Seinen vorerst letzten öffentlichen Auftritt verfolgten Fans via Public Viewing, und seitdem wird jedes Lebenszeichen dieses Mannes tausendfach auf Twitter geteilt: Die Rede ist von Alexander Gerst, Astronaut der ESA und seit mittlerweile zwei Wochen im Weltall, wo er demnächst als erster deutscher Kommandant auf der Internationalen Raumstation ISS wird. Dieser Mann wird wie ein Popstar verfolgt – und das Schöne daran ist: Er sieht gar nicht danach aus.
Denn egal ob beim GEO-Interview, beim Space-Testessen in der Sendung von Jan Böhmermann oder bei ersten Versuchen im All – Gerst trägt eigentlich immer die gleiche Kluft, eine Art Dienstkleidung: ein recht eng sitzendes Poloshirt mit ESA-Branding, reingesteckt in die strapazierfähige Cargohose, fixiert mit einem Clip-Gürtel. Was in ungefähr dem Freizeit-Look eines Schützenbruders aus Ostwestfalen-Lippe entspricht, wirkt bei Gerst irgendwie cool. Das könnte daran liegen, dass banale Alltagskleidung in der Modeszene gerade hoch im Kurs steht: Unförmige »Dad Jeans«, Funktionsjacken und Trekking-Trunschuhe, ja sogar Blaumänner werden gerade enthusiastisch von den Hipstern dieser Welt getragen. Je alltäglicher und normaler ein Outfit, desto besser. Erst diese Woche trug selbst die modisch tonangebende Kim Kardashian wieder »Cargo Pants« (zu spitzen High-Heels und einem hautengen Oberteil wohlgemerkt}.
Doch warum man den »Normcore«-Look bei Astro-Alex cool findet, hat vermutlich einen anderen Grund: Seine Funktion, sein »Amt« färbt den Eindruck des Betrachters. Ein Astronaut darf eigentlich alles.
Auf die Modewelt übt die Reise ins All schon seit jeher eine Faszination aus. Bereits in den 60er-Jahren hat sie Designer wie Paco Rabanne, André Courrèges oder Pierre Cardin zu futuristischen Entwürfen mit Space-Elementen inspiriert.
In den letzten Saisons lebte diese stark auf. Chanel etwa installierte für seine Herbst/Winter-Show 2017 eine eigene Space Station im Pariser Grand Palais und zeigte eine Kollektion voller metallisch glänzender Materialien und Raumfahrt-Prints.
Noch augenscheinlicher ist der gehäufte Einsatz des NASA-Logos in aktuellen Modekollektionen: Marken von Coach bis Alpha Industries, von Nike bis H&M haben in den letzten Saisons Produkte mit dem blauen »Meatball«-Patch lanciert – was sicher auch daran liegt, dass die NASA eine Regierungsbehörde und die Logonutzung somit ohne Lizenzgebühren möglich ist. Im Herbst erscheint ein NASA-Sneaker von Vans. Und während der olympischen Winterspiele Anfang des Jahres sorgten die von Burton gestalteten und an Astronauten-Anzüge angelehnten Outfits des US-Snowboardteams für Entzücken unter Space-Fans.
Wie ist die modische Raumfahrt-Euphorie zu erklären? Das Weltall umgibt eine Aura des aufregend Unbekannten und Übermächtigen, das seit jeher auch zahlreiche Musiker und Filmemacher in ihren Werken inspiriert. Astronauten sind die Helden dieses Szenarios – sie zählen zu den wenigen Auserkorenen, die helfen, das große schwarze Nichts zu erkunden. Die Faszination für alles, was sie tun und tragen ist bei vielen kindlich verankert (und im Vergleich zu der artverwandten Begeisterung für irdische Feuerwehrmännern oder Rennfahrer noch um ein x-Faches gesteigert). Es geht darum, sich etwas überzuziehen, das einen in eine andere, bewunderte Welt versetzt (wie tatsächliche Astronautenanzüge), oder zumindest vorgibt, zum Kreis der Eingeweihten zu gehören (wie im Falle der NASA-Logos).
Übrigens: Immer mehr Modemarken entdecken das Weltall nicht mehr nur als Inspirations- sondern auch als Absatzquelle: 2016 gab Y-3, das Premium-Label aus dem Hause Adidas, seine Partnerschaft mit Virgin Galactic bekannt, um deren zukünftige Raumfahrtanzüge zu entwerfen, im letzten Jahr brachte Reebok erstmalig Space Boots für Astronauten heraus. In Zeiten des expandierenden Weltraumtourismus: keine schlechte Idee.
Wird getragen von: Buzz Aldrin, Besuchern des Kennedy Space Centers, Hobby-Astrologen
Wird getragen mit: Matrix-Brille, Teleskop, Aluhütchen
Soundtrack beim Anprobieren: Rocket Man, Space Oddity, Man in the Moon