Erst mal zu den Details: »Teigen« wird nicht, wie viele meinen, »Tai-gan« oder »Tee-gan« ausgesprochen, sondern »Tie-gan«. Zumindest ist es die Variante, die Chrissy Teigen selbst bevorzugt. Das stellte sie einmal auf Twitter klar mit den Worten: »Ich habe es satt, diese Lüge zu leben!« Natürlich war das als Witz gemeint, der sofort Zehntausende Likes erntete. Womit wir gleich bei dem Grund wären, den viele Leute nennen, warum sie Chrissy Teigen folgen: »Sie ist so witzig.« Über ihren Mann, den Sänger John Legend, sagt sie gern: »Ich habe immer einen Zettel in der Hosentasche, auf dem steht: ›John war’s‹. Für den Fall, dass ich umgebracht werde, weil ich nicht will, dass er noch mal heiratet.«
Das allein erklärt natürlich noch nicht, warum diese Frau 34,2 Millionen Follower auf Instagram versammelt, warum Präsident Joe Biden ihr kurzzeitig als einziger Person außerhalb seines Teams auf Twitter folgte, warum sie überhaupt so berühmt (und offensichtlich irgendwie wichtig) ist, dass sie am kommenden Montag, dem internationalen Weltfrauentag, Teil einer Gesprächsrunde mit Hillary Clinton, Nancy Pelosi und Amanda Gorman sein wird. Zwei Politikerinnen, eine Poetin und eine – ja was eigentlich?
Sie zeigte auf Instagram sogar ein Foto, auf dem sie im Krankenhausbett weinte, kurz nach der Totgeburt ihres dritten Kindes
Früher war die 35-Jährige mal Model, gelegentlich auch Moderatorin, seit 2013 ist sie die Frau von John Legend, erfolgreiche Kochbuchautorin und Gastrounternehmerin, die sich besonders gern als »Domestic Goddess«, als häusliche Göttin, in sexy Morgenmänteln, Seidenpyjamas oder Kimonos in ihrer Küche inszeniert. Vor allem ist sie aber einfach: Chrissy Teigen, das Social-Media-Phänomen. Während die meisten Stars dort eher als semipermeable Membran auftreten, also nur halb durchlässig sind, was ihr Privatleben angeht, scheint Teigen voll und zutiefst permeabel. Sie postet ihren Mann, ihre Kinder, ihr Haus (in dem früher Rihanna wohnte). Sie zeigt sich perfekt gestylt, aber auch mal mit dick aufgequollenen Lippen nach dem Biss in eine gespritzte Orange. Im Herbst letzten Jahres veröffentlichte sie sogar ein Foto, auf dem sie im Krankenhausbett weinte, kurz nach der Totgeburt ihres dritten Kindes.
Das Bild ging um die Welt. Manche fanden, das sei beinahe übergriffig, andere waren dankbar dafür, dass das schwierige Thema dadurch mehr Aufmerksamkeit bekomme und betroffene Mütter womöglich weniger Schuldbewusstsein empfänden. Chrissy Teigen jedenfalls scheint sich auf Social Media so sehr zu Hause zu fühlen, dass es für sie keinen Unterschied mehr macht, ob sie diesen Moment mit ihren engsten Freunden oder ihren engsten Followern teilt. Das Private und Öffentliche gehen bei ihr vollends ineinander über. Der Vogue sagte Teigen einmal, sie wäre sicherlich genervt von sich, wenn sie nicht sie wäre. Aber da sie ja nun mal sie ist, müssen eben andere entscheiden, ob und wie nervig sie ist.
Was Teigen tatsächlich sympathisch macht: Sie kann ganz offensichtlich über sich selbst lachen. Wenn der Ausschnitt des Morgenmantels zu tief rutscht, der Hintern dick aussieht, sie im Abendkleid dumm in der Ecke rumsteht. Zu den Golden Globes vergangenen Sonntag postete sie einen verheulten Schnappschuss von sich bei der Zeremonie 2015 und schrieb dazu: »Happy anniversary to this drunk dumbass – Imao (in my arrogant opinion.)« Aber es gibt durchaus Dinge, die ihr ernst sind. Gegen Trump wetterte sie so leidenschaftlich, dass dieser sie schließlich blockte. Anlässlich seines 72. Geburtstag spendeten sie und ihr Mann für sich und die beiden Kinder daraufhin jeweils 72.000 Dollar an die amerikanische Bürgerrechts-Organisation ACLU, die sich gegen die von Trump veranlasste Trennung von Flüchtlingsfamilien einsetzt. Sie spendete auch für Planned Parenthood und spricht sich gegen Rassismus aus, vor allem zuletzt wieder, wo Gewalt gegen asiatisch-stämmige Amerikaner zunahm. Teigens Mutter, die oft mit ihr kocht, stammt aus Thailand. Ihr Vater ist Amerikaner mit norwegischen Wurzeln.
Nachdem sie vier Jahre von Trump geblockt worden war, fragte Teigen den neuen Präsidenten, ob sie dafür jetzt wenigstens von ihm ein »Follow« kriegen könnte
Teigen sagt, dass ihr keineswegs egal sei, was die Leute über sie denken, und sie sogar die meisten Kommentare auf ihren Social Media Accounts tatsächlich lese. Wie ernst sie das offensichtlich meint, zeigt die Geschichte, die die Amerikanerin Mercedes Edny letztes Jahr dem Guardian erzählte. Die junge Frau wollte eine Ausbildung zur Kosmetikerin machen, konnte sich jedoch die Einschreibegebühr nicht leisten. Also ging sie am Bau arbeiten und postete parallel einen Spendenaufruf auf Twitter. Kurze Zeit später landeten 5.605 Dollar auf ihrem paypal-Account – exakt der Betrag, der ihr noch fehlte. Denn Edny folgte Teigen und Teigen war deshalb irgendwann Edny gefolgt, hatte ihren Aufruf gelesen und wünschte ihr mit der Spende nun viel Glück bei der Erfüllung ihres Traums. Vielleicht ist Teigen tatsächlich nicht so schlecht aufgehoben in der Weltfrauentagsrunde.
Zum Schluss muss man natürlich noch schnell diese Joe-Biden-Sache erklären: Nachdem sie nun also vier Jahre von Trump geblockt worden war, fragte Teigen den neuen Präsidenten – scherzhaft versteht sich –, ob sie dafür jetzt wenigstens von ihm ein »Follow« kriegen könnte. Und der (oder sein Twitter-Team) tat das prompt. Das wiederum war dann aber selbst für eine Chrissy Teigen zu viel. Ein echter »Potus« hemmt offensichtlich gewaltig. Also flehte sie ihn vorletzte Woche an, ihr doch bitte zu entfolgen, damit sie wieder »sie selbst« sein könne. »Es ist nicht dein Fehler. Es liegt an mir!«, twitterte sie. Natürlich tat er ihr auch diesen Gefallen. Ihre Fans werden es ihm danken.
Twitter-Bio von John Legend: »Chrissy’s husband.«
Späterer Titel ihrer Biografie: »Die legendäre Mrs. Legend«
Passender Song: Mrs. T (Good Lovelies)