Jogi Löw macht es wirklich spannend. Nie weiß man, wie die Rotation beim nächsten Spiel ausfallen wird. Nein, nicht wegen Sané, Kimmich oder Mustafi. Viel interessanter ist doch: Graues T-Shirt? Hemd und V-Pulli? Nur Hemd? Oder doch mal Anzug?
Bisherige Bilanz: Drei Spiele, drei Looks. Beim Spiel gegen Nordirland trug er zur dunklen Hose ein dunkles Hemd. Die Ärmel bis über die Ellenbogen hochgekrempelt - quasi sein »Signature Style«, wie es im Fachjargon heißt. Da zumindest können die anderen Teams nicht mithalten. Italiens Trainer Antonio Conte trägt immer dunklen Anzug. Der ist allerdings auch von Dolce & Gabbana. Der Engländer Roy Hodgson bleibt ebenfalls tapfer beim royalblauen Einreiher. Obwohl der von der Kaufhauskette Marks & Spencer ist – und genau so aussieht.
Löw geht da im Grunde sehr viel mehr mit der Zeit. Popstars wechseln ja heute auch ständig ihren Look, nicht mal der normale Angestellte traut sich noch, zweimal hintereinander mit den gleichen Sachen im Büro aufzukreuzen. Sogar auf dem Platz wird sich jetzt viel mehr umgezogen als früher. Raus aus der Kabine im »Aufwärmshirt«, zur Hymne die »Hymnenjacke« drüber (heißt wirklich so), dann erst wird das Trikot freigelegt. Bei der WM 2010 wurde noch ohne Überwurf gesungen, aber so ist es natürlich viel feierlicher. Und die Ausrüster können ihr Sortiment gleich mal um vier heiße Merchandisingartikel erweitern – den Dreiklang gibt es selbstverständlich auch als Auswärtsvariante. Zeugwart will man heute nicht mehr sein. Bis zur WM in Katar 2022 gibt es wahrscheinlich noch Auslaufleibchen, Auswechsel-Hoodies und Pressekonferenz-Polos.
Interessant ist vor allem, dass Löw bisher konsequentes »Downdressing« betreibt, obwohl er vom Ausstatter Boss natürlich durchaus zwei Made-to-Measure Anzüge zur Verfügung hat – die Kombination, die eigentlich für die Trainerbank bestimmt ist. T-Shirt, Chino-Hosen, Hemd und Pullover gehören dagegen zum »Travel Outfit«, dem Casual-Programm der DFB-Garderobe, heißt es bei Boss. Aber man wolle dem Bundestrainer selbstverständlich keineswegs vorschreiben, was er zu tragen habe.
Das graue T-Shirt im ersten Gruppenspiel gegen die Ukraine war dann leider nur so ein mittelgroßer Erfolg. Einige Medien spotteten über den »Schlafanzug-Look«, andere über die Schweißflecken unter den Achseln. Was ja auch wirklich skandalös ist, wird so ein EM-Spiel von der Trainerbank aus doch sicher konsequent im Ruhepuls verfolgt. Ausverkauft ist das Boss-T-Shirt in grau übrigens trotzdem längst und reiht sich deshalb nahtlos ein in die Tradition des weißen Strenesse-Hemdes, das nach Deutschlandspielen früher auch stets vergriffen war. Ganz so schlecht kann der Auftritt also nicht gewesen sein. Sollte die Nationalelf bis ins Finale kommen, hat Jogi wahrscheinlich nebenbei gleich den kriselnden Boss-Konzern saniert.
Gern wüsste man jetzt noch, wie die Auswahl und Abstimmung über den jeweiligen Look ausfällt. Die Co-Trainer müssen sich nämlich strikt nach dem Cheftrainer richten, one team, one dream, one look.
Die Bilanz jedenfalls ist bisher eindeutig: Je mehr casual der Trainer, desto besser die Performance der Spieler. Das weiße Hemd mit V-Pulli reichte nur für ein 0:0, das dunkle Hemd immerhin zum 0:1. Bei der WM 2010 zog Löw immer seinen babyblauen Glücks-Pulli an. Vielleicht versucht er es ja doch noch mal mit dem grauen T-Shirt.
Wird getragen von: Bundestrainern und anderen sportlichen Führungskräften
Typischer Instagram-Kommentar: Hey Jogi, ist dein Gepäck nicht mit nach Frankreich gekommen?
Das sagt der Co-Trainer: Darf ich mir fürs Achtelfinale einen Look wünschen?
Das sagt der junge Fan: Mama, ich will eine Hymnenjacke zum Geburtstag!
Fotos: Gettyimages / Patrik Stollarz, Alexander Hassenstein