Hannelore Elsner

»Wir jungen Frauen waren umgeben von diesen väterlichen Vergewaltigern. Von solchen Männern mussten wir uns damals befreien«

SZ-Magazin: Frau Elsner, lassen Sie uns über 1968 reden. Damals waren Sie mit Die Lümmel von der ersten Bank im Kino.
Und ich habe Theater gespielt: Slawomir Mrozeks Tango an den Münchner Kammerspielen. Eine ganz berühmte Aufführung mit Klaus Löwitsch und Maria Nicklisch. Ich war die erste Nackte auf der Bühne der Kammerspiele, wenn auch nur drei, vier Sekunden lang. In Die Lümmel von der ersten Bank habe ich nur gespielt, um Geld zu verdienen. Ich konnte damals nicht ahnen, dass die Filme vierzig Jahre später immer noch im Fernsehen laufen.

Bis 1968 haben Sie mehr als 30 Filme gedreht. Hatten Sie überhaupt Zeit, sich politisch zu engagieren?
Mit den Studentenunruhen hatte ich wenig zu tun. Ich musste ja arbeiten und Geld verdienen. Ich war keine Studentin mehr, sondern in meinen Lehrjahren als Schauspielerin. Nach den Aufführungen habe ich mich oft in den Nachtzug gesetzt und bin nach Paris gefahren. Was haben Sie da gemacht?
Französisch gelernt. Wir haben damals alles, was französisch war, geliebt. Eine Zeit lang habe ich in einer Pension gewohnt, die »Villa des Fleurs«. Das war ein halber Puff. Ich habe auch die Ausschreitungen mitbekommen – und ich habe mir französische Klamotten gekauft. Die habe ich auch im ersten Teil von Die Lümmel von der ersten Bank getragen. Darin spiele ich eine französische Austauschschülerin, ziemlich süß.

Mögen Sie die Mode von damals noch?
Ja, alles: die Hotpants, die Maximäntel, Gürtel, Ketten, buntes Zeug. Besonders die
Miniröcke standen mir gut, aber ich würde sie heute nicht mehr anziehen. Nicht weil ich zu alt dafür bin, sondern weil ich das schon gehabt habe.

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Haben Sie die Ideale der Studentenbewegung geteilt?
Ja, natürlich. Und es war wichtig, diese Ideale in die Welt zu tragen – aber mich haben sie nicht erstaunt. Mein Vater ist gestorben, als ich acht war. Danach habe ich meiner Mutter geholfen und war der Mann im Haus. Ich habe mich immer schon frei und selbstständig gefühlt.

Wo standen Sie politisch? Hatten Sie eine Mao-Bibel?
Nein. In meiner Dachwohnung hing ein Poster von Che Guevara. Und ich habe Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer gelesen. Wir jungen Frauen waren ja umgeben von diesen Papa-Männern, diesen väterlichen Vergewaltigern, die uns angeblich fördern wollten, aber nie ernst genommen haben. Von solchen Männern mussten wir uns damals befreien.

Wen haben Sie bewundert? Rainer Langhans?
Ach Gott, der Langhans. Ich habe Willy Brandt bewundert. Diese Leute in der Kommune 1 haben sich ja als Models dieser Zeit gesehen. Die haben sich zeitgeschichtlich erlebt, ich dagegen habe mich direkt erlebt.

Waren Sie mit Studenten befreundet?
Sicher. Während die »Ho Chi Minh« geschrien und sich um die Revolution gekümmert haben, habe ich Filme synchronisiert und Geld verdient. Wenn wir dann zusammen nach Stromboli oder Ibiza gefahren sind, habe ich alles bezahlt. Wissen Sie, viele von denen waren ja »Gauche caviar«, Kaviar-Linke. Sie waren Marxisten, sie haben das Leben genossen und trugen weiße Seidenanzüge von Yves Saint Laurent.

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