Der royale Fehlschuss

In Wembley trug der siebenjährige Prinz George Anzug und Krawatte – obwohl er nachweislich mindestens ein Trikot besitzt. Ohnehin sah es beim Finale der Europameisterschaft so aus, als müssten ausgerechnet die jüngsten Engländer für die Fehler ihrer Landsleute geradestehen. 

Könnte natürlich auch am Ergebnis liegen, aber besonders fröhlich sah Prinz George beim EM-Finale nicht aus. 

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Tribünegucken ist bei wichtigen Spielen natürlich totale Nebensache, trotzdem kann heute jeder halbwegs aufmerksame Fernsehzuschauer die wichtigsten Promis von gestern in Wembley so treffsicher aufsagen, wie ein Domenico Berardi Elfmeter verwandelt. David Beckham! Luis Figo! Tom Cruise! Kate Moss! Und natürlich die königliche Familie Kate, William und: Prinz George.

Der älteste Sohn des zukünftigen Königspaares war schon beim Spiel Deutschland gegen England der heimliche Star auf den Rängen gewesen. Pure kindliche Freude war da zu sehen, bei diesem Spiel dabei sein zu können und dann sogar noch einen Sieg der eigenen Mannschaft zu sehen. Man darf annehmen, dass zum Erziehungsprogramm der Nachwuchs-Royals auch die weniger glorreichen Tage des Empires gehören, der Kleine also Bescheid wusste, um was es da unten auf dem Rasen ging. Aber während die meisten anderen Kinder im Stadion ein Trikot, T-Shirt oder sonst was aus der »Kids«-Abteilung trugen, war George auch beim Finale als Mini-Me seines Vaters William angezogen. Im Anzug. Mit Krawatte. Unschwer zu erraten, wie dagegen Boris Johnson zuvor in Wembley gesessen hatte: natürlich im Fan-Outfit. Selbst der 15-jährige Prinz Christian von Dänemark war zum Halbfinale im Trikot erschienen, wenn auch mit Jackett darüber.

Kenner der Serie »The Crown« zucken da lediglich gelangweilt mit den Schultern: »Na und? Genau so ist das bei den englischen Royals eben.« Doch selbst von den englischen Fans meldeten sich auf Social Media viele zu Wort, ob das nicht übertrieben sei, einen Siebenjährigen in einen Anzug zu stecken. Bei einem Fußballspiel wohlgemerkt, nicht bei Uroma Lizbeths 95. Geburtstagskaffeekränzchen. Zumal der Junge durchaus ein »Three Lions«-Trikot besitzt, wie auf dem Instagram-Account von Kensington Royal schon zu sehen war. Da lag der Bengel lachend damit im Gras. Im Anzug wirkte er auf viele etwas weniger ausgelassen. Mag aber natürlich auch am Ergebnis gestern gelegen haben.

Repräsentieren, Haltung bewahren, früh übt sich – schon klar, was hinter diesem Dresscode steckt. Aber irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass hier ein Siebjähriger ein perfektes Bild Englands abgeben sollte, während seine Landsleute sich ohne Ticket ins Stadion drängelten, die Hymne des Gegners auspfiffen und hinterher die Londoner Innenstadt zerlegten. Genau so wie der englische Trainer Gareth Southgate 23-, 21- und 19-Jährige losschickte, ein historisches Elfmeterschießen zu gewinnen, obwohl sie alle kaum gespielt hatten. Sie sollten vollbringen, was nicht mal er selbst einst geschafft hatte. Das ist kein Vertrauensbeweis, das ist Ins-kälteste-Wasser-Schubsen vor den Augen der ganzen Insel, der halben Welt. Dass die drei Spieler – Saka, Sancho und Rashford – sich nach ihren Fehlschüssen die übelsten rassistischen Beleidigungen anhören mussten, das wurde zum traurigsten aller traurigen Höhepunkt in dieser Geschichte. Immerhin stellte Prinz William hinterher klar, dass ihn dieser Rassismus »krank« mache.

Vater William war offenbar dafür, dass sein Sohn beim Finale das englische Trikot trug

Ohnehin war es William gewesen, der auch in der Causa »Dschooordsch« eine gute Figur gemacht hatte, eine bessere jedenfalls als seine Frau Kate. Nach Informationen der BBC sei es William gewesen, der dafür votiert hätte, dass sein Sohn beim Finale das englische Trikot tragen solle, Kate sei aber dagegen gewesen. Das erzählte jedenfalls die Tennisspielerin Marion Bartoli nach einem Nachmittagstee mit Kate dem Sender. Wer sich am Ende durchgesetzt hat, konnte man sehen.

Der Fairness halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auch Zuschauerinnen und Zuschauer gegeben haben soll, die den Anzugsauftritt des jungen Prinzen wahnsinnig süüüß fanden. Einerseits weil der sowieso goldig aussieht, andererseits weil eine bestimmte Gruppe Erwachsener es eben immer wahnsinnig süüüß findet, wenn Kinder adrett zurechtgemacht sind. Auf Hochzeiten, bei der Taufe, der Kommunion. Wenn sie für einen Moment aussehen »wie die Großen«. Man könnte jetzt fragen, ob dafür nicht noch genug Zeit wäre, wenn sie wirklich groß sind (und über ihre Garderobe selbst bestimmen). Oder anmerken, dass ein Trikot in diesem Fall ja eben auch als »wie die Großen« durchgegangen wäre.

Die Anzugfraktion: Englische, spanische und die halben dänischen Royals, Luis Figo, David Beckham, Tom Cruise, Kate Moss, Angela Merkel und Emmanuel Macron (ante Euro 2020)
Die Trikotfraktion: Boris Johnson, Sanna Marin (Finnland), alle anderen im Stadion
Das sagt die Hof-Zofe: »Dieser Polyester-Crap ist der königlichen Haut ohnehin unzuträglich.«