Willkommen in der Post-Moderne

Kaum ein Designer-Label wird derzeit so gehypt wie Vetements, dessen Bestseller: ein T-Shirt mit DHL-Aufdruck für 245 Euro. Ein Stuttgarter Hipster trug von der selben Marke einen Polizei-Regenmantel – und wurde von der »echten« Polizei in Gewahrsam genommen. Zeit für eine Stilkritik.

Einmal wie der Postbote aussehen! Das ist nicht etwa der kühne Karnevalswunsch eines Vierjährigen, sondern das oberste Ziel wohlinformierter Modeleute weltweit. Seit Monaten tippt sich die Fashion-Crowd die Finger wund, um im Internet noch ein gelbes Baumwollshirt mit dem Logo des Paketzustellers DHL zu erwerben – für schlappe 245 Euro. Verantwortlich für diesen sensationellen Marketingcoup (die Marge!) ist das französische Label Vetements, bestehend aus einem siebenköpfigen Kollektiv um den Designer Demna Gvasalia, der im Oktober vergangenen Jahres ebenfalls zum neuen Kreativdirektor des Traditions-Modehauses Balenciaga ernannt wurde.

Stars wie Rihanna, Kanye West oder Alexa Chung huldigen Vetements seit einigen Saisons vor allem mit den überdimensionierten Kapuzenpullis und Bomberjacken sowie den verschnitten wirkenden Jeans des Labels.

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Das DHL-Shirt, mit dem Vetements seine Schau für Frühjahr/Sommer 2016 eröffnete, war folglich schneller ausverkauft, als der Paketbote zweimal klingeln konnte. An Alltagsbanalität überboten wurde es nur noch von dem bodenlangen Regenmantel mit »Polizei«-Aufdruck im Nacken (gibt's nur noch auf Ebay für rund 300 Euro). Ein Stuttgarter erregte am vergangenen Wochenende übrigens just mit diesem Mantel die Aufmerksamkeit der »echten« Polizei: Er wurde von sieben Beamten für eine knappe Stunde in Gewahrsam genommen und ohne seine Trend-Jacke entlassen – die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich nun mit der möglichen Strafbarkeit des Vetements-Designs.

Anders als die Stuttgarter Polizei scheint sich DHL im Interesse der Hipster freudig zu suhlen und twitterte ein Foto des DHL Express CEOs Ken Allen mit der Klassiker-Frage: »Wem steht es besser?«

Moschino gelang vor einigen Jahren ein ähnlicher Coup mit der Verwendung des McDonalds-Logos (Prominente wie Katy Perry, Rita Ora oder Anna Dello Russo mutierten damals zu laufenden Pommestüten), der New Yorker Nachwuchsdesigner Victor Barragan versetzte die Internetgemeinde kürzlich mit einem Lidl-T-Shirt in Verzücken.

Bleibt die Frage: Warum? Ist es die Provokation durch das Alltägliche im Warhol’schen Sinne? Ein selbstironischer Kommentar auf die Hype-Anfälligkeit der Modeleute? Oder einfach die kindische Freude darüber, dass ein DHL-Bote ein Paket mit einem DHL-T-Shirt bringt?

Fakt ist: Mode ist demokratisch geworden, Streetstyle-Blogger stehlen den Designern genauso die Show wie Zara, H&M und Co., die direkt nach den Schauen erschwingliche und oft sehr ähnlich aussehende Kleidung für Normalverdienende in die Läden bringen. Wer in der Mode schon alles gesehen und mitgemacht hat, dem kann nur die Lächerlichkeit etwas Neues bieten. Triviale Logos werden so zu einer Art komplizenhaftem Erkennungszeichen.

Natürlich ist die Lebensdauer solcher Hypes begrenzt. Es müsste bald ein neues Insider-Symbol her. Zur Inspiration empfehlen wir Vetements-Designer Gvasalia mit seinem Faible für deutsches Trivial-Branding einen Besuch im Bordbistro der Deutschen Bahn.

Wird getragen von: Paketboten, Modebloggern
Wird getragen mit: elektronischen Unterschriftgeräten, unlesbaren Paketscheinen
Wird bei Instagram kommentiert mit: »Ein Hermès-Seidentuch geliefert von Hermes wäre mir lieber«

Foto: Kay-Paris Fernandes / Gettyimages, Twitter