Wenn in einem Krankenhaus ein Klinikclown arbeitet, der auf der Kinderstation oder in der Demenzabteilung schwerkranke Patienten aufheitert, kann das wunderbar sein. Ein Krankenhaus, in dem ausschließlich Klinikclowns arbeiten, wäre dagegen die Hölle. Wenn vom Empfang bis zum Chirurgen alle rote Nasen tragen und jonglierend Einrad fahren, möchte man sich den Blinddarm lieber selbst rausschneiden. Bei Humor ist die Dosierung entscheidend.
Eine Gag-Überdosis konnte man am gestrigen Valentinstag auf den Twitter-Kanälen deutscher Polizeidienststellen beobachten: Die Polizei Bremen zeigte ein Foto sich küssender Polizeiwagen. Die Polizei Schwaben postete »An alle Frauen, die für den #Valentinstag noch kein Date haben« das Bild eines Beamten, der vor einer Leberkässemmel kniet, die ihn in eine Pappkarton-Falle lockt. Die Polizei München postete ein Bild zweier Kollegen, die ein Kind bekommen, fotografiert im Stil eines Kleinstadt-Hochzeitsfotografen. Die Polizei Mainz zeigte einen Polizisten mit Maschinenpistole neben einem »All you need is love«-Plakat.
Es gibt keine Berichte über vermehrte Banküberfälle am gestrigen Tag, neben Twitter-Scherzen blieb der Polizei am 14. Februar genug Zeit für die Aufnahme von Verkehrsunfällen, Geschwindigkeitskontrollen und Verbrecherjagd. Trotzdem darf man fragen: Warum wünscht einem die Polizei einen #HappyValentinesDay ? Das machen doch bereits Blumenhändler, Dessoushersteller, Parfürmerien, Bäckereien – und das SZ-Magazin auf Instagram.
Eine Erklärung findet sich vielleicht im Jahr 2016: Damals twitterte die Berliner Polizei am 27. Mai einen ganzen Tag lang über kuriose, lustige und tragische Einsätze. In je 140 Zeichen entstand ein 24-stündiges Sittenbild der Hauptstadt. Dafür gab es Tausende Retweets und viel Lob. Zwei Monate später, am 22. Juli, wurde der Twitter-Account der Münchner Polizei im Chaos eines Amoklaufs zur verlässlichsten Quelle. Nie panisch, nie voreilig, nie alarmistisch. Beide Ereignisse zeigten, das soziale Netzwerke klug genutzt ein enorm wichtiger Kanal für Behörden und Bürger sein können.
Dann passiert den Social-Media-Beauftragten der Polizei leider das, was vielen Nutzern sozialer Netzwerke passiert: Sie verfallen dem Like.
Die Münchner Kollegen etwa twittern regelmäßig vom Oktoberfest. Da wurde die Sprache mit jedem Mal lockerer, flapsiger. Humor im Einsatz kann angemessen sein, um Spannungen abzubauen, oder als Selbstschutz im Wahnsinn eines berauschten Festzelts. Aber die Grenze ist schnell überschritten: »Die Trachten-Trends auf dem Catwalk im Innenhof der #Wiesnwache zeigen, Knöpfe sind überflüssig, Risse und Flecken dagegen absolut angesagt«, twitterte die Münchner Polizei. Wenn Knöpfe von einem Dirndl abgerissen werden, kann das auch sehr unlustige Motive haben. Die Berliner Kollegen twitterten: »In #Spandau wirft ein Verlobter mit Bierdosen nach der Verlobten. Wir helfen ihr. #24hPolizei.« In den Kommentaren darunter sind lachende Smileys, aber wie lustig ist es, als Frau mit Bierdosen beworfen zu werden? Und will man sein Leben mit einem gewalttätigen Partner als viralen Lacher wiederfinden?
Immer öfter werden die Polizei-Accounts für Spaß freigegeben: Neben Valentinstag, Wiesn, Silvester und Twittermarathon kürzlich auch zum Flirten. Auf dem Instagram-Account der Berliner Polizei wurde ein Suchaufruf gepostet, weil ein verliebter Beamter eine Passantin wiederfinden wollte. Der gut gemeinte Versuch, dem Bürger näher zu kommen, den Menschen unter der Uniform zu zeigen, verkommt gerade zum Klamauk.
Wenn die Polizei mit Blaulicht durch die Stadt rast, möchte man nicht überlegen, ob dahinter ein Flirtversuch steckt. Dass Polizisten auch mal lachen, ist schön, aber ihre Hauptaufgabe sind nicht Witze, sondern das Durchgreifen in brenzligen Situationen. Der Respekt ist wichtig, die Ernsthaftigkeit. Den Twitter-Account der Polizei sollte man nicht mit einer Tüte Chips lesen, um geile Gags zu finden, sondern als seriöse Informationsquelle, die es auf sozialen Netzwerken ohnehin zu wenig gibt. Es ist wie mit der Filmreihe »Police Academy«: Teil 1 war noch sehr lustig, bei Teil 7 wollte man nur mehr abschalten.