Unter uns

Quallen sind für Sie nur lästige Viecher, die einem im Sommer den Strandurlaub vermiesen? Da tun Sie ihnen unrecht. Wir haben alles zusammengetragen, was Sie wissen müssen. Meer brauchen Sie nicht.

FLASCHENPOST EINES GESTÖRTEN ÖKOSYSTEMS

Meeresforscher betrachten das vermehrte Auftreten von Quallen als Mitteilung aus dem Meer, dass sich die Lebenswelt der Ozeane drastisch verändert. Gerade in Küstennähe wird das Wasser durch die Verschmutzung der Meere immer nährstoffreicher und durch den Klimawandel immer wärmer, was das Wachstum von Algen fördert. Von Algen ernähren sich die kleinen Krebstierchen des ZOOPLANKSTONS, das wiederum Hauptnahrung der Quallen ist. Die stärkste Konkurrenz der Quallen um dieses Futter, die Fische, haben jedoch durch Überfischung stark abgenommen – und damit zugleich auch die Zahl ihrer natürlichen Feinde: Schildkröten, Thunfische, Schwertfische oder Haie. Da sich Quallen außerdem auch von Fischbrut ernähren, verschiebt sich das Verhältnis der Arten immer weiter zu ihren Gunsten – in manchen Fällen, wie im norwegischen Lurefjord, haben Quallen die Fischbestände fast vollkommen verdrängt. Und Quallen sind Überlebenskünstler: Wenn das Nahrungsangebot knapp wird, verhungern sie nicht sofort, sondern beginnen zu schrumpfen und kommen so mit weniger Futter aus. Wenn Meeresforscher dieses weltweite Phänomen beschreiben, sprechen sie vom »rise of slime«, dem Aufstieg des Glibbers – wir erleben, sagen sie, den Anfang eines »JAHRHUNDERTS DER QUALLEN«.

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Zooplankton

AUF DEM TROCKENEN

Quallen bestehen zu 98 Prozent aus Wasser: Trocknet eine Ohrenqualle – die an deutschen Stränden häufigste Art, die bis zu einem Pfund wiegen kann – komplett ein, bleibt nur ein Häufchen von wenigen Gramm.

DIE LÄNGSTEN MEERESTIERE

1. Der BLAUWAL ist das größte Säugetier der Welt und außerdem das größte Meerestier: Blauwale werden bis zu 33 Meter lang und wiegen bis zu 130 Tonnen.
2. Die in den Meeren der Arktis vorkommenden KOLOSS-KALAMARE können bis zu 18 Meter lang werden und 900 Kilogramm wiegen. Sie sind die größten wirbellosen Tiere der Welt.
3. Der WALHAI ist der größte Fisch im Meer, er kann bis zu zwölf Meter lang werden. 4.Die GELBE HAARQUALLE, besser bekannt als Leucht- oder Feuerqualle, hat zwar einen kleinen Körper, ihre Tentakel trägt sie aber in acht Gruppen von jeweils mehr als 150 Stück. Manche davon werden länger als ein Linienbus: bis zu 30 Meter.
5. DIE JAPANISCHE RIESENKRABBE ist die größte Krebsart der Welt – von Krabbenbein zu Krabbenbein misst sie fast vier Meter.

GROSS UND KLEIN

Die kleinste bekannte Qualle ist kaum einen Millimeter groß: Die HALAMMOHYDRA lebt in Sandlücken des Nordseestrandes.
Zu den größten Quallen zählt die NOMURA-QUALLE, die vor Japan lebt: Sie besitzt einen Körperdurchmesser von bis zu zwei Metern und kann ein Gewicht von 200 Kilogramm erreichen – eine Gruppe dieser Quallen brachte 2009 einen Fisch-kutter zum Kentern, nachdem sie in dessen Netze getrieben waren.

Halammohydra - 0,8mm (20.1)        Nomura-Qualle - 2000mm (1.50)

DIE FÜNF GIFTIGESTEN MEERESBEWOHNER

1. SEEWESPE
Die Seewespe, eine Quallenart, die vor allem an den Küsten Australiens vorkommt, zählt zu den tödlichsten Tieren des Ozeans: Sie trägt in ihren Nesselzellen genug Gift, um auf einen Schlag 250 Menschen zu töten.
2. BLAURING-OKOPUS
Sobald diese Oktopusart, die im Pazifik lebt, die leuchtend blauen Ringe auf ihrem Körper zeigt, fühlt sie sich bedroht und ist bereit zum Biss. Ihr Gift führt beim Opfer innerhalb von zwei Stunden zur Atemlähmung.
3. STEINFISCH
Auf der Rückenflosse der im Pazifik vorkommenden Steinfische sitzen Stacheln, die ein extrem potentes Neurotoxin injizieren können. Die Stiche sind auch für den Menschen tödlich, wenn sie nicht sofort behandelt werden.
4. PLÄTTCHEN-SEESCHLANGE
Das Gift von Seeschlangen wie der Plättchen-Seeschlange, die im Indischen Ozean und im Pazifik lebt, ist toxischer als das von Landschlangen. Allerdings sind Seeschlangen sehr scheu und selten aggressiv.
5. FEUERKORALLE
Feuerkorallen, aus denen tropische Korallenriffe zum Teil aufgebaut sind, zählen zu den Nesseltieren – das Gift ihrer Nesselzellen brennt stark und kann Narben hinterlassen.

