolkenverhangenen Gipfel bei einem Helikopter-Rundflug anschauen - bevor sie sich wieder an die tropischen Strände legen. Kosten insgesamt: ab 2000 Euro.

Bolivien: Der flachste Ort der Erde

Bolivien: Der flachste Ort der Erde

Weil das Licht am flachsten Ort der Welt besonders reflektiert, gibt es dort viele optische Täuschungen. Aber die Flamingos sind echt.

Halluzinationen sind das Einzige, was es hier zu sehen gibt.

Zum Salar de Uyuni fährt man am besten nicht allein. Denn der flachste Ort der Erde ist nicht nur eine Salzwüste und 10 000 Quadratkilometer groß, die Sonne sticht hier in den Bergen Boliviens auf 3653 Metern besonders unerbittlich. Mitreisende sollen einen also nicht nur vor dem Verlaufen oder dem Hitzetod bewahren, sondern auf alle Fälle auch vor dem Wahnsinn. Denn hier können einem die eigenen Sinne schon mal einen Streich spielen - der Salar de Uyuni ist berühmt für seine optischen Täuschungen. Das liegt an seinem ungewöhnlichen Untergrund, der das Licht reflektiert: Der Salar de Uyuni besteht aus zehn Milliarden Tonnen gleißend hellem Kristall, das Erbe eines ausgetrockneten Salzsees. Diese Mondlandschaft ist eine Touristenattraktion. Spiegelglatt und surreal zugleich.

Flug nach La Paz, von dort weiter mit dem Flieger, Nachtbus oder Zug nach Uyuni (insgesamt ca. 2000 Euro), eine 3-Tages-Tour durch die Wüste kostet rund 45 Euro p. P. Es gibt auch 15-Tage-Bolivien-Pauschalpakete ab 1099 Euro p. P. ab Deutschland.

Tibet: Die höchste Straße der Welt

Tibet: Die höchste Straße der Welt

Auch wenn die Luft dünn ist: Bestes Verkehrsmittel ist das Rad.

Es ist nicht ganz klar, wie man sein Fahrrad auf die höchste Straße der Welt bekommt. Tatsache ist aber: Man kann da oben auch radeln. Der Semo La in Zentraltibet ist zwar nicht asphaltiert, aber doch ein so gut ausgebauter Gebirgspass auf 5565 Metern, dass hier sogar regelmäßig ein Bus verkehrt - und immer wieder auch Extremradler. Sie berichten, Panorama und Klima auf der Hochebene seien atemberaubend und karg. Der Schweizer Beat Heim machte die Tour im Jahr 2005. Er hielt sich damals allerdings nicht lange mit der Frage auf, wie er sein Rad bis nach Tibet transportieren sollte. Er strampelte einfach vor seiner Haustür los - nach 277 Tagen war er da.

Man braucht neben einem Visum für China auch eine Einreisegenehmigung nach Tibet (Tibet Travel Permit) im Original. Daher ist eine Übernachtung z. B. in Peking (Flug ab 650 Euro) Pflicht, bevor man Tibet bereisen kann. Von China geht es weiter mit dem Flieger oder der Tibetbahn bis nach Lhasa. Von Lhasa führt die schnellste Verbindung (auch mit dem Rad) zur Passstraße Semo La über den Friendship Highway in Richtung Kathmandu bzw. zum Berg Kailash. Bei Lhaze fährt man weiter westwärts auf der S219, bis man hinter Raka nördlich auf die S206 abbiegt.  

Point Nemo: Der abgelegenste Ort

Point Nemo: Der abgelegenste Ort

Alles andere als nahe liegend: Hierher verirren sich nur Seefahrer.

