Ein ganzes Jahr lang musste Amerikas beliebtester Comedian, Stephen Colbert, in seiner Late Show stänkern, schimpfen und stochern, dann erreichte er endlich sein Ziel: Ein derber Scherz unter der Gürtellinie über sexuelle Dienstleistungen von Trump an Putin brachte Colbert schließlich die ersehnte Prämie – nicht nur eine Strafandrohung der Kommunikationsbehörde (Federal Communications Commission) und aufgeregte Rufe nach seiner Entlassung (#FireColbert), sondern vor allem einen Frontal-Angriff von Donald Trump.
»Man sieht einen Typen ohne Talent wie Colbert«, wütete Trump im Time Magazine. »Was der sagt, ist überhaupt nicht lustig. Der Typ war am Sterben. Sie wollten ihn aus dem Fernsehen nehmen. Dann begann er mich anzugreifen, und seitdem hat er bessere Quoten.« Das stimmt, seit sich Colbert zu Trumps schärfstem Late Night-Kritiker mauserte, überholt er die Konkurrenz. Anstatt die geforderte Entschuldigung sich für seine Sex-Witze abzuliefern, begann Colbert die Sendung am nächsten Tag dann auch mit gespielt finsterer Miene: »Der Präsident der Vereinigten Staaten hat es auf mich persönlich und meine Show abgesehen«, hob er an, bevor er in einen Freudentanz ausbrach. »Darauf gibt es nur eine Antwort: Yaaaayyyy!«
Während das Publikum Ste-phen Ste-phen-Chöre skandierte, erklärte Colbert, es gebe viele Dinge, die Präsident Trump nicht verstehe. »Aber ich hätte nicht gedacht, dass das Showbusiness dazu gehört. Merkst du denn nicht, dass ich ein ganzes Jahr lang versucht habe, dich dazu zu bringen, meinen Namen zu sagen!? Endlich hast du es gemacht! Ich habe gewonnen!« Ach, das waren noch Zeiten, als ein vernichtender Kommentar des mächtigsten Mannes der Welt eine Karriere versenken konnte. Inzwischen hat sich ein eigenes Genre etabliert von Menschen, die gerade aufgrund von Trump-Beschimpfungen ihre Karriere wiederbeleben.
Eine ganze Generation von Fernsehstars versucht geradezu verzweifelt, dem mächtigsten Mann der Welt eine Beschimpfung zu entlocken. Am erfolgreichsten beherrscht diese Kunstform natürlich Alec Baldwin. Dessen Karriere hatte eigentlich längst ihren Zenit überschritten, bevor er im letzten Jahr begann, Trump in der ältesten amerikanischen Comedy-Sendung, Saturday Night Live, zu karikieren. Perücke, Bronzer, yuuuuuge! Der Erfolg stellte sich unmittelbar ein, nicht nur, weil seither fast 11 Millionen einschalten, 30 Prozent mehr als vorher, sondern auch, weil ihm sofort der Königstreffer gelang: »Das ist eine total einseitige, voreingenommene Show – überhaupt nicht lustig«, tweetete Trump gewohnt humorlos. »Nehmt Alec Baldwin vom Sender!«
Baldwin hat es sogar geschafft, dass ihn eine Zeitung mit dem richtigen Trump verwechselte, er hat angekündigt, eine »echte Autobiographie Trumps« zu schreiben und sonnt sich grinsend in dem neuen Ruhm. Überall, wo er hingehe, höre er Trump-Witze, sagt Baldwin in der aktuellen Ausgabe des Hollywood Reporters. »Jeder Polizist, jeder Hot Dog Verkäufer, jedes Eichhörnchen im Park bedankt sich bei mir. Nur hin und wieder stoße ich auf Trump-Fans, die mich hasserfüllt anstarren, wie jüngst diese beiden Bauarbeiter am Broadway, die mir zuriefen: ,Fall nicht in das Bau-Loch da drüben, Alec.'« Seit sie wissen, dass sich Trump über sie grün und orange ärgert, überlegen sich die Macher besonders intensiv, wie sie ihn aus der Reserve locken können.
