Die Sache mit dem Pelz

Die Großtante hat unserer Autorin einen alten Nerzmantel vermacht. Aber was macht man damit, wenn man keinen Pelz tragen möchte? Spenden, verkaufen – oder gleich zerstören? 

Einst war dieser Nerzmantel ein Statussymbol... 

Foto: Alexander Scholle

Meine Großtante hat mir einen Nerzmantel vermacht. Sie trage ihn inzwischen viel zu selten, zu wenige Anlässe und außerdem sei der Mantel für die heutige Zeit zu elegant, zu auffällig. Meine Mutter und ich könnten ihn doch jetzt gerne übernehmen.

Meine Mutter und ich stehen etwas ratlos im Wohnzimmer vor der Plastiktüte, in der ein Nerzmantel zusammengefaltet steckt. Dazwischen lugt giftgrünes Mottenpapier hervor. Was sollen wir mit ihm anstellen? Tragen? Verkaufen?

Für meine Großtante war der Mantel damals ein Statussymbol der Gutbürgerlichkeit. Wenn sie mit ihren Freundinnen in die Oper oder ins Theater ging, trugen sie Pelzmäntel und fühlten sich todschick. Ihrer ist aus dem Jahr 1992, ein Stangenmodell vom Kaufhaus Hertie, um die 5000 D-Mark hat er damals gekostet, erinnert sie sich. Er war der Höhepunkt ihrer Edelpelzsammlung: 1960 der Fuchsschwanzkragen mit Pfoten und Fuchskopf samt Glasaugen. Dann kam die Nerzstola, das Nerzjäckchen – und schließlich der Nerzmantel.

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Meine Mutter fragt, ob ich ihn nicht mal überziehen will? Nein, das möchte ich nicht. Der Mantel riecht etwas muffig und nach Tier. Mein Bruder merkt an, dass so etwas heutzutage höchstens noch Zuhälter tragen. Wenn ich damit in der Öffentlichkeit gehe, ernte ich vermutlich verachtende Blicke von Pelzhassern. In einer meiner Lieblings-Konzerthallen könnte ich den Mantel nicht mal an der Garderobe abgeben, ein Schild weist daraufhin, dass Echtpelz nicht aufgehängt wird. Kleiderläden, in denen ich gerne einkaufe, haben Echtfell längst aus dem Sortiment verbannt.

Und im Freundeskreis müsste ich mich auf lange Diskussionen gefasst machen. Selbst wenn man den Pelz gar nicht gekauft hat und er schon alt ist, würde ich ja wortlos die Botschaft verbreiten, dass es okay ist Tierfelle zu tragen. Die anderen wissen ja nichts von meinen Beweggründen.

Mal abgesehen von den unangenehmen Folgen, die auf mich zukommen würden ist der lange, bauschige Mantel mit Glockenschnitt modisch nicht mein Fall. Wohin also mit dem Nerz? Der erste Gedanke: Ich könnte ihn verkaufen. Wie viel ist so ein Mantel überhaupt noch wert? Ich schicke Bilder an einen Online-Händler aus München, der sich auf den Ankauf von Pelz und Leder spezialisiert hat. Aber wäre das vertretbar? Mit dem Leid der Tiere in Pelzfarmen nachträglich noch mal Geld zu verdienen und andere etwas tragen zu lassen, was ich selber ablehne?

... heute möchte man ihn nur loswerden. Aber wie?

Ich frage bei der Tierschutzorganisation PETA nach, die Frau am Telefon hat drei Vorschläge für mich: Entweder könnte ich den Mantel an Bedürftige spenden, etwa an Flüchtlinge. Davor müsste ich ihn aber mit Klarlack oder anderer Farbe »unverkäuflich machen«. Oder ich sollte bei einem Tierheim nachfragen, ob die gerade Bedarf nach Pelz haben, dort lege man die Hundeboxen oft mit Pelzfetzen aus. Eine dritte Option wäre, dass ich den Nerz als Dauerleihgabe an PETA gebe, die damit Kampagnen gegen Pelz fotografieren. Mit der Leihgabe könnte ich mich anfreunden. Nach dem Gespräch lese ich aber auf der Website, dass sie aktuell keine Pelzspenden mehr brauchen, man habe genug Artikel für »absehbare Zeit«.

Den Mantel meiner Großtante verunstalten oder kleinschneiden, damit er in eine Hundebox passt, möchte ich nicht. Und sie sicherlich auch nicht. Er hat doch schließlich einen Wert, nicht nur emotional, sondern auch finanziell. Je länger wir den Nerzmantel haben, desto mehr fühlt es sich so an, als ob wir etwas sehr Verruchtes besitzen.

Der Online-Händler meldet sich und erteilt unserem Nerz eine Absage: »Leider habe ich für diesen Pelz keine Kunden. Freundliche Grüße.« Als ich noch einmal nachfrage, an was das denn genau liegt, verweist er auf Farbe und Form – »davon gibt es leider sehr viele.«

Wenn es Interessenten gegeben hätte - wir hätten verkauft. Wegen des Geldes, ehrlich gesagt. Wenn man es sich schön reden wollte, könnte man sagen: Es ist doch besser, wenn sich ein Pelz-Fan für ein altes, gebrauchtes Modell entscheidet anstatt sich ein neues anzuschaffen.

Wenn ich jetzt ältere Frauen mit ihren alten Pelzmänteln auf der Straße sehe, denke ich an meine Großtante und ihren Wunsch nach Eleganz, es war eine andere Zeit. Was mich traurig macht: Wenn man auf Pelz achtet, merkt man, wie viel Pelz wieder getragen wird. Als Kapuzenkragen an den Winterjacken, als Bommel von Strickmützen oder als Teil von Lederhandschuhen. Die Felle sind ein kleinerer Teil des Kleidungsstücks geworden, aber sie halten den heutigen Pelzhandel am Laufen, machen das Tierleid zum lukrativen Geschäft, genauso wie die Nerzmäntel damals.

Um Fotos für diesen Artikel zu machen, schlüpfe ich doch noch in den Mantel hinein. Schwer ist er, automatisch straffe ich meine Schultern. An den Geruch gewöhne ich mich. Bei jedem Schritt baumelt der Pelz um meine Beine, ein bisschen fühle ich mich wie ein Filmstar aus UFA-Zeiten, ein bisschen wie eine Diva. Ich kann mir vorstellen, warum meine Großtante ihn zu großen Anlässen getragen hat.

Aber was ich damit machen soll, ist mir nach zwei Wochen immer noch nicht klar: Zerstören oder wegschmeißen wollen wir den Mantel nicht, kaufen möchte ihn niemand. Er hängt im Schrank. Vielleicht ist das die Lösung: ihn einfach behalten. Wir heben ihn als Geschenk von unserer Großtante auf, als Erinnerungsstück aus vergangenen Zeiten. Er erzählt eine Geschichte und dafür müssen wir ihn nicht tragen.