Mahlzeit

MAHLZEIT

Quallen schmecken nach nichts – wegen ihres fehlenden Eigenaromas eignen sie sich jedoch gut als Geschmacksträger: In Sojasoße und Sesamöl mariniert sind sie in Japan eine Delikatesse. Gesund sind sie auch – kaum Kalorien, frei von Cholesterin oder gesättigten Fetten, aber reich an Proteinen. Bestes Stück der Qualle: ihr Schirm, der im Gegensatz zu den gummiartigen Innereien sehr zart ist. In Japan kosten Quallenschirme bis zu 20 Euro pro Kilo und damit mehr als manche Fischart. Von den Hunderten Quallenarten weltweit ist aber nur rund ein Dutzend essbar.

HERZLOSE SÄCKE

Quallen haben kein Hirn, kein Herz und keine Lunge. Ihr Mund ist zugleich ihr After; ihr Körper ist nur aus jeweils einer Zellschicht an der Innen- und Außenseite aufgebaut, die einen sackartigen Hohlraum umschließen. Zwischen den beiden Schichten liegt eine gallertartige Substanz aus Wasser, Proteinen und Zucker, die in der Lage ist, Sauerstoff zu speichern – so können Quallen selbst in sauerstoffarmem Wasser überleben. Quallen sind Nichtschwimmer und weitgehend hilflos der Strömung und dem Wind ausgeliefert.

GROSSVÄTERCHENS QUALLE

Quallen zählen zu den ältesten Lebewesen der Erde: Sie haben mehr als 500 Millionen Jahre Evolution überdauert.

FEUER FREI

DIE NESSELKAPSELN sind die eindrucksvollen Jagdwerkzeuge der Qualle. Bei Feindkontakt steigt der Innendruck der Kapsel auf 150 Bar, das 80- Fache des Luftdrucks in Autoreifen. Der Deckel der Kapsel springt auf, ein winziger Pfeil mit einem Giftfaden schnellt heraus und bohrt sich in die Beute.

ERSTE HILFE

Wer die Nesselzellen einer Qualle berührt hat, sollte als Erstes zurück ans Ufer. Dann ruhig verhalten, da Bewegung die Nesselzellen aktiviert. Betroffene Stellen auf keinen Fall mit Süßwasser oder gar Alkohol abwaschen, das lässt die Nesselkapseln erst recht explodieren. Besser: Den Nesselschleim mit Meerwasser oder, wenn zur Hand, Essig abspülen. Dann Sand auf die betroffene Stelle, den man mit einer EC-Karte oder einem Sandschäufelchen abstreift – und damit auch die verbliebenen Nesselzellen. Hilfreich ist eine Dose Rasierschaum in der Badetasche: Wird der Schaum aufgetragen, explodieren die restlichen Nesselzellen darin und man kann ihn vorsichtig abschaben. Bei Atemnot oder Fieber sofort einen Arzt aufsuchen. Als vorbeugende Maßnahme schwören die Katalanen darauf, den Körper vor dem Baden mit Olivenöl einzureiben und so den Stich der Nesselzellen abzumildern.

DER SCHWARM

Im November 2007 trieb ein gewaltiger Schwarm Feuerquallen in eine Bucht nördlich von Belfast – direkt in die Netzkäfige der nordirischen Lachsfarm »Northern Salmon«, die unter anderem das britische Königshaus beliefert. Der Schwarm bedeckte eine Fläche von 25 Quadratkilometern und reichte in eine Tiefe von zehn Metern. Sobald die Tentakel der Quallen auf Lachse trafen, feuerten ihre Nesselzellen Gift. 240 000 Lachse starben, ein Verlust von 2,1 Millionen Euro. Als die Mitarbeiter der Lachsfarm das Massaker bemerkten, versuchten sie die verbliebenen Lachskäfige ins freie Meer zu schleppen – allerdings vergebens: Ihre Boote kamen in der dichten Masse der Quallen kaum voran.

Feuerqualle

Illustration: Grafilu