Natürlich fällt einem zu Amerika als erstes Fast Food ein, also Essen, das fast Nahrung ist. An jeder Ecke stehen Filialen von McDonald's, Burger King, Denny's, Wendy's oder irgendeiner andereren Kette mit Burger, Fritten und Cola. Der Burger ist das amerikanischste aller amerikanischen Essen: Dabei haben ihn die Amerikaner eben nicht erfunden, wie viele Amerikaner auch ist die Frikadelle ein Immigrant. Unter dem Namen »Rundstück warm« wurde er im deutschen Hamburg verkauft lange bevor er im amerikanischen Hamburg bei Buffalo, New York, das erste Mal auf den Grill geworfen wurde.
Der Mann, der McDonald's zum größten Fast-Food-Konzern der Welt machte und hinterher so tat, als hätte er McDonald's erfunden, heißt Ray Kroc. Er wird von Michael Keaton in dem Film Der Gründer porträtiert, der diese Woche in Deutschland anläuft, und es ist kein Werbefilm für McDonald's. Denn Kroc war ein Vorläufer von Trump: Ein Geschäftsmann, der markige Sprüche klopfte, den Mund zu voll nahm und die McDonald-Brüder, die das Konzept eigentlich erfunden hatten, mit brutalen Methoden aus dem Geschäft drängte. Auch bei Kroc musste immer alles besser, toller und größer sein als bei der Konkurrenz, koste es was es wolle. Mark Knopfler hat Kroc sogar einen Song gewidmet: »Oh, it's dog eat dog, Rat eat rat, Kroc-style, Boom, like that«.
Das wirklich Faszinierende aber lässt der Film aus: die Kulturgeschichte des Hamburgers als Inbegriff der amerikanischen Supersize-Me-Kultur. Weil McDonald's heute ein Synonym für billig, fett und ungesund ist, war ich überrascht zu erfahren, dass die Firma ursprünglich als innovativer Imbiss im kalifornischen San Bernardino begann und die Brüder Richard und Maurice McDonald am Anfang hochwertige Zutaten aus lokaler Herkunft mit modernster Technik und bahnbrechendem Design kombinierten. Sie experimentierten jahrelang, um die Russet-Kartoffeln luftgetrocknet knackig zu frittieren, Milchshakes aus echter Milch zu mixen und frisches Rindfleisch von Bauern in der Umgebung zack zack auf den Grill zu werfen. Das war mal modern, Familien gingen zu McDonald's, wenn sie ein gutes, preiswertes Dinner essen wollten.
Im Nachhinein mutet es komisch an, dass Frauen dort nicht immer erlaubt waren: Jahrelang wurden nur Männer eingestellt, einige Jahre darauf dann nur verheiratete und hässliche Frauen, damit sie nicht vom Essen ablenken. Erst ein knappes Jahrzehnt nachdem die Brüder ihr wachsendes Imperium an den Geschäftsmann Ray Kroc verkauft hatten, wurde die Qualitätsware unter den goldenen Torbögen ersetzt durch das gefrorene Billig-Fleisch, die vorgefertigten Pulvermischungen und die mit chemischen Zusätzen angereicherten Fritten, die man heute dort bekommt. Inzwischen lebt jeder Amerikaner im Durchschnitt nur drei Minuten vom nächsten McDonald's entfernt: Die Ketchup-Bude ist immer gleich um die Ecke.
In vielen Orten und Stadtvierteln ist Fast Food inzwischen das einzige, was Restaurants anbieten. Tatsächlich nähren sich die Speckröllchen der Amerikaner (mehr als zwei Drittel sind übergewichtig) in erster Linie aus Donuts, Keksen und Frittierwaren, die mit Cola und Limo hinuntergespült werden. Darüber kann man sich lustig machen, aber in Wahrheit haben viele Amerikaner schlicht oft keine andere Wahl. Die amerikanische Gesellschaft ist auch beim Thema Essen viel gespaltener als in Europa: Gesundes Essen, Fitness und eine schlanke Linie sind Statussymbole; die man sich leisten können muss.