Der abgelegenste Ort auf dieser Erde trägt keinen Namen und ist nur eine Spinnerei von Geografen. Die haben nämlich ausgerechnet, welche Punkte auf unserem Planeten besonders weit von einer Küste entfernt sind. Sogar einen Fachbegriff gibt es dafür, und der mutet regelrecht poetisch an: Pole der Unzugänglichkeit. Der unzugänglichste ist der Wasserpol. Manche nennen ihn in Erinnerung an Jules Verne auch Point Nemo. Das Versteck des legendären Kapitäns liegt demnach exakt auf den Koordinaten: 48° 52 31,75'' S, 123° 23 33,07'' W. Von dieser Stelle im Südpazifik sind es 2688 Kilometer bis zur nächstgelegenen Insel, den Ducie Islands im Norden. Direkte Nachbarn sind im Nordosten die Osterinseln, im Osten Chile und die Antarktis im Süden.

An Bord der Nautilus wäre die Reise zum abgelegensten Ort natürlich kein Problem. Alle anderen machen entweder einen Doktor in Geografie und heuern auf einem Expeditionsschiff an (umsonst). Oder nehmen das nächste Mal 2014 beim »Barcelona World Race« teil, einer Non-Stopp-Regatta rund um den Globus mit je zwei Mann auf einer Yacht, und kreuzen 48° 52 31,75 S, 123° 23 33,07 W. (Teilnahmegebühr ebenfalls umsonst, vorausgesetzt man besitzt eine Yacht).

Venezuela: Der höchste Wasserfall

Venezuela: Der höchste Wasserfall

Indianer vermuten hier das Jenseits - so himmlisch geht es hier zu.

Sie sind 18 Mal so hoch wie die berühmten Niagarafälle. Eigentlich klar, dass so ein Naturwunder versteckt im Dschungel liegt: im Nationalpark Canaima im Südosten Venezuelas. Die nächste Straße ist mehr als 170 Kilometer entfernt, dichter Urwald rankt sich um das UNESCO-Welterbe wie ein eifersüchtiger Beschützer. Ansässige Indianerstämme meiden den Kerepakupai merú. Der mit 979 Meter höchste Wasserfall der Erde heißt in ihrer Sprache »Fall vom höchsten Punkt«. Die Einheimischen glauben, wo das Wasser aus dem oft wolkenverhangenen Himmel stürzt, beginnt das Jenseits. Der Rest der Welt kennt die Rekordkaskade seit 1933, als der Amerikaner Jimmie Angel den Wasserfall zum ersten Mal überflog. Seitdem heißt er Angel Falls oder, auf Spanisch, El Salto Ángel - was noch heute ein bisschen nach Abenteuer und Jenseits klingt.

Die Angel Falls sind zwar ein beliebtes Touristenziel, aber nicht einfach zu erreichen. Wer den höchsten Wasserfall von unten sehen will, fliegt von Ciudad Bolívar zur Indianersiedlung Canaima (rund 90 Euro) und chartert ein Motorboot für eine 5-stündige Tour Richtung Angel Falls, übernachtet am Basislager in Hängematten und bricht am nächsten Tag zu einem 1- bis 2-stündigen Marsch zum Wasserfall auf (Bootstour, Übernachtung, ca. 370 Euro).

Deutschland: Die schmalste Straße

Deutschland: Die schmalste Straße

Horden von Touristen lassen sich hier in die Enge treiben.

Hat Deutschland eigentlich kein Reiseziel der Superlative? Doch! Das schwäbische Reutlingen überrascht mit dem engsten Gässchen der Welt. An ihrer schmalsten Stelle misst die Spreuerhofstraße gerade mal 31 Zentimeter, an ihrer breitesten 43 Zentimeter. Da passt nicht mal ein Fahrrad durch. Menschen sehr wohl. Eben weil die Reutlinger das 300 Jahre alte Brandschutzgässchen im Herzen der Altstadt seit je als Abkürzung benutzen und der Grund der Stadt gehört, stellte das Guinness-Buch der Rekorde 2007 die begehrte Urkunde aus. Seitdem zwängen sich immer mehr Touristen durch den Spalt. So viele, dass die Anwohner der engsten Straße der Welt kürzlich entnervt ihre Bewegungsmelder für die Beleuchtung abbauten - ihre Lampen brannten fast rund um die Uhr.

Mit einem Wochenend-Ticket der Deutschen Bahn reist man für 40 Euro/Familie zu Deutschlands Rekord-Straße.

Illustrationen: Owen Freeman