Sternhageltoll

Queen Elizabeth II. eröffnet die neue Sitzungsperiode im britischen Unterhaus in einem Hut-Kostüm-Ensemble, das an eine EU-Flagge erinnert. Was sie den Abgeordneten damit sagen will.

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Deine Zauber binden wieder / Was die Mode streng getheilt, heißt es in der »Ode an die Freude« von Schiller, jenem euphorischen Meisterwerk, das die EU sich einst als Hymne gegeben hat. Die Zauber, die wieder binden, das waren zuletzt der europaverliebte Macron, Guy Verhofstadt mit seinen fulminanten Reden im EU-Parlament und die wachsende Pulse-of-Europe-Bewegung, die einen (wieder) daran erinnern, dass der europäische Frieden eine Errungenschaft ist, für die es sich zu kämpfen lohnt. Vor allem gegen die »Mode« regressiver Kräfte.

Am Dienstagabend wurde der 96-Jährige Prinz Philipp ins Krankenhaus eingeliefert, eine Vorsichtsmaßnahe hieß es. Queen Elizabeth II. wird an diesem Abend also eher nicht mit einem Gin and Tonic in der Hand durch ihre Gemächer gelustwandelt sein, listig die obigen Zeilen vor sich hingesummt haben und überlegt haben: Was ziehe ich wohl am nächsten Morgen an, wenn ich mal wieder die Sitzungsperiode des britischen Parlaments eröffne.

Fest steht aber: Das Ergebnis ihrer Überlegungen wird in die Modegeschichte eingehen als das amüsanteste und meist diskutierte »Statement Dressing« in der Politik seit, ja: Joschka Fischers Turnschuhen bei der Vereidigung im hessischen Landtag 1985.

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29 Prozent aller Outfits der Queen sind in Blautönen gehalten, hat die britische Vogue einmal akribisch nachgezählt. Dass die Monarchin in einem royalblauen Ensemble erschien, farblich allenfalls ähnlich zum Fond der EU-Flagge, ist noch nicht bemerkenswert. Das Entscheidende war der Hut: Klar, die queen-typische Ufo-Tortenform, aber die Seidenblumen an der Krone (so heißt der vertikale Teil des Huts) waren mit goldgelben Blüten-Knöpfen versehen. Und das machte aus einem blauen Kostüm eben eine menschliche EU-Flagge, so die einhellige Lesart in den sozialen Netzwerken.

Die Queen wolle mit ihrem Flaggenoutfit der EU goodbye winken, vermutete der britische Guardian prompt und konstatierte außerdem eine erstaunliche Ähnlichkeit des Huts mit Van Goghs Sternennacht-Gemälde.

Was die Queen und ihre Stylisten sich gedacht haben, wird man nie erfahren. Aber man kann sich nochmal vor Augen führen, was die aktuelle Sitzungsperiode von vorigen unterscheidet, exakt ein Jahr nach dem Referendum über den EU-Austritt. Die Abgeordneten müssen jetzt den Brexit tatsächlich auf den Weg bringen, die ersten acht Gesetzesentwürfe, mit denen Theresa May den Austritt regeln will, stellte die Queen bereits in ihrer Rede vor. Weil so viele Veränderungen anstehen, wurde die Sitzungsperiode sogar von zwei Jahren auf drei verlängert. Glaubt nicht, dass es in der nächsten Zeit um irgendein anderes Thema geht – auch als strenger Reminder an die Abgeordneten lässt sich Kleiderwahl der Queen verstehen.

Im Vorfeld des EU-Referendums will die Tageszeitung Telegraph erfahren haben, die Queen, die ja als konstitutionelle Monarchin zur Neutralität verdammt ist und deren berühmtes not amused das deutlichste ist, das über ihre politischen Ansichten kursiert, sei Pro-Brexit, ein Gerücht, das aufgrund einer angeblichen Äußerung bei einem Abendessen entstand. Der Telegraph machte es zu einer Behauptung und hob es auf die Titelseite, um in der aufgeheizten Stimmung vor dem Referendum ein paar Blätter mehr zu verkaufen. Der Buckingham-Palast dementierte sofort.

Ihr Flaggenlook ist wahrscheinlich keine erneute Richtigstellung dieses Gerüchts, kein Pro-Europa-Bekenntnis, sondern nach elf Premierministern, die sie in ihrer Regentschaft überdauert hat, nur der weise Rat: Auch wenn die EU bald den ein oder anderen Stern weniger hat, wie auf meinem Hut, ihr könnt sie noch nicht abschreiben. Genau wie mich.

Wird getragen mit: Papierfähnchen, süffisantem Lächeln
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Well played, your Majesty!