Die amerikanische Regierung fördert die Grundzutaten der Kalorienbomben - also Mais, Soja, Weizen, Reis, Milch und Fleisch - mit dreistelligen Milliarden-Beträgen. In Gegenden wie in Iowa sieht man deshalb meilen- und meilenweit nichts anderes als Mais-Monokultur. So bleibt Junk Food billig. Tacos für 99 Cents mögen nicht viel echtes Rindfleisch enthalten, aber ein billiges Familien-Menü aus dem Drive-Thru ernährt eine ganze Familie für ein paar Dollar. Die Regierung empfiehlt zwar, dass sich die Amis ihre Teller mit Brokkoli, Spinat und Obst füllen, aber nur ein kleiner Teil der Agrar-Subventionen kommt frischem Obst und Gemüse zugute. Benzin, Strom und Burger sind billiger als in Europa, aber frischer Salat und Obst sind teurer. Besucht man einen Supermarkt etwa in Nord Dakota oder in den ärmeren Vierteln von Los Angeles, so findet man dort außer einigen verschrumpelten Äpfeln kaum frische Produkte, nur lange Reihen an Dosenfutter und Zuckerdrinks.
Donald Trump passt perfekt zu dieser Kultur, er ist Amerikas Fast-Food-Präsident. Er liebt McDonald's, vor allem den Big Mac, und feierte seine Nominierung stolz mit einem Burger und einem Griff in die McDonald's-Frittentüte. Trump hat sogar laut darüber nachgedacht, künftig bei Staatsbanketten Hamburger servieren zu lassen. Umso überraschender, was der offizielle McDonald's-Firmen-Account im März twitterte: »Du bist ein ekelhafter Ersatz für einen Präsident, und wir hätten gern Barack Obama zurück, außerdem hast du kleine Hände«. (Nach einer halben Stunde war der Tweet übrigens wieder weg). »Donald Trump und Ray Kroc waren beide gerissene Geschäftsmänner, die keine Gefangenen nahmen und die Bedeutung einer Marke verstanden«, sagt der Gründer-Regisseur John Lee Hancock über die Parallelen zwischen den beiden Business-Magnaten. Die Frage »Wann reicht es?« hat Kroc mit »niemals« beantwortet.
Was aber in dem Film kaum vorkommt, ist die Rolle von Krocs dritter Ehefrau Joan. Kroc spannte die verheiratete blonde Schönheit einem Restaurantbesitzer aus. Aber nachdem Kroc mit grenzwertigen Methoden Milliarden scheffelte, gab Joan vor allem nach seinem Tod mit vollen Händen alles wieder aus. 20 Jahre lang schrieb sie einen Scheck nach dem anderen, immer für Zwecke, die ihrem Mann, einem eingefleischten Republikaner, kaum gefallen hätten: Während sich Ray Kroc mit billigem Early-Times-Whiskey langsam zu Tode trank, spendete Joan Millionen an Hilfsorganisationen für Alkoholiker. Während er sich mit Luxusvillen eindeckte, schickte sie gigantische Schecks an die Hungernden in Äthiopien. Am Ende waren es unglaubliche 2,7 Milliarden Dollar, die sie verschenkte: unter anderem fast zwei Milliarden an die Heilsarmee, 250 Millionen an das National Public Radio und eine halbe Million an »Auntie Helen's Fluff N'Fold«, eine karitative Organisation, die HIV-Kranken in San Diego hilft.
»Sie war gleichzeitig altruistisch und extravagant, elegant und vulgär, eine devote Hausfrau und eine selbstbewusste Feministin. Es waren eben diese Widersprüche, die mich an ihr faszinieren«, sagt Lisa Napoli, die Autorin des amerikanischen Buches Ray & Joan. »Sie hat das gemacht, was Bill Gates und Warren Buffett heute mit dem Giving Pledge machen, also dem Versprechen, den Großteil ihres Reichtums für gute Zwecke einzusetzen, aber sie hat die Millionen verschenkt, ohne darum ein großes Tamtam zu machen.«
Foto: rvlsoft/fotolia.de