»Ich wollte unbedingt Trump spielen«, gibt Komikerin Leslie Jones zu, die das dann mit blonder Perücke auch machte, »weil ich dachte, wenn ihn eine schwarze Frau spielt, setzt ihm das besonders zu.« Zu ihrer Enttäuschung kam kein Feedback aus dem Weißen Haus, aber die Redaktion lacht sich trotzdem ins Fäustchen, wenn ihnen übermittelt wird, der Präsident tobe mal wieder vor dem Fernseher. »Wir fühlen uns ein wenig wie Kriegsgewinnler«, sagt Saturday Night Live-Comedian Colin Jost, »weil wir von einer Situation profitieren, die so schwierig ist.« Dass Trump über die Sendung tweete, habe »die Show auf eine ganz andere Ebene gehoben«. Sie sind nicht die einzigen »Kriegsgewinnler«: Wenn Donald Trump die ehrwürdige New York Times als »failing«, ihre Journalisten als »Versager« und ihre Enthüllungen als »fake news« bezeichnet, freut sich die Times und meldet, dass sie ihre Abonnementszahlen gerade verzehnfacht.
Wenn die amerikanische Vanity Fair das Grill-Restaurant von Trump »als wohl schlechtestes Restaurant in ganz Amerika« verreisst, ärgert sich Trump so sehr, dass er tweetet: »Hat sich jemand die wirklich miserablen Zahlen von Vanity Fair angesehen? Auf Talfahrt, große Schwierigkeiten, tot!« Dann meldet die Vanity Fair am nächsten Tag »100 mal mehr Abo-Abschlüsse« als zuvor. Vanity Fair weiß die Häme so zu schätzen, dass es sich die Trump-Beschimpfung sogar wortwörtlich als Schulterschlag zur Auflagen-Steigerung auf die Titelseite druckt: »Auf Talfahrt! Das Magazin, das ihr laut Trump nicht lesen sollt!«
Erinnern Sie sich noch an die inzwischen lang vergangene Vergangenheit vom Dezember 2016, als ein Trump-Tweet über die »außer Kontrolle geratenen Kosten« für Air Force One (»Storniert die Bestellung!«) mal schnell die Aktien von Boeing zum Einsturz brachte? Und Trump den Marktwert von Lockheed mit einem simplen Tweet um fünf Prozent reduzierte? Lange her. Das Prinzip hat sich nun umgekehrt: Wenn Trump die Kaufhauskette Nordstrom dafür kritisiert, dass sie die Schuhe seiner Tochter Ivanka aus dem Sortiment nimmt, steigt deren Marktwert. Wenn er sich bei General Motors und Walmart dafür bedankt, das sie »Jobs zurück in die USA bringen«, rutschen deren Aktien prompt ins Minus.
Cecile Richards, die Chefin von Planned Parenthood, der Familienberatung für mittelose Frauen, der Trump alle staatlichen Zuschüsse entziehen will, freut sich über Rekordspenden aus dem In- und Ausland: »Wir waren niemals populärer, wir haben nun die Marke von zehn Millionen Unterstützern überschritten.« Als einfache Faustregel gilt: Es stimmt fast immer das Gegenteil dessen, was Trump sagt. Inzwischen muss man sich Sorgen machen um die Menschen, die von Trump gelobt werden. Etwa, als Trump seinem konservativen Lieblings-Moderator Bill O`Reilly beistand, der mehreren Mitarbeiterinnen Millionensummen zahlte, um die Vorwürfe der sexuellen Belästigung unter den Tisch zu kehren.
»Er ist ein guter Mensch«, meinte Trump noch im April. »Ich glaube nicht, dass er etwas Falsches getan hat.« Der Gelobte wurde gefeuert. Bezeichnet Trump jemanden als »sehr guten Mann«, wie er das noch letzte Woche bei dem geschassten Sicherheitsberater Michael Flynn tat, kann man sich sicher sein, dass der Gute eine Verfassungskrise auslösen und bald vor Gericht stehen wird. Trump selbst beteuert natürlich, er habe »keine dünne Haut, ich habe eine ausgesprochen dicke Haut«. Er habe ein sehr starkes Temperament und »es ist ein sehr gutes Temperament und ein sehr kontrolliertes Temperament, sonst wäre ich nicht so erfolgreich«.
Stephen Colbert aber hat einen ganz anderen Vorschlag. »Es stimmt ja, dass mein Erfolg ganz klar nur darauf beruht, dass ich über dich spreche«, so wandte sich Colbert per Kamera direkt an Trump. »Wenn du mir wirklich schaden willst, gibt es einen ganz einfachen Weg, wie du mich fertig machen kannst. Du musst nur zurück treten!«
Fotos: AP