Es waren nur ein paar Schritte. Ich rannte aus der Haustür raus, auf die Straße zum See. Dann sah ich eine Freundin auf der anderen Straßenseite. »Geht’s dir gut?«, rief sie mir zu, alarmiert. »Na klar«, antwortete ich und verlangsamte meine Schritte. »Warum?« »Du bist knallrot! Ach so, dann läufst du bestimmt schon länger.« Ach so, ja, hmmm.
Es ist so: Wenn ich Sport mache, schwitze ich und meine Wangen leuchten in einer Farbe, die dem Ton einer Fleischtomate sehr nahe kommt. Mir macht das nichts aus, ich mache Sport, mein Körper ist gesund und reagiert, wie gesunde Körper eben auf Sport reagieren. Aber ich bin mit meinem roten Kopf mittlerweile ganz schön allein.
Im Freizeitsport hat sich ein absurder Schönheitsdruck durchgesetzt. Ich sehe ihn, wenn ich in der Umkleide meines Fitnessstudios stehe. Der Spiegel streckt sich dort über die ganze Wand, davor: Frauen, die sich wasserfestes Makeup auf Stirn und Backen schmieren und darüber noch einmal eine Schicht Puder stäuben. Hohe Deckkraft, kein Glänzen mehr und rote Wangen sowieso nicht.
Später sehe ich die Frauen aus dem Fitnessstudio wieder, wenn ich auf dem Sofa liege und Instagram öffne. Sie stehen in Sport-BHs und kurzen Hosen vor dem Spiegel, die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, und lächeln. Sie sehen aus, wie ich morgens gerne aussehen würde, wenn ich einige Stunden Schlaf hinter mir habe. Aber sie haben gerade einige Stunden Sport gemacht.
Wie negativ sich Instagram auf das Körperbild seiner Nutzer auswirkt, zeigt eine Untersuchung der britischen Royal Society for Public Health aus dem vergangenen Jahr. Die Antworten der befragten 14- bis 24-Jährigen sorgten dafür, dass Instagram als das soziale Netzwerk mit dem schlechtesten Einfluss auf das Wohlbefinden junger Menschen eingestuft wurde.
Instagram formt das Leben seiner Nutzer. Kurze, nichtige Alltagsmomente sollen herzeigbar werden. Der Blumenkauf. Das Frühstück. Der kurze Spaziergang an der Isar. Und genauso formt es unser Bild, wie leicht und schön und angenehm Sport aussehen soll. Die Bilder aus den Fitnessstudios zeigen verkrampftes Lächeln statt echter Anstrengung. Kann das bitte wieder aufhören?
Ich habe diesen Perfektionismus so satt. Denn ich denke eh schon den ganzen Tag über mein Aussehen nach, danke auch, Gesellschaft. Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, untersuche ich meine Haut und überlege, ob das Püstelchen links neben der Nasenspitze gestern schon dagewesen ist. Wenn ich mir im Büro gedankenverloren in die Haare greife, muss ich mich zusammenreißen, dass ich nicht vor meinen Kollegen eine Bürste heraushole und sie glatt kämme. Und bevor ich mich abends mit Freunden im Restaurant treffe, ziehe ich auf dem Weg mein Smartphone aus der Tasche und kontrolliere, wie gut ich den Lippenstift aufgetragen habe.
Das alles macht den kurzen Moment, wenn ich über die Kieswege im Englischen Garten renne, umso kostbarer. Alles daran widerspricht der weiß-gefliesten Schönheitswelt, die Drogerien abgepackt in Tuben verkaufen. Meine Körpertemperatur steigt, meine Blutbahnen weiten sich und schimmern durch die Haut, bis sie rot leuchtet. Mein Hals wird feucht, ich schwitze an der Stirn und am Rücken. Aber ich bin glücklich.
Und an all die Menschen, die sich Mühe geben, auch noch beim Sport ihr Aussehen zu optimieren: Gebt einfach auf und genießt die schweißtreibende, rotwangige Seite des Sportes wieder. Mit den aktuellen Sportklamotten habt ihr sowieso keine Chance, gut auszusehen, weil jedes einzelne Teil in einer anderen Neonfarbe leuchtet. Zieht ein weites Shirt an, dann müsst ihr auch nicht mehr den Bauch einziehen. Und rennt an all den Menschen in Hyper-Funktionskleidung einfach vorbei.
Es macht so viel mehr Spaß.
Schluss mit dem Schönheitswahn beim Sport
Knappe Sportklamotten, wasserfestes Make-up: Können wir beim Sport bitte wieder schwitzen und rote Köpfe haben?